Hafer in der Nahaufnahme auf einem Haferfeld, im Hintergrund geht die Sonne unter© irisphoto2 / iStock / Getty Images Plus
So ein Haferfeld im Spätsommer hat schon etwas Romantisches.

Trendgetreide

VIER GRÜNDE HAFER ZU ESSEN

Haferdrink statt Kuhmilch, Haferflocken statt Mehl – das Getreide erlebt ein echtes Revival. Gesund soll er sein, auch für glutensensitive Menschen verträglich und zudem erschwinglich und nachhaltig. Doch hält Hafer, was sein Image verspricht?

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Im Jahr 2020 wurde die Anbaufläche für Hafer in Deutschland im Vergleich zu den Vorjahren um rund ein Viertel erweitert. Gerade im Biolandbau handelt es sich bei jedem dritten Getreidefeld um ein Haferfeld. Der zunehmende Trend von Haferprodukten in deutschen Küchen macht sogar einen Import weiterer Hafermengen zur Verarbeitung notwendig, vor allem aus Finnland und Schweden.

Heimischer Hafer landet demnach nicht nur in den Bäuchen von Pferden oder Rindern, sondern auch in Haferdrinks, Hafersahne oder als klassische Haferflocke im neuen Lieblingsfrühstück Porridge. Warum die Flocken nach Ansicht der Verbraucher*innen und Blogger*innen rocken:

Grund 1: Gesundes Lebensmittel

Was steckt in den Flocken drin? In einem Wort: Vollwert. Das Getreide watet mit 55 Prozent Kohlenhydrate, knapp 13 Prozent Eiweiß und satten 10 Prozent Ballaststoffen auf. Bei etwa 7 Prozent Fett und 1,2 Prozent Mineralstoffen und bedeutenden Mengen an B-Vitaminen (B1, B2, B5, B9). Im Vergleich zu anderen Getreidesorten gilt Hafer auch als recht eisenhaltig (16,6 Prozent).

Haferflocken sind nicht glutenfrei. Im Gegensatz zu anderen Getreidesorten wie beispielsweise Weizen enthalten sie allerdings weniger Gluten. 

Gerichte mit Hafer halten aufgrund des hohen Ballaststoffgehaltes lange satt, lassen den Blutzuckerspiegel gleichmäßig ansteigen und verhindern so Heißhungerattacken. Dies hebelt auch das reine Argument des Kaloriengehaltes aus, denn auf den ersten Blick scheint Hafer mit rund 350 Kilokalorien pro 100 Gramm ein hochkalorisches Lebensmittel zu sein. Doch zum einen werden keine 100 Gramm zur Sättigung benötigt, zum anderen hält eine Hafermahlzeit am Morgen bis zur Mittagszeit satt. Landwirte beobachteten zudem, dass ihre mit Hafer „gemästeten“ Gänse zwar schnell wuchsen, jedoch nicht fett wurden.

Hafer von seiner botanischen Seite
Die Gattung Avena aus der Familie der Süßgräser (Poaceae) führt mehrere Arten, die von Wildhaferarten abstammen. Der heute genutzte Saat-Hafer (Avena sativa L.) kam als Flughafer (Avena fatua L.), ein heute ungern gesehenes Unkraut, aus seiner eurasischen Heimat zu uns. Das einjährige Rispengras bildet einen 60 bis 120 Zentimeter (cm) hohe Halm mit zweizeilig angeordneten Blättern aus, die den Halm umschließen. An meist waagerecht abstehenden Ästen befinden sich 15 bis 30 cm lange, lockere Rispen mit 2 bis 3 cm langen, „nickenden“ Ährchen aus je zwei bis drei Blüten. Nach der Befruchtung entstehen spindelförmige, tief gefurchte Haferkörner (Karyopsen) mit je zwei großen, blattartigen Spelzen.

Grund 2: Fördert die Gesundheit, gegen Erkrankungen

Gerade der hohe Ballaststoffanteil macht die Flocken so gesund. Denn diese halten satt und fördern die Verdauungsprozesse im Darm – mit positivem Effekt auf Stoffwechsel, Cholesterin- und Blutglucosespiegel. Für Hafer konnte man entsprechend verschiedene gesundheitsfördernde Effekte bei verschiedenen Krankheitsbildern feststellen:

  • Diabetes mellitus Typ 2
    Hafer enthält bis zu 4,5 Gramm sogenannter Hafer-Beta-Glucane auf 100 Gramm Hafer. Diese löslichen Ballaststoffe quellen stark auf, die im Hafer enthaltenen Kohlenhydrate werden nach und nach ausgelöst und erhöhen so den Blutzuckerspiegel nicht rasant (postprandiale Spitzen werden verhindert). Sogenannte intensive Hafertage, an denen zu einer warmen Haferspeise nur wenige weitere Zutaten kombiniert werden (Gesamtkalorienzufuhr wird auf 1000 Kilokalorien pro Tag gesenkt), sollen sich positiv auf den Blutzuckerspiegel, die Insulinresistenz, den Insulinbedarf (gespritzt), den Cholesterinspiegel und die Blutfettwerte auswirken.
  • Hypercholesterinämie
    Beta-Glucane sind in der Lage Gallensäuren aus dem Darm zu binden. Dadurch stehen weniger Gallensäuren zur Bildung neuer Cholesterolbausteine zur Verfügung (De-novo-Synthese von Cholesterol wird angeregt).

Werden Haferflocken 30 Minuten vor dem Verzehr eingeweicht, verringert sich der Gehalt an Phytinsäure, die Mineralstoffe und Spurenelemente an sich bindet und so die Verfügbarkeit herabsetzt. 

  • Entzündungen und Juckreiz
    Wie viele andere pflanzliche Lebensmittel enthält Hafer sekundäre Pflanzeninhaltsstoffe, die weitere positive Effekte auf den Körper mit sich bringen können, so zum Beispiel das Antioxidans Avenanthramid. Ein Polyphenol, das freie Radikale abfängt, Entzündungsreaktionen abmildert und die Gefäßwand schützt.
    Am besten wird es mit Vitamin C kombiniert aufgenommen – also optimal bei einem Müsli mit Obst.
  • Funktionelle Magen-Darm-Beschwerden
    Haferschleim trägt seinen Namen nicht einfach so – Haferbrei legt sich nach dem Verzehr wie eine schützende Schleimschicht auf gereizte und entzündete Schleimhäute von Magen und Darm und beruhigt. Dabei ist er gut verdaulich und eignet sich somit gut als Schonkost für Menschen mit Reizmagen oder –darm. Der hohe Ballaststoff-Anteil kann leichte Verdauungsbeschwerden mit Obstipation positiv beeinflussen. Gleichzeitig fördern Haferflocken sowohl das Wachstum als auch die Aktivität „guter Darmbakterien“ (pro- und prebiotischer Effekt auf das Darmmikrobiom).
     

Für die ersten beiden Punkte existieren für Hafer-Lebensmittel folgende Health-Claims, also gesundheitsbezogene Daten, die auf dem Lebensmittel aufgebracht werden dürfen, da ein großer wissenschaftlicher Konsens besteht:

  • „Beta-Glucane tragen zur Aufrechterhaltung eines normalen Cholesterinspiegels im Blut bei.“
  • „Die Aufnahme von Beta-Glucanen aus Hafer oder Gerste als Bestandteil einer Mahlzeit trägt dazu bei, dass der Blutzuckerspiegel nach der Mahlzeit weniger stark ansteigt."


Arzneipflanze des Jahres
2017 wählte der Studienkreis „Entwicklungsgeschichte der Arzneipflanzenkunde“ an der Universität Würzburg Avena sativa, den echten Hafer, zur Arzneipflanze des Jahres 2017. Nicht nur die innerlichen Wirkungen der Ballaststoffe, sondern auch die äußerliche Anwendung der Droge bei juckender, gereizter und chronisch kranker Haut, waren für die Wahl ausschlaggebend.

Ein weiterer Vorteil liegt laut VGMS (Verband der Getreide-, Mühlen- und Stärkewirtschaft) darin, dass Hafer den Verzehr anderer als gesund eingestufte Lebensmittel fördere. So stellten Haferflocken gute Kombinationspartner für Obst und Gemüse dar, beispielsweise in Müslis, Porridge oder herzhaften Aufläufen oder Salaten.

Grund 3: Umwelt- und klimafreundliches Lebensmittel

Im Gegensatz zu vielen anderen Feldfrüchten schont der Anbau von Hafer Boden und Umwelt. Da Hafer die natürliche Fähigkeit besitzt, Beikräuter zu verdrängen und wenig anfällig für Pflanzenkrankheiten ist, muss er nur moderat mit Dünge- oder Pflanzenschutzmitteln behandelt werden. Dadurch werden Boden und Umwelt insgesamt nachhaltig geschützt. Nach der Ernte hinterlässt Hafer eine nährstoffreiche Bodenstruktur, die für die nachfolgend angebaute Feldfrucht vorteilhaft ist. Dadurch können auf mit Hafer bepflanzten Äcker eine größere Fruchtfolge angebaut werden, also zum Beispiel fünf wechselnde Kulturen und nicht nur drei. Das schützt die Gesundheit des Ackerbodens.

Der im Frühjahr ausgesäte Sommerhafer trägt zu höherer Biodiversität bei Vögeln und heimischem Niederwild bei. Besonders bodenbrütende Vogelarten, wie Feldlerche, Kiebitz und Rebhuhn, profitieren von der späteren Frühjahrsentwicklung und dem besseren Nahrungsangebot in den Getreidefeldern.

Umweltbilanz im Check
Im Vergleich zu proteinreichen Lebensmitteln, wie Linsen als pflanzliche und der Hühnerbrust als tierischem, verfügt der Hafer um einen kleineren CO2-Abdruck: Ein Kilogramm (kg) Haferflocken hinterlassen einen CO2-Fußabdruck von 0,6 kg, Linsen (getrocknet) von 1,2 und Hähnchen im Durchschnitt von 5,5. Ähnliches gilt auch für den beliebten Haferdrink, im Vergleich zu anderen pflanzlichen Milchalternativen weist er den niedrigsten CO2-Abdruck und den zweitniedrigsten Wasserverbrauch bei der Herstellung auf.

Neben dem Haferdrink als Ersatz für Kuhmilch sind eine Reihe weiterer Milchproduktealternativen entstanden: Hafer kann für vegane Alternativen von beispielsweise Joghurt, Quark, Skyr, Sahne, Eis, Butter oder Käse eingesetzt werden. Auch fleischliche Alternativen wie Bratlinge, die vegetarische oder vegane Variante der Fleischfrikadelle oder des Hackbällchens, und fleischlose Burger-Patties sind inzwischen bereits etabliert – auch als Fertigmischungen zum Anrühren zu Hause. Hafer dient vor allem zur Verbesserung der Textur und des Nährwerts. Was zum nächsten Punkt führt.

Grund 4: Tierwohl

Schon die Germanen nutzten Hafer für ihre tägliche Ernährung – auch wenn die Römer dafür nicht viel Verständnis zeigten. So soll sich der Anwalt und Senator Plinius abfällig gesagt haben: „Wie kann man freiwillig Tierfutter essen?" Tatsächlich setzte sich historisch gesehen, der Weizen als Hauptkulturgetreide durch. Man kann leichter Brot aus ihm backen. Außerdem weist er einen geringeren Öl-Gehalt auf, wodurch Körner und Mehl länger haltbar sind. Anders im Norden, denn Hafer wächst robust und wetterbeständig – ein Grund dafür, warum man in Schottland oder Großbritannien so gerne Porridge oder Oats verspeist.

Dennoch dient Hafer auch heute noch als wichtiger Futtermittellieferant. In der menschlichen Ernährung können Haferprodukte sehr gut in Fleischgerichten und Fleischalternativen eingesetzt werden. So gesehen trägt Hafer zu Tierwohl bei, denn weder die körperliche noch die psychische Tiergesundheit in der Nutztierhaltung werden durch Hafer tangiert. Eher noch geschont, da weniger Fleisch oder andere tierische Produkte konsumiert werden.  

Quellen:

www.lebensmittellexikon.de/h0000450.php


Pressemitteilung des Verbands der Getreide-, Mühlen- und Stärkewirtschaft VGMS e.V. August 2022, Mit Hafer wird nachhaltige Ernährung einfach
https://www.kws.com/de/de/produkte/getreide/blickpunkt-kundenzeitschrift/bp_01-2021_06-trendgetreide-hafer/#:~:text=Hafermarkt%20in%20Deutschland,den%20deutschen%20Sch%C3%A4lm%C3%BChlen%20zu%20beobachten.
https://www.hafer-die-alleskoerner.de/ernaehrungsberatung/hafer-wissen/naehrwerttabelle
https://www.lebensmittellexikon.de/h0000450.php
https://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/daz-az/2016/daz-44-2016/der-saathafer-arzneipflanze-des-jahres-2017
https://www.rbb-online.de/rbbkultur/themen/leben/rezensionen/geschmackssache/2022/03/hafer.html#:~:text=Hafer%20ist%20eine%20der%20%C3%A4lteste,sich%20kaum%20zum%20Brotbacken%20eignete.
https://arzneipflanzenlexikon.info/hafer.php
https://www.spektrum.de/lexikon/biologie/hafer/30153
https://www.diabetesde.org/system/files/documents/intensive_hafertage_patienten-infoblatt_begleitend_zum_beratungsgespraech_juni_2017.pdf
https://www.dlr.rlp.de/Ernaehrungsberatung/Fachinformationen/Ernaehrung-und-Gesundheit/Nahrungsinhaltsstoffe/Beta-GlucaneinGersteundHafer
https://www.ernaehrungs-umschau.de/fileadmin/Ernaehrungs-Umschau/pdfs/pdf_2012/04_12/EU04_2012_242_243.Markt.pdf
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