Buntes Obst und Gemüse nach den Farben Rot, Grün und Gelb sortiert.© Bojsha65 / iStock / Getty Images Plus
Eine Studie zeigt, dass die Versuchspersonen schneller auf einen roten Reiz antworten, wenn sie zuvor stärker Grün selektiert hatten.

Sinneseindrücke

„KEIN IGNORIEREN OHNE WAHRNEHMEN“

Das Gehirn interpretiert visuelle Reize. Es entstehen Sinneseindrücke von Farben, die je nach Wellenlänge des Lichts unterschiedlich aussehen. Ein Forscherteam des Leibniz-Instituts für Neurobiologie (LIN) Magdeburg hat in einer Studie untersucht, wie man Farben bewusst wahrnimmt – oder eben ignoriert.

Seite 1/1 2 Minuten

Seite 1/1 2 Minuten

Im Alltag muss unser Gehirn ständig Wichtiges von Unwichtigem unterscheiden. Dabei verlassen wir uns oft auf Farbsignale. Was passiert dabei im Gehirn zum Beispiel, wenn man auf der Suche nach roten Tomaten und grünen Avocados in der Gemüseabteilung zuerst auf die Tomaten trifft? Kann das Gehirn in dem Moment schnell auf „Rot“ schalten und „Grün“ ignorieren? Das und mehr haben Dr. Mandy Viktoria Bartsch und ihr Team untersucht:

„Wir wollten in der Studie herausfinden, wie das Gehirn seine Aufmerksamkeit auf etwas richtet und vor allem wie schnell es wechseln kann, wenn es mehrere Dinge gleichzeitig verarbeitet, wie in dem Beispiel mit den roten Tomaten und grünen Avocados.“

22 Proband*innen sollten sich auf die Zielfarben Rot und Grün im linken Bereich eines Bildschirms konzentrieren. Bartsch erläutert die Aufgabe:

„Auf der rechten Seite blendeten wir dann entweder die gleiche Farbe ein oder eine andere, die sogenannte Störfarbe. Per Tastendruck mussten die Teilnehmer entscheiden, ob sie auf der linken Seite gerade Rot oder Grün gesehen haben. Vor allem hat uns aber die Gehirnantwort zu der potentiell störenden Farbe auf der rechten Bildschirmseite interessiert.“

Die elektromagnetische Aktivität des Gehirns wurde mithilfe einer EEG-Haube auf den Köpfen der Proband*innen gemessen. Während des 60-minütigen Experiments saßen sie in einem Magnetoenzephalographen, der schnelle Aktivitätsänderungen misst.

Das Ergebnis des Versuchs überraschte die Forschenden: Entgegen ihrer Erwartungen reagierten die Probanden zunächst auf den in diesem Moment irrelevanten grünen Farbton, also die Störfarbe, bevor sie sich auf Rot fokussierten. Bartsch leitet daraus ab, dass sich unsere Aufmerksamkeit erst um die Dinge zu kümmern scheint, die uns ablenken, bevor sie sich dem eigentlichen Ziel zuwendet und sagt weiter:

„Wir nennen diesen Mechanismus ,selection for rejection´. Ein Reiz wird selektiert, um ihn danach besser unterdrücken zu können.“

Außerdem fanden sie in ihrer Studie heraus, dass Versuchspersonen schneller auf einen roten Reiz antworten konnten, wenn sie zuvor stärker Grün selektiert hatten. Je stärker die ablenkende Farbe also wahrgenommen wurde, desto besser konnte sie anschließend ausgeblendet werden.

Für den Supermarktbesuch und die Tomaten-Avocado-Problematik bedeutet das: Treffen wir als erstes auf die roten Tomaten, werden wir wahrscheinlich zunächst alles Grüne im Regal ausblenden. Erst, wenn die grüne Farbe erfolgreich unterdrückt wurde, wenden wir uns den roten Tomaten zu. Bartsch fasst zusammen: „Paradoxerweise scheinen wir in unserem Gehirn erst das wahrzunehmen, was wir eigentlich unterdrücken wollen. Sprich: kein Ignorieren ohne voriges Wahrnehmen.“

Quelle: Informationsdienst Wissenschaft

×