Vegetarische Ernährung
OHNE FLEISCH GEHT’S AUCH
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Lange Zeit hieß es, dass vegetarisch ernährte Kinder kleiner seien und im Vergleich zu ihren fleischhaltig ernährten Altersgenossen in ihrer Entwicklung zurückstehen. Der Grund liege in einem Vitamin- und Eiweiß-Mangel und einer zu geringen Eisenversorgung. Mit zunehmender Beliebtheit der vegetarischen Ernährungsform weichten die Fronten etwas auf. Unter Berücksichtigung eines ausgewogenen und nährstoffreichen Nahrungsmittelangebots empfiehlt auch die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) eine laktovegetarische beziehungsweise ovo-laktovegetarische Ernährungsform als Dauerkost.
Dennoch sind viele skeptisch, wenn sie von einem vegetarisch ernährten Kind hören. Oder scheuen sich, bei ihrem Kind auf die Fleischgabe zu verzichten, obwohl sie sich selbst vegetarisch ernähren. Zu Unrecht meint eine aktuelle kanadische Studie, die unlängst im Fachmagazin „Pediatrics“ veröffentlicht wurde.
Veggie-Kids ebenso gesund wie Fleischesser-Kinder
Ernährungswissenschaftler*innen um Dr. Laura J. Elliot von der University of Toronto in Kanada werteten Daten der Längsschnitt-Kohortenstudie TARGet Kids! nach der körperlichen Entwicklung vegetarisch- und fleischhaltig ernährter Kinder aus. Die rund 8900 Kinder waren zwischen einem halben und acht Jahren alt, 248 ernährten sich vegetarisch. In der Nährstoffversorgung standen die Veggie-Kinder ihren Altersgenossen in nichts nach.
Dabei wurden unter anderem der Ferritinwert, der Vitamin-D-Spiegel sowie die Blutfettwerte untersucht. Die Kinder, die sich vegetarisch ernährten, wiesen ein etwas günstigeres Blutlipidprofil auf als die Kinder, die regelmäßig Fleisch zu sich nahmen. Verzehrten sie die empfohlenen zwei Portionen Milch täglich, gab es jedoch keine Unterschiede bei den Blutfetten zwischen den Gruppen.
Dass vegetarisch ernährte Kinder im Schnitt 0,3 Zentimeter kleiner waren, halten die Autoren für Vernachlässigbar. Dennoch stellten sie fast doppelt so häufig Untergewicht fest als bei fleischessenden Kindern. Daraus schlussfolgern die Autoren, dass eine sorgfältige Lebensmittelauswahl bedeutend sei. Und insgesamt: „Wir konnten in dieser Studie keine Evidenz dafür finden, dass eine vegetarische Diät bei Kindern mit klinisch bedeutsamen Unterschieden im Wachstum oder biochemischen Parametern der Ernährung einhergeht“.
Vegetarische Ernährungsformen
Nicht alle Vegetarier essen das gleiche. Prinzipiell kann man unterteilen in:
- vegan: ausschließlich Pflanzenkost, auch Honig wird abgelehnt,
- lakto-vegetabil: Pflanzenkost plus Milch und Milchprodukte,
- ovo-lakto-vegetabil: Pflanzenkost plus Milch und Milchprodukte plus Eier,
- pisco-vegetabil: Pflanzenkost plus Milch und Milchprodukte plus Eier plus Fisch.
Daneben existieren noch die „Pudding-Vegetarier“, die sich zwar fleischlos, aber nicht ausgewogen, sondern ungesund ernähren. Rohkostanhänger essen nichts, was über 40 Grad Celsius erwärmt oder durch andere Verfahren denaturiert wurde – die Lebensmittel müssen aber nicht zwangsläufig vegetarisch sein.
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Kritik aus Deutschland
Dr. Peter von Philipsborn vom Lehrstuhl für Public Health und Versorgungsforschung an der LMU München merkte an, dass der vegetarisch ernährten Gruppe auch solche Kinder zugeordnet wurden, die lediglich eine vegane Lebensmittelauswahl erhielten. Bei dieser könne es zu einem Vitamin-B12-Mangel kommen. „Für Kinder und Jugendliche, aber auch für Schwangere und Stillende wird eine vegane Ernährung daher von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung nicht empfohlen“, betont von Philipsborn.
Den einprozentigen Anteil untergewichtiger Kinder innerhalb der Studie stuft Philipsborn als niedrig ein, es könnte genauso gut ein Zufall sein. Oder ein statistischer Fauxpas, denn die verwendeten Z-Scores der WHO seien für europäische Kinder konzipiert. „Tatsächlich war ein Drittel der vegetarisch oder vegan ernährten Kinder in der Studie asiatischer Abstammung; unter den herkömmlich ernährten Kindern lag der Anteil hingegen nur bei 20 Prozent.“
Professor Dr. Hans Hauner, Ernährungsmediziner an der TU München, schätzt eine vegetarische Ernährungsform für Kinder als weitgehend sicher ein. Ein Knackpunkt sei für ihn die kurze Beobachtungszeit der Studie: „Die Autoren kommen selbst zum Schluss, dass größere Kohortenstudien benötigt werden, um die langfristigen Konsequenzen einer vegetarischen oder veganen Kost auf das Wachstum und den Ernährungsstatus der Kinder zuverlässig einschätzen zu können“.