WAHRNEHMUNG
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Riechen, Sehen, Hören, Schmecken und Tasten – dies sind die fünf Sinne, mit denen der Mensch seine Umwelt wahrnimmt. Dabei gilt der visuelle Sinn als wichtigster, da er eng mit der bewussten Wahrnehmung und der Sprache verknüpft ist. Auch der Gleichgewichtssinn oder das Schmerzempfinden (Nozizeption) werden den Sinnen oft zugeordnet.
Laut der Hierarchie der Sinne folgt dem Sehsinn die auditive Wahrnehmung, also der Hörsinn, der haptische Sinn, das heißt, das Tasten, der gustatorische, also der Geschmackssinn, und schließlich die olfaktorische Wahrnehmung, der Geruch. Ob diese Hierarchie in allen Kulturen gilt, ist allerdings noch nicht eindeutig geklärt.
Daher untersuchte Asifa Majid vom Max-Planck-Institut für Psycholinguistik im niederländischen Nijmegen mit seinem Team den Zusammenhang zwischen Sprache und Wahrnehmung. Zudem wurde die Fähigkeit, bestimmte Sinneseindrücke sprachlich zu beschreiben, betrachtet. In der Studie befragten die Forscher die weltweite Bevölkerung, angefangen von Naturvölkern bis hin zu Bewohnern moderner Großstädte. Den Teilnehmern wurden verschiedene, standardisierte Sinnesreize präsentiert und sie sollten ihre Sinneseindrücke daraufhin beschreiben.
Die Wissenschaftler werteten aus, ob die Teilnehmer in ihrer jeweiligen Kultur feste Begriffe, beispielsweise für Farben, nutzten oder ob sie Schwierigkeiten hatten, bestimmte Sinneseindrücke zu beschreiben. Die Ergebnisse legten Erstaunliches nahe und zwar, dass es keine feste Sinneshierarchie zu geben scheint. Zumindest scheint es von der Kultur abzuhängen, welche Sinneseindrücke eng mit der Sprache verknüpft sind. Bei den englischsprechenden Kulturen ist der visuelle Sinn dominant, während beispielsweise bei den Farsi sprechenden Iranern oder den Einwohnern von Laos der gustatorische Sinn mit der Sprache verknüpft ist. In allen Kulturen fiel es den Teilnehmern am schwersten, über das Riechen zu sprechen, sodass man davon ausgehen kann, dass der olfaktorische Sinn der sogenannte „stumme Sinn“ ist.
Genauer betrachtet Dem visuellen Sinn ist die Farbwahrnehmung zugeordnet. Hierbei handelt es sich um die Fähigkeit, Unterschiede in der spektralen Zusammensetzung des Lichtes wahrzunehmen. Treffen Lichtstrahlen auf einen Gegenstand, werden sie reflektiert und gelangen ins Auge. Dort durchdringen sie verschiedene Schichten, wie die Hornhaut und die Iris. Die Pupille stellt die Blende des Auges dar und ist für den Lichteinfall verantwortlich, dahinter befindet sich die Linse, welche das scharfe Sehen reguliert. Schließlich trifft das Licht gebündelt auf die Netzhaut, diese ermöglicht mit ihren Sinneszellen, den Zapfen, die farbliche Wahrnehmung.
Das Gehirn interpretiert die visuellen Reize, sodass aus dem Zusammenspiel von Auge und Gehirn ein Abbild in einer bestimmten Farbe entsteht. Zu der visuellen Wahrnehmung gehört auch die Wahrnehmung von Formen. Hierunter versteht man das Vermögen, Informationen über die Konturen eines Objektes zu erkennen. Es existieren noch weitere Formen der Wahrnehmung: Der Orientierung im Raum dient der Gleichgewichtssinn, man spricht in diesem Zusammenhang von der vestibulären Wahrnehmung. Die Thermorezeption beschreibt die Temperaturwahrnehmung auf der Haut, die eng mit der haptischen Wahrnehmung verknüpft ist.
Auch die Wahrnehmung von Juckreiz steht mit der haptischen Wahrnehmung in Verbindung. Unter der räumlichen Wahrnehmung versteht man die Fähigkeit, den Bezug von zwei oder mehreren Gegenständen zueinander und zu sich selbst zu erkennen. Der Mensch hat demnach die Fähigkeit, in zwei oder drei Dimensionen zu denken, Objekte aus unterschiedlichen Perspektiven zu erkennen und Veränderungen im Raum vorherzusagen. Das räumliche Vorstellungsvermögen ermöglicht die Orientierung im Raum und ist daher für jeden Menschen von enormer Bedeutung. Ohne diese Fähigkeit würde man vielleicht gegen die Wand laufen oder könnte beim Autofahren die Spur nicht halten.
Verschiedene Entwicklungsstörungen wie Asperger oder Autismus gehen mit einem eingeschränkten räumlichen Vorstellungsvermögen einher. Betroffene können den eigenen Körper nicht als Ganzes wahrnehmen, sodass es zu Schwierigkeiten bei der Orientierung kommt. Bedeutsam ist ebenfalls die Wahrnehmungskonstanz, durch die Menschen in der Lage sind, die Eigenschaften von Objekten trotz unterschiedlicher Netzhautbilder zu identifizieren. Zum Beispiel müssen beim Lesen die Buchstaben wiedererkannt werden, auch wenn sie in einem anderen Wort vorkommen.
Intero- und Exterozeption Als Interozeption wird die Wahrnehmung aus dem eigenen Inneren bezeichnet. Im klinischen Sinne versteht man darunter die Wahrnehmung von Beschwerden, wie etwa Schmerzen, Atemnot oder eine Veränderung des Herzschlags. Man differenziert die Introzeption weiterhin in die Viszerozeption und die Propriozeption. Die Viszerozeption nimmt Signale aus den inneren Organen wahr (Hunger, Durst, Harndrang oder Eingeweideschmerz). Die Propriozeption (Tiefensensibilität) wird oft als sechster Sinn bezeichnet, stellt das Navigationssystem des Körpers dar und beschreibt einen wesentlichen Teil der Eigenwahrnehmung. In den Muskeln, Sehnen und Gelenken befinden sich zahlreiche Sinnesrezeptoren, die das Gehirn über die Position der Gliedmaßen informieren.
Die Propriozeption ist die Voraussetzung für körperliche Aktivität, damit ist es jederzeit möglich, sicher zu gehen, zu stehen oder zu liegen. Ist die Tiefensensibilität gestört, können Betroffene ohne hinzusehen nicht sagen, wo sich ihre Gliedmaßen befinden und entsprechend keine Bewegungen sicher ausführen. Der Gegenpol zur Interozeption ist die Exterozeption, die Wahrnehmung der Außenwelt, also die Verarbeitung von externen Sinneseindrücken und Reizen. Hierzu zählt die Verarbeitung von thermischen, optischen, akustischen, mechanischen, gustativen und olfaktorischen Reizen.
Wie schnell die Zeit vergeht Was für die einen erst gestern gewesen zu sein scheint, ist für die anderen gefühlt ewig her. Generell gilt der Begriff „Zeitwahrnehmung“ als unscharfer Sammelbegriff für Phänomene, wie das Zeitgefühl, die Gleichzeitigkeit oder das Zeitbewusstsein. Im Laufe des Lebens verändert sich die Wahrnehmung der Zeit – so viel ist klar. Während sie in der Kindheit scheinbar langsamer zu vergehen scheint, fragt man sich im Erwachsenenalter oft, wo die Zeit geblieben ist.
Professor Adrian Bejan von der amerikanischen Duke-Universität befasste sich mit der Frage, warum die Zeit im fortgeschrittenen Alter schneller vergeht. Er führte diese Tatsache aufgrund seiner Ergebnisse auf den menschlichen Alterungsprozess zurück. In der Kindheit werden Eindrücke durch das Gehirn schneller verarbeitet, mit zunehmenden Alter benötigen Informationen mehr Zeit, bis sie verarbeitet werden. Somit fühle es sich so an, als würde die Zeit im Erwachsenenalter schneller vergehen.
Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 10/2021 ab Seite 98.
Martina Görz, PTA, M.Sc. Psychologie, Fachjournalistin