Nahaufnahme einer Frau, wie sie ihre Finger inspiziert© Suriyawut Suriya/ iStock / Getty Images Plus
Die Deutsche Gesellschaft für Rheumatologie und Klinische Immunologie (DGRh) hat erstmals eine evidenzbasierte S3-Leitlinie zur Diagnostik und Therapie der Gicht veröffentlicht.

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EMPFEHLUNG: ERSTE S3-LEITLINIE FÜR GICHT VERÖFFENTLICHT

Gicht ist die häufigste entzündliche Gelenkerkrankung in Deutschland. Doch einheitliche Empfehlung zu Diagnostik, Behandlung und Lebensstilführung fehlten bislang. Eine neue Leitlinie zu Gicht vereint fach- und allgemeinärztliche Auffassungen.

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Auf einer digitalen Vorab-Pressekonferenz beschrieb eine Leitlinien-Koordinatorin, Dr. Uta Kiltz (Oberärztin am Rheumazentrum Ruhrgebiet Herne) eine durchaus lebhafte, teils kontrovers geführte Konsensfindung.
Damit meinte sie die unterschiedlichen Ansichten und Herangehensweisen, die sich in Allgemeinarztpraxen und Facharztpraxen finden.

Was ist Gicht?

Bei Gicht handelt es sich um eine Stoffwechselerkrankung. Die Menge der normalerweise gelöst vorliegenden Harnsäure im Körper nimmt so stark zu, dass die Harnsäure auskristallisiert. Gelenke entzünden sich und schwellen innerhalb von Stunden stark an, sind gerötet und schmerzen (Gichtarthritis). Dann spricht man von einem akuten Gichtanfall.
Die Therapieziele bei Gicht liegen darin, Gichtanfälle schnell zu beenden, den Harnsäure-Serumspiegel zu kontrollieren und erneuten Gichtanfällen vorzubeugen. Wird die Gicht nicht (ausreichend) behandelt, können sich im Körper Depots kristalliner Harnsäure bilden (Gichtknoten), die betroffene Gelenke dauerhaft beeinträchtigen.

Während Hausärzte und -ärztinnen häufig mit dem akuten Gichtanfall konfrontiert werden und dementsprechend vorrangig Schmerzen und Funktionalität der Gelenke bei ihrer Empfehlung im Blick haben, stehen Fachärzte und -ärztinnen häufig vor schweren Fällen. Meistens hat die betroffene Person schon einige Gichtanfälle hinter sich, bereits weitere Einschränkungen sowie Begleiterkrankungen. Daher sprachen sich die Fachärzt*innen bezüglich der Therapieziele für eine stärkere Senkung des Serumharnspiegels (unter 6 mg/dl) aus, während Allgemeinärzt*innen die Kontrolle des Serumspiegels als zweitrangig einstuften. In allen anderen Punkten wurde man sich schnell einig.

Behandlung eines akuten Gichtanfalls gemäß Leitlinie

Laut neuer S3-Leitlinie sollen folgende entzündungshemmende Medikamente im akuten Gichtanfall zum Einsatz kommen (je nach Indikation, Begleiterkrankungen und Co-Medikation):

  • Colchicin,
  • Glucocorticoide,
  • nicht steroidale Antirheumatika (NSAR), wie zum Beispiel Diclofenac.

Wechselwirkungscheck! Vorsicht bei harnsäureerhöhenden Schleifen- und Thiazid-Diuretika.

Die Aufklärung des Patienten/der Patientin ist eine ausdrückliche Empfehlung. Das bedeutet, er/sie soll alle Optionen zur Behandlung kennen, auch zur medikamentösen Senkung der Harnsäure zur Vermeidung weiterer Gichtanfälle. Mittel der Wahl ist hier ein Xanthinoxidase-Inhibitor erfolgen wie Allopurinol. Liegen noch Begleiterkrankungen wie Diabetes mellitus oder Niereninsuffizienz vor, sind SGLT-2-Inhinitoren wie Dapagliflozin oder Empagliflozin Empfehlung der Autoren. In vorangegangenen Studien konnte man feststellen, dass sich diese Wirkstoffgruppe nicht nur auf den Glucosespiegel, sondern auch auf den Serumharnsäurespiegel positiv auswirkt und Gichtanfälle seltener auftreten.

Ernährungs-Empfehlung bei Gicht

Bislang war eine purinarme Diät der Empfehlungs-Standard bei Gicht. Sogenannte Purintabellen oder Purinrechner sollten dabei unterstützen, nicht nur eine vollwertig ausgewogene, sondern auch eine purinarme Ernährungsform zu etablieren. Purine werden im Körper mit Hilfe der Xanthinoxidase zu Harnsäure verstoffwechselt und ausgeschieden. Daher ist der Verzicht auf purinreiche Lebensmittel wie Fleisch, Meeresfrüchte oder Wurst im Alltag eigentlich nur die logische Konsequenz. Doch hier überrascht die Leitlinie: „Eine Empfehlung für eine spezifische Diät, etwa eine purinarme Kost, lässt sich in der Evidenz nicht abbilden“, sagt Kilitz.

Die Autoren empfehlen stattdessen eine pflanzenbasierte Ernährung und wenig Alkohol, um Gichtanfälle langfristig zu vermeiden. Da starkes Übergewicht und die Häufigkeit von Gichtanfällen zusammenhängen, sind Adipositas zu behandeln und Übergewicht abzubauen weitere Empfehlungen.

Quellen:
www.pharmazeutische-zeitung.de/evidenzbasierte-empfehlungen-zur-gicht-veroeffentlicht-149995/
www.aerzteblatt.de/archiv/235009/Komorbiditaet-von-Diabetes-und-Gicht-Geringere-Sterblichkeit-und-weniger-Gichtanfaelle-bei-SGLT2-Inhibitortherapie

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