Schmöker des Monats
PFOTEN VOM TISCH!
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Jetzt ist es also raus. Nicht nur an seiner Kindheit im Ruhrgebiet ließ er uns teilhaben (Buchtitel: „Der Junge muss an die frische Luft“), oder an dem spirituellen Marsch zu sich selbst („Ich bin dann mal weg“) – jetzt wissen wir auch endlich, welches Haustier sein Leben bestimmt. Wie alle seine Druckwerke ist selbst ein Buch über seine Katzen eine kleine Autobiografie. Hape Kerkeling, der Komiker aus Recklinghausen, hat sie verfasst, in seinem ureigenen Plauderstil, so witzig, dass man das Ernste darin beinahe überliest, aber das ist ja bei allen guten Humoristen so.
Den Anfang macht das Peterle Katzen also. Er bekommt die erste mit Acht von den Großeltern, als seine Mutter unter tragischen Umständen gestorben ist. Peterle hört aufs Wort, muss aber unbedingt die Pfoten vom Tisch lassen. Und so sitzt sie manierlich neben dem jungen Hans-Peter auf der Eckbank. Der kleine freche Kater wird nicht besonders alt, damals kastrierte man Hauskatzen noch nicht: „Heute weiß man es besser“, sagt der Autor, in der Rückschau immer noch etwas resigniert, denn Peter wurde nur fünf Jahre alt. Hier erweist sich das Buch erstmals als Hybrid („Goldene Katzenregel: Lassen Sie Ihre Katze rechtzeitig kastrieren oder sterilisieren.“), es ist nämlich auch ein Ratgeber und kann sich die ganzen 304 Seiten lang nicht für das eine oder andere entscheiden, was die Lektüre ein wenig sprunghaft macht, allerdings immer vergnüglich.
Kleine Kostprobe: „Der Trieb ist nichts, was Kater oder Katze echtes Vergnügen bereitet. Hier dürfen wir bitte nicht vom lüsternen Menschen auf die Vierbeiner schließen. Fünf Monate muss eine Katzen mindestens alt sein, um erstmals rollig und Mutter zu werden.“ Tja, das wäre dann wohl eine echte Teenagerschwangerschaft. Als der erwachsene Hans-Peter Kerkeling sich entschließt, wieder Katzen in sein Leben zu lassen, wird er bei der Kette rauchenden Ruhrpott-Hobbyzüchterin Gerti Paslowski vorstellig. Die hat nämlich welche zu vergeben und ist verhalten begeistert von ihrem prominenten Besuch, stellt ihn ihrem Ehemann im Feinripp („Helmut, mein bestes Stück!“) und Nachbar Günni vor.
Samson, der nach einer beliebten Tabakmarke für Selbstdreher heißt, und Spock, dessen Ohren größer als normal sind, wollen zusammen mit Hape nur noch weg hier. Und so beginnt ein gemeinsames Leben, das immerhin zwölf Jahre dauern soll – Fahrten ins italienische Ferienhaus inklusive. Wie es Herrn Kerkeling gelingt, seine schwergewichtigen Katzen jedes Mal als Handgepäck in die Business Class des Fliegers zu schleusen, ist wirklich lesenswert: Vorsicht Lachtränen-Alarm! Begleitet von Tipps zum Gelingen von Verreisen mit Miezen („Am besten gar nicht“) schließt dieses Kapitel, auch diesmal wieder zwiegestaltet.
Katzen schnurren ihn in den Schlaf Der Autor nimmt uns mit ins Land der Katzen-Neulinge. Zum Beispiel bei seinen Erziehungsversuchen, die, man ahnt es, nicht von Erfolg gekrönt sind. Seine Katzen öffnen Türen, das ist ganz einfach, wenn man sich mit den Pfoten an die Klinke hängt. Auch an die der Schlafzimmertür. Und Hape, der sich geschworen hat, die beiden nicht in sein Bett zu lassen, gewöhnt sich nun an, sich vorsichtig um sie herum zu schlängeln, damit ihr Nachtschlaf nicht gestört wird: „Das Katzenschnurren entspannt und beruhigt zusätzlich.
Katzen schnurren pro Minute knapp 1500 Mal. Mehr Entspannung geht nicht.“ Er bekennt: „Bald wird es für mich unvorstellbar, ohne meine Katzen einzuschlafen.“ Tja, wir alle müssen lernen, was im Leben unvermeidlich ist. Der Abschied von beiden – der eine herzkrank, der andere an Asthma leidend – tut weh, gehört zu den ernsten Stellen im Buch und gibt haargenau wieder, was an einem Leben mit Tieren zu den fast unerträglichen Situationen gehört. Hape Kerkeling reicht es. Er möchte einen solchen Abschied nie wieder erleben, will sich nie wieder so tief auf ein Haustier einlassen.
Anne, die Personal Trainerin Da muss das Schicksal dann wohl eingreifen. Vier Monate nach dem Tod der beiden Kater steht Anne in seiner Küche, in der italienischen wohlgemerkt. Hapes Ehemann benennt die graue Kätzin nach dessen Maskenbildnerin und die Zugelaufene beeilt sich, den frei gewordenen Platz im Herzen ihrer beiden Herrchen einzunehmen. Sie geht bei Fuß wie ein Hund und gibt High Five. Wenn Hape zu lang am Schreibtisch sitzt, tänzelt sie spätestens nach zwei Stunden über die Computertastatur und besteht darauf, dass man ein paarmal gemeinsam ums Haus läuft: „Ein geborener Personal Trainer“, sagt der Mann, der sich seitdem Anne und ihren Nachfolgerinnen nicht mehr in den Weg stellt. Und hier kommt jetzt endlich der Mehrwert für uns PTA ins Spiel!
Denn wenn nix mehr hilft – die Katze kann’s richten! Ja, Hape hat dankenswerterweise für uns den medizinischen Nutzen einer Katze aus den Tiefen der Wissenschaft geholt, und das ist laut Quellenangaben ganz hinten im Buch schwarz auf weiß nachzulesen. Also: Jeder Katzenbesitzer weiß ja sowieso, dass seine Mieze sofort spürt, wenn es einem menschlichen Familienmitglied seelisch oder körperlich nicht so gut geht. Jetzt kommt‘s: „Das niederfrequente Brummen kommt nicht nur der Gesundheit der Katze zugute, sondern eben auch der des Menschen. Heilungsprozesse werden im Körper beschleunigt. Das ist keineswegs die abstruse Theorie eines überdrehten Katzenliebhabers, sondern inzwischen eine wissenschaftlich belegte Tatsache. Arthrose, Knochenbrüche und Osteoporose lassen sich erfolgreich mit einem Katzenschnurren, idealerweise bei einer Frequenz zwischen 27 und 44 Hertz, behandeln. Selbst Herz-, Atemwegserkrankungen, Asth- ma und Diabetes verbessern sich nachweislich; Depressionen und Angsterkrankungen, Persönlichkeits- und Essstörungen, Migräne, psychische und psychosomatische Erkrankungen kann man schonend mit der unvergleichlichen Gegenwart einer Fellnase behandeln. Brauchen Sie noch mehr Gründe, um einer Samtpfote ein neues Heim zu schenken?“
Jetzt sind sie bald da Nein, brauchen wir nicht. Und wir Katzenfreunde wissen ja auch, dass es so ein paar Dinge über Miezen gibt, die die Wissenschaft eben nicht erklären kann. Da ist zum Beispiel die Sache mit den Vorahnungen. Hape Kerkeling und sein Mann müssen ihre Katze manchmal für Wochen in Umbrien zurücklassen, um sich den Geschäften in Deutschland zu widmen. Sie brauchen dann dem italienischen Housekeeper nicht Bescheid zu sagen, wann sie zurückkommen: Exakt 48 Stunden vorher setzt sich die Katze in die Toreinfahrt des Hauses und wartet geduldig. Paolo, der Gärtner, weiß dann, was los ist: „Jetzt sind sie bald da.“ Vernünftig erklärbar, grübelt Hape, scheint ihm das nicht.
Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 09/2021 ab Seite 148.
Alexandra Regner, PTA und Medizinjournalistin
Hape Kerkeling Pfoten vom Tisch! Meine Katzen, andere Katzen und ich
Hardcover mit Schutzumschlag Piper, 304 Seiten, 22 Euro EAN 978-3-492-08000-2