Tumorwachstum
KEINE KALORIEN, KEIN KREBS?
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Krebszellen teilen sich schneller als andere Körperzellen. Dazu benötigen sie Nährstoffe wie Glucose und Fette: zum einen, um daraus Energie zu gewinnen, zum anderen als Molekülbausteine. Daraus entstand die Idee, Tumoren auszuhungern, indem der Krebskranke weniger dieser Nährstoffe zu sich nimmt.
Hier standen bislang insbesondere Kohlenhydrate im Fokus. Ein Team von Forschern um Evan Lien vom Massachusetts Institute of Technology in Cambridge hat nun genauer untersucht, ob eine Diät das Tumorwachstum hemmen kann. Dabei verglichen die Wissenschaftler eine kohlenhydratarme, ketogene Diät mit einer allgemein kalorienreduzierten Ernährung – an Mäusen.
Spezielle Ernährung für krebskranke Mäuse
Die Forscher pflanzten den Nagern Tumorzellen von kleinzelligen Lungenkarzinomen oder Bauchspeicheldrüsenkrebs ein. Dann unterteilten sie sie in drei Gruppen:
- Eine Gruppe erhielt ketogene Nahrung mit kaum Kohlenhydraten, aber normalem Kaloriengehalt.
- Eine Gruppe erhielt Nahrung mit ausgewogenem Fett-, Kohlenhydrat- und Eiweißanteil, aber 40 Prozent weniger Kalorien insgesamt.
- Eine Placebo-Gruppe wurde unverändert gefüttert.
Dann verglichen sie den Blutglucose- und Insulinspiegel mit dem Tumorwachstum. Die Forscher stellten fest: „Beide Diäten senkten in ähnlicher Weise den Blutzuckerspiegel.“ Der Insulinspiegel sank bei der ketogenen Ernährungsweise stärker. Die Tumoren wuchsen allerdings nur in der kalorienreduzierten Gruppe langsamer.
Auch, als die Forscher berücksichtigten, dass diese Mäuse stark an Gewicht verloren und die Tumormasse ins Verhältnis zum Körpergewicht der Mäuse setzten, war der Effekt noch deutlich. Die Forscher mussten ihren Ansatz also noch einmal überdenken: „Die Auswirkungen der Kalorienreduktion auf das Tumorwachstum lassen sich offenbar nicht vollständig durch die Verringerung von Blutzucker und Insulin erklären.“
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Fettreduktion wirkt doppelt
Das Team um Lien untersuchte also, auf welche weiteren Nährstoffen die Tumoren verschieden gut zugreifen konnten: „Wir stellten fest, dass die beiden Diäten sehr unterschiedliche Auswirkungen auf den Fettsäurespiegel hatten.“ Und nur die Kalorienreduktion senkte die Verfügbarkeit der Fettsäuren im Tumor, die ketogene Ernährung steigerte sie für einzelne Fettsäuren sogar.
Zellkulturen zeigten dann, dass die Tumorzellen die Lipide mit den Fettsäuren für ihre Membranen benötigen. Das Enzym Stearoyl-CoA-Desaturase (SCD) kann einen Fettsäuremangel ein Stück weit ausgleichen, indem sie gesättigte in ungesättigte Fettsäuren umwandelt. Ohne SCD hatten die Zellen dem Lipidmangel nichts entgegenzusetzen.
Zwar drosselten beide Ernährungsformen die SCD-Aktivität, da sie den Insulinspiegel senkten und Insulin SCD hochreguliert. Da bei der ketogenen Diät aber genug ungesättigte Fettsäuren vorhanden sind, ist die Tumorzelle nicht auf das Enzym angewiesen. „Die Kalorienrestriktion dagegen entzieht den Tumoren Lipide und beeinträchtigt zusätzlich den Prozess, der es ihnen ermöglicht, sich an die Diät anzupassen. Diese Kombination trägt wirklich zur Hemmung des Tumorwachstums bei“, erklärt Lien.
„Die Kalorienrestriktion entzieht den Tumoren Lipide und beeinträchtigt zusätzlich den Prozess, der es ihnen ermöglicht, sich an die Diät anzupassen. Diese Kombination trägt wirklich zur Hemmung des Tumorwachstums bei.“
Kann man auch menschliche Tumoren aushungern?
Um zu prüfen, ob das auch für Menschen gilt, wertete das Team um Lien die Daten von 1165 Bauchspeicheldrüsenkrebs-Patienten aus. Allerdings waren diese zu unvollständig, um Schlussfolgerungen zu ziehen. Liens Kollege Matthew Vander Heiden schränkt deshalb ein: „Es gibt viele Hinweise darauf, dass die Ernährung die Geschwindigkeit des Krebsfortschritts beeinflussen kann, aber das ist kein Heilmittel.“
Die Ergebnisse seien zwar provokativ, aber es brauche weitere Studien. Jeder Patient sollte mit seinem Arzt über die richtigen Ernährungsmaßnahmen für seine Krebserkrankung sprechen. Die Forscher warnen: Gerade bei Krebserkrankten können Diäten gravierende Folgen haben, beispielsweise Metastasen begünstigen oder zu Herz-Kreislauf-Erkrankungen führen. Der Gewichtsverlust kann die Betroffenen schwächen und so weitere Therapien erschweren.
„Es gibt viele Hinweise darauf, dass die Ernährung die Geschwindigkeit des Krebsfortschritts beeinflussen kann, aber das ist kein Heilmittel.“
Es gehe bei den Studien aber auch nicht darum, eine Diät zu empfehlen, stellt Lien klar, vielmehr wolle man die zugrundeliegende Biologie verstehen: „Sie vermitteln einen Eindruck von den Mechanismen, wie diese Diäten funktionieren, und das kann zu rationalen Ideen führen, wie wir diese Situationen für die Krebstherapie nachahmen könnten.“ So sei es zum Beispiel denkbar, das Enzym SCD zu hemmen.
Quelle: Wissenschaft.de