Kolumne | Prof. Dr. Aglaja Stirn
RESILIENZ
Seite 1/1 2 Minuten
Bei rund 30 Prozent der Erwachsenen weltweit kann es zu einer psychischen Erkrankung kommen, insbesondere stressassoziierte Erkrankungen nehmen zu. Die postmoderne Welt zeigt eine erhöhte Arbeitsverdichtung und kürzere Regenerationsphasen im Alltag. Sie stellt höhere Anforderungen an die Flexibilität, bringt größere gesellschaftliche Unsicherheiten durch zunehmende Digitalisierung und bewirkt ein verändertes Beziehungsverhalten. Viele Menschen erleben subjektiv vermehrt Stress. Wie schafft man es, damit umzugehen und selbst stabil und gesund zu bleiben?
Resiliente Menschen bewahren trotz schwerer Umstände den Lebensmut, reagieren auf Krisen mit Zuversicht. Sie lassen sich von Schicksalsschlägen nicht so leicht aus der Bahn werfen, geht weiter und bewältigt ihr Leben. Resilienz ist eine Kraft der Psyche und des Körpers Belastungen auszuhalten. Das Konzept der Resilienz wurde in den 1960er Jahren entwickelt. Die Resilienzforschung untersucht, wie der einzelne Mensch mit Stressfaktoren umgeht und wie dies mit seiner Biografie zusammenhängt. Sie beschäftigt sich auch damit, was er tun kann, um seine psychische Widerstandsfähigkeit zu verbessern.
Sie fand heraus, dass vernachlässigte oder traumatisierte Menschen keineswegs automatisch scheitern oder unglücklich sind. Viele Menschen führen trotz schwerer Bedingungen ein gutes und erfülltes Leben. Resiliente Menschen betrachten ihr Leben als sinnvoll und nehmen es selbst in die Hand, merken, dass sich etwas verändert, wenn man handelt. Außerdem verfügen sie über stabile soziale Kontakte und ein realistisches Selbstbild, das ihnen hilft, Ziele besser einzuschätzen und Wege zu finden, um sie zu erreichen. Auch ein guter Zugang zu ihren eigenen Gefühlen und Zuversicht macht Menschen resilient.
Diese psychische Widerstandsfähigkeit ist eine durch aktive Interaktion mit der Umwelt entwickelte Fähigkeit, also ein dynamischer Prozess. Eine Fähigkeit, schwerwiegenden Herausforderungen standzuhalten und sich zu adaptieren. Eine Fähigkeit, mit bedrohlichen Bedingungen umzugehen und psychisch dabei nicht zu dekompensieren. Diese psychische Anpassungs- oder Widerstandsleistung speist sich aus biologischen, psychologischen, interpersonellen und soziokulturellen Faktoren. Dabei ist die Emotionsregulation ein wichtiger Faktor. Um Resilienz zu fördern, gibt es Präventionsprogramme.
Der einzelne Mensch soll lernen, wie er besser mit Stress umgehen oder wie er seinen Lebensstil ändern kann, damit er eine höhere Resilienz entwickelt und gesund bleibt. Hilfreich ist hier Optimismus: Er schafft Vertrauen, dass sich alles zum Guten fügen wird, und Extraversion, also sich nach außen zu wenden: Dies erleichtert es, auf Mitmenschen zuzugehen und soziale Bindungen zu knüpfen.
Auch gute Emotionsregulationsstrategien der Neubewertung, Akzeptanz, Problemlöseverhalten und positive Sichtweise fördern die Resilienz. Aktives Coping, also der Schritt vom problemorientierten Denken zum lösungsorientierten Handeln, ist ein möglicher Weg, aus der Gefangenheit in Grübelschleifen (Rumination) und Depression. Gut ist immer, sich selbstwirksam zu fühlen, nicht die Opferrolle einzunehmen, sondern an die eigene Kraft zu glauben und zu handeln. Tun Sie etwas für Ihre Resilienz, es lohnt sich immer.
Den Artikel finden Sie auch in DIE PTA IN DER APOTHEKE 03/2022 auf Seite 12.
Professor Dr. Aglaja Stirn
ist Direktorin des Instituts für Sexualmedizin und Forensische Psychiatrie und Psychotherapie, Fachärztin für Psychosomatische Medizin, Gruppentherapie, Psychoanalyse und Sexualtherapie an der Universität Kiel, Zentrum für Integrative Psychiatrie ZIP. www.zip-kiel.de