Beißschiene Zähne.© AndreyPopov / iStock / Getty Images

NICHT DIE ZÄHNE ZUSAMMENBEISSEN

Probleme können auf die Zähne schlagen: Dies zeigt sich beispielsweise im nächtlichen Zähneknirschen. Doch es gibt weitere Zusammenhänge, die zwischen dem Gebiss und der Psyche bestehen.

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Redensarten wie „Die hat Biss!“, „auf dem Zahnfleisch gehen“, „auf Granit beißen“ oder „die Zähne zeigen“ deuten auf den Zusammenhang zwischen Psyche und Emotionen hin. Jeder Mensch beißt bei Stress unbewusst die Zähne zusammen. Tatsächlich stehen die Psyche und die Zahngesundheit in einer engen Beziehung, ähnlich wie die Psyche auch mit anderen Organen verbunden ist, die von psychosomatischen Beschwerden betroffen sein können.

Nächtliches Zähneknirschen, ein brennendes Gefühl im Mund oder Zahnschmerzen ohne erkennbare Ursache stellen oft einen Hilferuf der Seele dar, wenn zu viele Ängste, Stress, Sorgen oder Konflikte vorliegen. Der Mechanismus, die Zähne zusammenzubeißen, kann für den Organismus sinnvoll sein: Wie sich in einer wissenschaftlichen Untersuchung zeigte, sank durch das Kauen (beispielhaft auf einem Paraffinwürfel) der Cortisolspiegel im Blut. Problematisch ist, dass Menschen, die mit den Zähnen knirschen, selbst in Erholungsphasen, wie der Nachtruhe, angespannt sind.

Sensibles Gebiet Bei der Mundhöhle handelt es sich um einen empfindlichen Körperbereich. Der darin liegenden Zunge sowie den Lippen kommt eine hohe Bedeutung zu, die sich im Gehirn im sensorischen und motorischen Kortex widerspiegelt, wo sie (im Gegensatz zu anderen Organen) überproportional groß repräsentiert sind.

Selbst kleine Reizungen in diesem Bereich werden daher vom Bewusstsein intensiv wahrgenommen und können in Bezug auf das Wohlbefinden einen großen Raum einnehmen. Bedürfnisse wie Essen, Trinken oder Küssen sind bei Irritationen der Mundschleimhäute und bei Zahnschmerzen daher beeinträchtigt.

Durch die Mimik um den Mund herum werden zudem viele Emotionen ausgedrückt, wie etwa Trauer, Ekel, Ärger oder Freude. Bereits im Säuglingsalter hat der Mund eine besondere Funktion, denn Babys erkunden hiermit die Umwelt, indem sie Gegenstände in den Mund stecken und sie mit Lippe und Zunge ertasten. Stillen sie ihr Saugbedürfnis, wirken sie glücklich und zufrieden.

Zahnschmerzen können zu psychischen Erkrankungen wie Depressionen führen.

Schlechte Psyche, schlechte Zähne Nachgewiesen ist, dass sich die Zahngesundheit verschlechtert, wenn Menschen unter Stress stehen. Dies ist unter anderem darauf zurückzuführen, dass sie weniger Zeit in die Mundhygiene investieren. Langfristig kann sich dies wiederum negativ auf die Psyche auswirken. Auch Menschen mit Depressionen und Angststörungen vernachlässigen oft die Mundhygiene und haben daher schlechte Zähne oder sogar Zahnverluste.

Nehmen Betroffene Antidepressiva ein, kann die Mund- trockenheit, die gelegentlich als unerwünschte Begleiterscheinung auftritt, die Problematik noch verstärken. Ob seelische Faktoren die direkten Auslöser für Zahnschmerzen sein können, ist derzeit nicht erwiesen. Zwar beeinflussen Faktoren wie Depressionen, Angst, Stress oder Muskelverspannungen das Schmerzerleben, allerdings konnte keine direkte ursächliche Beziehung zwischen den psychischen Faktoren und Zahnschmerzen hergestellt werden.

Psychische Einflüsse gelten somit als verstärkende Faktoren und nicht als Ursache für Zahnschmerzen. Umgekehrt können Schmerzen zu psychischen Erkrankungen wie Depressionen oder Angststörungen führen – diese Tatsache ist wiederum gesichert. Insbesondere bei chronischen Zahnschmerzen mit unbekannter Ursache neigen Betroffene dazu, Ängste zu entwickeln. Findet man keinen Auslöser und bleibt die Behandlung erfolgslos, stellt dies eine hohe emotionale Belastung dar und kann zu seelischen Problemen wie Niedergeschlagenheit oder depressiven Verstimmungen führen.

Raten Sie Ihren Kunden bei unklaren Zahnschmerzen, zunächst die möglichen Ursachen durch einen Zahnarzt abklären zu lassen. Werden Erkrankungen an den Zähnen ausgeschlossen, ist eine Zusammenarbeit mit einem psychologischen Schmerztherapeuten sinnvoll.

Nächtliches Knirschen Gelegentlich verarbeiten Menschen ihren Druck, indem sie nachts ihre Probleme „durchkauen“ und mit den Zähnen knirschen. Man bezeichnet dies als Bruxismus. Meist bemerken die Betroffenen es selbst nicht und werden sich erst darüber bewusst, wenn es bereits zu Konsequenzen wie Kieferfehlstellungen, überempfindlichen Zahnhälsen oder Rissen im Zahnschmelz gekommen ist. Durch den Rückgang von Zahnfleisch und Kieferknochen kann auch der Zahnhalteapparat beeinträchtigt sein.

Ist das Knirschen extrem ausgeprägt, klagen Bruxismus-Patienten nach dem Aufwachen über Kiefer- und Kopfschmerzen, die gelegentlich sogar mit einer Migräne verwechselt werden. Zähneknirschen führt auch zu einer Zerstörung der Zähne in Form von abgebrochenen Ecken oder lockeren Füllungen. Meist sind Menschen, die mit den Zähnen knirschen, zugleich auch unausgeruht und müde, da der entspannte Schlaf und die Erholung gestört sind.

Um die Folgen des Zähneknirschens zu minimieren, können Betroffene eine Aufbissschiene tragen. Man differenziert zwischen einfachen Aufbissschienen und individuell angepassten Okklusionsschienen. Aufbissschienen bestehen aus Kunststoff und verhindern das Zähneknirschen durch das Auseinanderhalten von Ober- und Unterkiefer. Zur Ersttherapie eignen sich Miniplastschienen (dünne, tiefgezogene Kunststoffschienen ohne Einstellung der Lage des Kiefers), die zunächst über einen kurzen Zeitraum eingesetzt werden.

Der Unterschied zu den individuell angefertigten Modellen besteht darin, dass bei Letzteren der Unterkiefer zusätzlich in die gewünschte Position gebracht wird und sich die natürliche Bisslage im Idealfall wieder einstellt. Gleichzeitig werden auch die Kaumuskulatur entlastet und die Zähne vor dem weiteren Abrieb geschützt. Allerdings wird durch die Verwendung einer Bissschiene die Ursache für das Zähneknirschen nicht behandelt. Tragen Betroffene die Schiene nachts nicht mehr, treten die Symptome in der Regel wieder auf.

Daher empfiehlt es sich, den Stress durch Entspannungsverfahren wie die progressive Muskelrelaxation oder autogenes Training zu reduzieren. Liegen dem Stress tiefergehende psychische Ursachen zugrunde, kann auch eine Psychotherapie helfen. Bei akuten Beschwerden, die durch das Knirschen entstehen, verordnet der Arzt mitunter Schmerzmittel oder Medikamente zur Muskelentspannung.

Panik vorm Zahnarzt Einige Menschen leiden unter einer Zahnarztphobie, die oftmals durch traumatische Schmerzerlebnisse entstanden ist. Betroffene durchleben bei dem Gedanken an den Arztbesuch bereits ein Horrorszenario und bekommen Angstschweißausbrüche, wenn sie nur an den nächsten Kontrollbesuch denken.

Raten Sie solchen überängstlichen Kunden, einen Zahnarzt auszuwählen, der auf Zahnarztangst spezialisiert ist. Das gibt es nämlich tatsächlich. Im Vorfeld der Behandlung finden dann Gespräche statt, zudem erfährt der Angst-Patient während der Behandlung eine besondere Betreuung. Um die Zahnarztphobie in den Griff zu bekommen, hat sich auch eine kognitive Verhaltenstherapie als effektiv erwiesen.

Den Artikel finden Sie auch in DIE PTA IN DER APOTHEKE 06/2022 ab Seite 80.

Martina Görz, PTA, Fachjournalistin, M.Sc. Psychologie

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