Nachdenklicher Mann schaut in die Ferne© bowie15 / iStock / Getty Images Plus

Kolumne | Prof. Dr. Aglaja Stirn

HILFT PSYCHOTHERAPIE?

Psychotherapie hilft den meisten. Bei knapp einem Drittel der Patienten ist sie allerdings nicht hilfreich oder bringt zumindest nicht den gewünschten Erfolg.

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Was heißt eigentlich helfen? Ist zu erwarten, dass die Beschwerden oder der Leidensdruck weniger werden oder die Umwelt besser mit dem Therapierten umgehen kann? Ist eine Paar- therapie erfolgreich, wenn die Eheleute lernen mit der Trennung umzugehen oder nur dann, wenn das Paar zusammenbleibt? Der Erfolg einer Psychotherapie ist nicht einfach zu definieren. Wenn Beschwerden anschließend nicht mehr vorhanden sind und auch nicht in andere Symptome übergehen, dann kann man von einer Verbesserung sprechen.

Es gibt verschiedene Formen von Psychotherapie. Bekannt sind vor allem die Verhaltenstherapie, die Psychoanalyse, die tiefenpsychologisch fundierte Therapie und die systemische Therapie. Alle haben eine andere methodische Vorgehensweise. Manchmal hilft die Therapie nicht, weil die Methoden für Patient oder Erkrankung nicht die passende ist. Vor allem spielt auch die Motivation des Patienten sich zu verändern eine große Rolle für das Ergebnis der Therapie.

Veränderungen können Angst bereiten und provozieren deshalb oft Widerstände. Auch wenn Patient und Therapeut nicht zusammenpassen, kann es zu Problemen kommen. Die Psychotherapieforschung hat sich mit all diesen Dingen beschäftigt und auch erkannt, was die Wirkfaktoren einer Psychotherapie sind. Man konnte sehen, dass Zuversicht, Vertrauen und Offenheit wichtig sind. Auch ließ sich aufzeigen, dass Therapeuten, die von Patienten als ehrlich, respektvoll, interessiert, freundlich und erfahren wahrgenommen werden, besser in der Lage waren eine gute therapeutische Beziehung herzustellen.

Dem Patienten ist es wichtig, wie der Therapeut auf sie reagiert. Ungünstig wurde eingeschätzt, wenn der Therapeut sehr dominant ist, negative Gefühle gegenüber dem Patienten äußert oder gar feindselig ist. Forschungsergebnisse zeigten, dass die Erfahrung des Therapeuten keinen großen Einfluss auf das Behandlungsergebnis hat. Unvorteilhaft ist aber, wenn Patienten das Gefühl haben, dass sie ihre negativen Emotionen nicht offenbaren dürfen oder wenn Therapeuten zu schnell deuten und eine bestimmte Sichtweise äußern, mit der sie falsch liegen.

Kommt es in einer Psychotherapie eher zu Verschlechterung, sollten Patient und Therapeut über die Gründe reflektieren. Auch wenn eine Therapie zu lange dauert und kein richtiges Ergebnis aufweist, ist es wenig sinnvoll einfach nur weiterzumachen. Bevor man sich in eine Therapie begibt, sollte man sich darüber im Klaren sein, dass es um Reflexion und Veränderung der eigenen Person geht. Die Idee, dass sich nach einer Therapie die Umwelt verändert, ist unrealistisch. Es geht darum, selbstverantwortlich das eigene Leben zu reflektieren und sich selbst zu verändern beziehungsweise mit Dingen anders umgehen zu lernen. Auch ist nicht jede Therapieform passend.

Eine Verhaltenstherapie schaut vor allem nach dem Verhalten, nach den Gedanken und Handlungen, die man modifizieren kann. Die klassische Psychoanalyse, die vor allem im Liegen stattfindet, bearbeitet die frühe und späte Biografie und möchte grundsätzlich strukturelle Änderungen vornehmen. Die tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie reflektiert auch die Ursachen und Konflikte, findet jedoch im Sitzen statt. Die systemische Therapie reflektiert vor allem die vielfältigen Beziehungsmuster im System, wie beispielsweise das Familiensystem. Grundsätzlich kann man davon ausgehen, dass Psychotherapie bei entsprechender Erkrankung oder Leidensdruck ein sinnvolles Verfahren ist.

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 10/2021 auf Seite 14.

Professor Dr. Aglaja Stirn
ist Direktorin des Instituts für Sexualmedizin und Forensische Psychiatrie und Psychotherapie, Fachärztin für Psychosomatische Medizin, Gruppentherapie, Psychoanalyse und Sexualtherapie an der Universität Kiel, Zentrum für Integrative Psychiatrie ZIP.
www.zip-kiel.de

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