Drei Pflanzen
DREI BITTERE
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Bitterstoffe wirken vorwiegend reflektorisch über eine Erregung der Bitterrezeptoren der Geschmacks- knospen am Zungengrund, was eine Erhöhung der Speichelproduktion und Magensaftsekretion zur Folge hat. Zudem wirken sie direkt auf die Magenschleimhaut und führen zur Gastrinfreisetzung, wodurch eine Anregung der Gallen- und Bauchspeicheldrüsentätigkeit sowie eine Aktivierung der Magen-Darm-Muskulatur zu verzeichnen ist. Einsatzgebiete der Bitterstoffdrogen sind daher Appetitlosigkeit und dyspeptische Beschwerden, also Verdauungsbeschwerden mit Völlegefühl, Blähungen und leichten Krämpfen im Magen-Darm-Bereich. Bei den Bitterstoffdrogen sind flüssige Darreichungsformen den festen vorzuziehen, damit die Bitterstoffe die Geschmacksknospen am Zungengrund erreichen und aktivieren können.
Silbergrauer Wermut Artemisia absinthium L. ist ein ausdauernder bis zu 1,20 Meter hoch wachsender Halbstrauch aus der Familie der Korbblütler (Asteraceae), der bevorzugt auf mäßig trockenem kalkhaltigem Boden an Wegrändern, auf Abhängen und Ödland in Europa, Nordasien und Nordafrika zu finden ist. Durch die beidseitige Behaarung der Blätter und die Haare am Stängel erhält die ganze Pflanze einen silbrigen Grauschimmer. Die ganzrandigen Fieder- und Einzelblätter haben eine lanzettförmige Gestalt.
Am Stängelgrund sind die Blätter lang gestielt und dreifach gefiedert, im oberen Teil der Pflanze werden die Blattstiele kürzer, die obersten Blätter sitzen schließlich ungestielt am Stängel. Die mittleren Blätter sind doppelt, die oberen nur noch einfach fiederspaltig. Die Stängel und deren Verzweigungen enden in Blütenrispen. Sie bestehen aus gelben, gestielten, länglich kugelförmigen Blütenkörbchen mit gelben Röhrenblüten, die zwischen Juli und September erscheinen. Aus ihnen entwickeln sich eiförmige bis zylindrische, etwa einen halben Millimeter lange Achänen.
Für arzneiliche Zwecke werden die oberirdischen Teile des Korbblütlers, also das Wermutkraut, verwendet. Man schätzt vor allem die im Kraut vorkommenden Sesquiterpenlacton-Bitterstoffe, insbesondere das Absinthin als Hauptkomponente, sowie das ätherische Öl, das sich unter anderem aus Thujon, trans-Sabinylacetat und Chrysanthenylacetat zusammensetzt und der Pflanze den charakteristischen stark aromatischen Duft verleiht. Absinthin besitzt einen Bitterwert von 12,7 Millionen, das heißt, dass die Substanz noch in einer Verdünnung von 1:12,7 Millionen deutlich bitter schmeckt. Dieser Bitterwert wird nur noch vom Amarogentin des Enzians mit 1:58 Millionen übertroffen.
Flüssige Bitterstoffzubereitungen aktivieren die Geschmacksknospen am Zungengrund.
Gelber Enzian Von den etwa vierhundert Arten der Enziangewächse ist der gelb-blühende Gelbe Enzian wegen seiner Wurzel medizinisch interessant. Der Gelbe Enzian (Gentiana lutea L.) ist eine mittel- und südeuropäische Gebirgspflanze, die bevorzugt auf steinigen Gebirgsböden, Schutthalden und ungedüngten Weiden wächst. Zeitweilig waren ihre Bestände durch intensives Sammeln stark dezimiert. Inzwischen ist das Enziangewächs (Gentianaceae) in Deutschland unter Naturschutz gestellt und seine Wurzeln dürfen nur noch durch feldmäßigen Anbau gewonnen werden.
Die Pflanze ist mit einer wenig verzweigten, armdicken Wurzel im Boden verankert, die bis zu einem Meter lang und bis zu sieben Kilogramm schwer werden kann. Im Frühjahr treibt aus einer grundständigen Blattrosette ein fast anderthalb Meter hoher, fingerdicker hohler Stängel aus. Dieser trägt im unteren Bereich große elliptische, gegenständig angeordnete blaugrüne Blätter, die mit starken Bogennerven durchzogen sind. Nach oben hin bildet die stattliche Pflanze schalenförmige Tragblätter, in denen drei- bis zehn gelbblütige Trugdolden bildende Blüten sitzen, die in Scheinquirlen angeordnet sind. Die Pflanze kann bis zu sechzig Jahre alt werden, also ein ausgesprochen hohes Alter erreichen. Bis zur ersten Blüte dauert es allerdings etwa zehn Jahre.
Arzneilich kommen die unterirdischen Organe des Enzians zur Anwendung, also der Wurzelstock (Rhizom) und die Wurzeln. Die Enzianwurzel ist eine reine Bitterstoffdroge (Amara pura), was auch in den volkstümlichen Namen Bitterwurzel oder Bitterwurz zum Ausdruck kommt. Für die Wirkung sind glykosidische Bitterstoffe der Secoiridoidreihe verantwortlich, neben Gentiopikrosid (früher als Gentiopikrin bezeichnet), Swerosid und Swertiamarin vor allem das Acylglykosid Amarogentin. Es ist zwar nur in geringer Konzentration in der Wurzel vorhanden, hat aber einen sehr hohen Bitterwert (58 Millionen) und macht die Enzianwurzel damit zur bittersten heimischen Arzneidroge. Da der Gehalt an Gerbstoffen nur gering ist, muss man nicht mit unerwünschten Reizwirkungen im Magen rechnen.
Rosarotes Tausendgüldenkraut Auch Centaurium erythraea stammt aus der Familie der Gentianaceae. Das wärmeliebende Kraut wächst sowohl auf kalkreichen als auch auf kalkarmen Böden. Man begegnet ihm auf Sand und in moorigem Gelände, auf Trocken- oder Halbtrockenrasen, auf Kahlschlägen, an Feldrändern und in lichtem Gebüsch bis in Höhen von 1500 Metern. Hat sich das Tausendgüldenkraut erst einmal angesiedelt, bleibt es standorttreu. Die anpassungsfähige Pflanze kommt nahezu in ganz Europa vor. Das Enziangewächs darf bei uns aber nicht gesammelt werden, da es wie der Gelbe Enzian unter Naturschutz steht.
Oftmals wächst es so versteckt, dass man es kaum sieht, zumal sich die zarten rosafarbenen Blüten nur bei Sonnenschein vollständig öffnen. Die fünfzipfeligen röhrigen Blüten sitzen zahlreich im oberen Teil der Pflanze als achselständige Trugdolden an langen Stielen. Ihre Blütezeit erstreckt sich von Juni bis September. Das Tausendgüldenkraut wird bis zu 50 Zentimeter hoch. Aus einer grundständigen Rosette wachsen vierkantige, robuste Stängel, die oberwärts ästig verzweigt sind und an denen sich kreuzgegenständig mattgrüne Blätter befinden.
Die Stängelblätter sind länglich eiförmig bis zugespitzt und werden von fünf Nerven durchzogen. Bereits in der Antike wurde das Tausendgüldenkraut als Heilpflanze bei Magenleiden und Verdauungsproblemen gelobt und hatte ein hohes Ansehen als Magenmittel. Dies kommt auch im deutschen Namen zum Ausdruck, denn Tausend Gulden war den Menschen die Pflanze wert. Eigentlich bedeutet der lateinische Gattungsname Centaurium übersetzt lat. centum = hundert.
Dieser wurde aber im Volksmund zum geläufigeren und noch besser die Wertschätzung ausdrückenden „Tausend“-Güldenkraut abgewandelt. Auch das im botanischen Namen enthaltende aurium unterstreicht die große Bedeutung der Heilpflanze (lat. aurum = Gold). Der Artname erythrea ist auf lat. erythraeus = rötlich zurückzuführen und greift die rosarote Farbe der Blüten auf. Ihr Synonym Bitterkraut macht auf die bittere Wirkung der Pflanze aufmerksam. Im Volksmund wird auch vom Magenkraut gesprochen.
Seine Secoiridoid-Bitterstoffe wie Gentiopikrosid, Swerosid und Swertiamarin finden sich vor allem in den Blüten und im Stängel. Daher besteht die Droge Centaurii herba lediglich aus den zur Blütezeit geernteten oberirdischen Teilen der Pflanze, wobei auf das Sammeln der grundständigen Blattrosette verzichtet wird. Ferner finden sich in der Pflanze Flavonoide und Xanthonderivate. Die Wirkung der Droge gleicht der des Enzians. Die Bitterwerte sind allerdings niedriger. Zusätzlich sind antiinflammatorische und antioxidative Effekte aufgrund der Xanthonderivate vorhanden, was den traditionellen Einsatz der Droge bei Erkrankungen des Harntraktes erklärt.
Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 09/2021 ab Seite 98.
Gode Chlond, Apothekerin