Nicht nur Mütter bevorzugen die linke Seite, um ihr Baby zu halten. Neue Studien belegen, dass dies auch bei Walrössern und Flughunden so ist. © Alena Ozerova / 123rf.com

Mutter und Kind

MÜTTER HALTEN IHR KIND MEISTENS AUF DER LINKEN SEITE

Gibt es tatsächlich eine Seite, auf der Mütter ihr Kind am liebsten halten? Die Antwort lautet ja, denn viele Mütter bevorzugen die linke Seite, ähnlich wie es auch bei Gorillas und Schimpansen der Fall ist. Und auch bei Meeressäugern und sogar Flughunden hat sich diese präferierte Mutter-Kind-Paare-Haltung nun gezeigt. Ist das Zufall oder steckt ein Sinn dahinter?

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Für Forscher hängt diese Vorliebe mit der Arbeitsteilung des Säugetiergehirns zusammen. Denn genau in dieser Position, also wenn der Kopf des Kindes links liegt, kann die rechte Gehirnhälfte diffizile soziale Signale sehr gut verarbeiten. Wenn man sich unser Gehirn anschaut, denkt man zunächst, dass es symmetrisch ist. Es gibt durchaus Ähnlichkeiten der beiden Gehirnhälften, was das Äußere angeht. In Sachen Funktion gibt es allerdings enorme Unterschiede, hier wird sozusagen die Arbeit aufgeteilt. In der linken Gehirnhälfte sitzt bei einer Vielzahl der Menschen das Sprachzentrum. Des Weiteren ist diese Hälfte verantwortlich für das logische Denken, abstraktes Wissen und die Fähigkeit, Zusammenhänge zu erkennen. Alles, was mit Kreativität und Intuition zu tun hat, wird von der rechten Gehirnhälfte koordiniert. Zudem befindet sich hier der Bereich, der für die visuelle Verarbeitung zuständig ist. Die rechte Hälfte gilt weiterhin auch als das Zentrum für Gesichtserkennung und das räumliche Sehen. Doch die beiden Hälften arbeiten auch zusammen, denn jede Gehirnhälfte übernimmt die Steuerung von Bewegungen und Wahrnehmung der jeweils anderen Seite. Heißt: Eindrücke, die von unserer linken Seite wahrgenommen werden, werden von der rechten Hälfte ausgewertet.

Diese Arbeitsteilung lässt sich nicht nur wissenschaftlich erklären, sondern man kann sie auch sehr gut in unserem Alltag feststellen. Beim Spaziergang mit dem Partner bevorzugt man ja auch immer eine Seite, auf der man laufen möchte. Diese Situation ist bei weitem nicht die einzige, die sich so analysieren lässt. Dass es auch eine Bevorzugung gibt, wenn man sich Mutter und Kind anschaut, ist nun auch der Wissenschaft aufgefallen. Eine Vielzahl der Mütter hält ihr Kind so im Arm, dass der Kopf links liegt. Bei Gorillas und Schimpansen lassen sich ähnliche Vorlieben erkennen. Andrey Giljov, von der Universität Sankt Petersburg und seine Kollegen erklären dies folgendermaßen: Dadurch, dass das Kind auf der linken Seite liegt, werden von der rechten Gehirnhälfte die Sehreize sowohl von der Mutter, als auch vom Kind verarbeitet. Dies sorgt für einen optimalen Ablauf der Sinnesinformationen zwischen Mutter und Kind. Beide sind dadurch in der Lage, subtile soziale Signale schneller und vor allem besser zu verarbeiten und sie zu erkennen.

Bislang in der Forschung ungeklärt war allerdings, ob neben Menschen und Menschenaffen auch andere Säugetiere diese Vorliebe für das linksseitige Halten und somit eine Verbesserung des sozialen Kontaktes aufzeigen. Um hier valide Daten zu bekommen, haben die Wissenschaftler um Giljov das Verhalten von Mutter-Kind-Paaren des Pazifischen Walrosses und des Indischen Riesenflughundes untersucht. Und tatsächlich: Die Ergebnisse zeigen, dass sowohl bei den Walrössern als auch bei den Flughunden der Kopf des Kindes nach links zeigt. Des Weiteren haben die Forscher festgestellt, dass auch die Kinder sich selbst aktiv eine Position ausgesucht haben. Nämlich so, dass sie ihre Mutter im linken Gesichtsfeld sehen können.

Laut den Forschern zeigen diese Ergebnisse deutlich, dass auch marine, nicht zu den Primaten gehörende Säugetiere diese Vorliebe für die linke Seite aufweisen. Somit ist es nicht länger ein Alleinstellungsmerkmal der Primatenevolution und ist in den verschiedensten Gruppen der Säugetiere nachweisbar. Die Wissenschaftler sehen in der bestimmenden Rolle der rechten Gehirnhälfte, die für die Verarbeitung sozialer Reize zuständig ist, den Grund für diese Bevorzugung. Giljov und seine Kollegen erklären weiter, dass die rechte Hälfte bei einigen sozialen Aufgaben eine wichtige Rolle spielt. Dazu zählen die Gesichts- und Emotionserkennung, die räumliche Koordination und das soziale Lernen. Wenn sich Mutter und Kind im linken Gesichtsfeld im Blick behalten, werden diese genannten Funktionen optimiert und gefördert.

Nadine Hofmann,
Leitung Online-Redaktion

Quelle: www.wissenschaft.de

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