Gerichte aus der Kindheit
SUPPENFLEISCH MIT SÜSSEM SENF
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Es gehört wohl zu den schönsten Kindheitserinnerungen, wenn man abgekämpft aus der Schule heimkehrte, die Tasche samt Turnbeutel auf den Boden knallte und sich an den Esstisch setzte, der schon gedeckt war. Es roch gut und es war vertraut. Nadine Hofmann hatte diesen Ort. Und sie hatte eine Großmutter, die sie manchmal bekochte mit einem Gericht, das so typisch ist für Familienrezepte. Klingt erstmal einfach: Spinat, Kartoffeln, gekochtes Fleisch. Aaaaber der Senf! Muss der absolute Knaller gewesen sein.
„Den fand ich immer besonders gut“, schreibt sie, „denn den habe ich auch gern pur gegessen ohne Fleisch. Den hat meine Oma selbst gemacht – ich glaube normalen Senf ein bisschen gepusht.“ In welch paradiesischen Zeiten wir gelebt haben, das merken wir jetzt, da manche Dinge knapp und teuer werden: Weizen und Öl beispielsweise.
Sind wir doch vorher, ohne darüber nachzudenken, in den Supermarkt gegangen, hatten die Auswahl zwischen allen möglichen Senfsorten, und das noch von verschiedenen Herstellern. Als ich Kind war, gab es süßen Senf nur im Urlaub in Bayern; im Rest der Republik war das eine exotische Zutat und vielleicht beim Metzger erhältlich.
So sind die Omas dieser Welt aufgewachsen: Aus den einfachsten Dingen wurden Menüs gezaubert, Familiengerichte bestanden aus simplen Zutaten, die jeder kennt: Kartoffeln, Spinat und Ei. Erbsensuppe, in der ein Stück Speck schwamm, Eintöpfe. Gab es Bockwürstchen mit Kartoffelsalat, war das schon ein Highlight. Wie überhaupt Fleisch nicht unbedingt mehrmals die Woche üblich war.
Großmütter früherer Zeiten, vor allem die Nachkriegsgeneration, waren generell Genies der Resteverwertung. Zum Suppenfleisch kann unsere Kollegin daher keine genauen Angaben machen, es wurde wahrscheinlich genommen, was übrig war, oder – wenn gekauft – nicht unbedingt hochwertiges Fleisch, sondern solches, das zarter wurde, wenn man es lange kochte. Wir haben uns beim Nachbereiten für Tafelspitz entschieden, jenes Schwanzstück vom Rind, das gern mit Meerrettichsoße serviert wird (übrigens eins meiner Kindheitsgerichte).
Legen Sie den Tafelspitz in kaltes Wasser, das ist wichtig, denn das langsame Hochheizen unterstützt das Mürbewerden des Fleisches. Bringen Sie das Wasser zum Kochen und lassen es dann ungefähr eine Stunde simmern in einem großen Topf, in dem außerdem klein geschnittenes Suppengrün, Lorbeer, Nelken und Piment sowie Salz und Pfeffer schwimmen sollten.
In der Zwischenzeit bereiten Sie die Senfsauce zu: Mischen Sie ganz normalen, mittelscharfen Senf mit einem Esslöffel Meerrettich, anderthalb Esslöffeln Ahornsirup oder Zucker und einem Esslöffel Butter. Dann mixen Sie 100 Milliliter kräftige, erkaltete Brühe in die Senfemulsion. Schmecken im Nachhinein noch einmal mit Salz und Pfeffer ab. Beiseite stellen.
Nun geht’s an den Spinat. Haben Sie frischen ergattert, muss der zunächst blanchiert werden. Dazu zupfen Sie den grünen Blattanteil vom Stängel, geben dies in kochendes Wasser. Nehmen das Grünzeug nach zwei Minuten raus, geben es in ein Sieb und drücken das ganze nach dem Erkalten kräftig aus – wichtig, denn sonst ist zu viel Wasser in der Soße.
Schmoren Sie ein gewürfeltes Zwiebelchen in Butter in der Pfanne an, auf niedriger Temperatur, bis es durch ist. Dann geben Sie den Spinat hinein. Ist es TK-Ware, geben Sie noch etwas Wasser zur Zwiebel und lassen die tiefgefrorenen Würfel des Blattgemüses hineingleiten. Köcheln lassen, bis alles gar ist, dann einen Schuss Sahne und etwas Muskatnuss hineingeben. Mit Salz und Pfeffer ab schmecken. Nebenbei lassen Sie die Salzkartoffeln gar kochen.
Ja, und dann geht’s ans Schlemmen. Der Tafelspitz, der Senf, der Spinat, die Kartoffeln – alles kommt in Schüsseln auf den Tisch und jeder kann sich bedienen. Mhm! Ich konnte gut verstehen, dass die Kollegin den süßen Senf so gern mochte! Lassen Sie es sich schmecken!
Den Artikel finden Sie auch in DIE PTA IN DER APOTHEKE 06/2022 ab Seite 120.
Alexandra Regner, PTA und Medizinjournalistin in Zusammenarbeit mit Michael Regner, Koch
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