Regenbogenfahne© Cunaplus_M.Faba / iStock / Getty Images

Psychologie in der Apotheke

DIE WELT IN REGENBOGENFARBEN

Einige Menschen haben Vorurteile gegenüber Homosexuellen und lehnen andere sexuelle Orientierungen als die Heterosexualität ab. Die Regenbogenflagge wird als Zeichen der Solidarität mit der LGBTQIA+-Szene eingesetzt.

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Der ehemalige regierende Bürgermeister von Berlin, Klaus Wowereit, kommentierte seine Homosexualität mit den Worten: „Ich bin schwul und das ist gut so.“ Doch nicht jeder scheint diese Orientierung gut zu finden, glücklicherweise ist es lediglich eine Minderheit in Deutschland, die Homosexualität als unmoralisch oder unnatürlich einordnet. Trotz aller Offenheit beschreiben 38,4 Prozent der Deutschen es aber als unangenehm, wenn sich ein Männerpaar in der Öffentlichkeit küsst. Dies ergab eine Befragung der Antidiskriminierungsstelle des Bundes aus dem Jahr 2017. Forscherin Beate Küpper erklärt es damit, dass die lange Zeit der Abwertung Homosexueller noch tief in den Köpfen einiger Menschen verankert ist.

Homonegativität kommt weltweit immer noch vor: Kürzlich war Ungarn wegen homophober Gesetze in die Kritik geraten. Darin verbietet die Regierung homosexuellen Paaren, Kinder zu adoptieren. In der ungarischen Verfassung ist auch die Idealfamilie beschrieben, bestehend aus dem Vater (ein Mann) und der Mutter (einer Frau). Transgeschlechtliche Menschen dürfen das Geschlecht selbst nach einem Geschlechtswechsel des Körpers nicht in den Ausweisen eintragen lassen. Werbung oder Aufklärungskampagnen, die anders zusammengesetzte Familien darstellen, sind künftig in Ungarn verboten.

Zeichen setzen Der Kapitän der deutschen Nationalelf Manuel Neuer spielte bei der Europameisterschaft als Zeichen für Toleranz gegenüber diversen sexuellen Orientierungen mit der symbolträchtigen Regenbogenarmbinde. Die Münchner Arena durfte bei der Begegnung der deutschen Nationalmannschaft mit Ungarn nicht in Regenbogen-Farben erleuchten, die UEFA begründete es damit, dass sie gemäß ihrer Satzung eine politisch und religiös neutrale Organisation darstellt. Mit der Illumination sollte eigentlich ein Zeichen für Toleranz, Gleichstellung und gegenseitigen Respekt gesetzt werden.

Welche sexuellen Orientierungen und Identitäten gibt es überhaupt? Richtet sich die sexuelle Anziehung auf das jeweils andere Geschlecht, spricht man von Heterosexualität. Bei einer Homosexualität begehren Menschen Angehörige des eigenen Geschlechts, während bisexuelle Personen sowohl Angehörige des eigenen als auch des anderen Geschlechts auswählen. Allerdings sind die Übergänge fließend und nicht scharf voneinander abzugrenzen: Manchmal haben überwiegend heterosexuell lebende Menschen vereinzelt homosexuelle Beziehungen oder umgekehrt.

Unter den Begriff „Queer“ fallen alle Menschen, die nicht der heterosexuellen Geschlechternorm entsprechen. „Queer“ kommt aus dem Englischen und bedeutet übersetzt „seltsam“ oder „komisch“. Einst zählte die Bezeichnung zu den Schimpfwörtern, jedoch besetzten Schwule, Lesben und Bisexuelle die Bedeutung seit den 1990er Jahren positiv, indem sie sich selbst als „queer“ bezeichneten. „Queer“ sind auch sexuelle Identitäten wie die Trans- oder Intersexualität. Transsexuelle fühlen sich häufig so, als wären sie im falschen Körper geboren.

Sie wünschen sich als Angehörige des anderen Geschlechts zu leben und können sich mit ihrem biologischen Geschlecht nicht identifizieren – daher unterziehen sie sich mitunter einer geschlechtsangleichenden Operation. Die Transsexualität ist nicht mit der sexuellen Orientierung oder dem Sexualverhalten einer Person gleichzusetzen. Intersexuelle Personen lassen sich nicht eindeutig zu dem weiblichen oder männlichen Geschlecht zuordnen. Ein intersexueller Mensch kann beispielsweise das Erscheinungsbild einer Frau haben, wobei ihm Geschlechtsorgane (etwa die Gebärmutter oder die Eierstöcke) fehlen.

Und was genau ist Homophobie? Homophobie wird definiert als Feindseligkeit gegenüber Menschen, die homosexuell sind oder eine andere sexuelle Orientierung als die Heterosexualität aufweisen. Allerdings könnte an dem Begriff Homophobie Kritik geübt werden, schließlich steht Phobie für eine Angststörung, die man nicht kontrollieren kann. Tatsächlich existieren jedoch bei „homophoben“ Personen oft Gefühle wie Ablehnung, Unsicherheit, Feindseligkeit, Hass oder sogar Ekel gegenüber Homosexuellen. Eine weitere Bezeichnung ist daher „Homonegativität“.

Im englischsprachigen Raum ist der Begriff „homo negativity“ verbreitet. Man differenziert zwischen drei Arten der Homonegativität und zwar der kognitiven, der affektiven und der verhaltensbezogenen Variante. Bei der kognitiven Form lehnen Personen die Rechte homosexueller Menschen ab, bei der affektiven Ausprägung empfinden sie negative Emotionen, wenn sie beispielsweise ein gleichgeschlechtliches Paar sehen, während sie bei der verhaltensbezogenen Homonegativität Berührungspunkte mit homosexuellen Paaren meiden.

Ursachen für Homonegativität Laut Einschätzung von Dr. rer. Nat. Ulrich Klocke von der Humboldt-Universität zu Berlin gibt es drei wichtige Einflussfaktoren, die zu einer Homonegativität führen: Dazu gehören Unkenntnis, rigide Geschlechternormen sowie eine fundamentalistische Religiösität. Je stärker die klassischen Geschlechterrollen in den Köpfen der Menschen verankert sind, umso stärker lehnen sie Homo- oder Transsexualität ab. Außerdem dient die Abwertung anderer Gruppen oft als Aufwertung der eigenen Gruppe und somit dem Streben nach einem positiven Selbstwert. Häufig sind die Vorurteile gegenüber den Personengruppen auch erlernt, etwa durch Peers, Eltern oder Medien. Homonegative Äußerungen können auch das Ziel haben, sich von den „nicht-männlichen Schwulen“ demonstrativ abzugrenzen, um selbst die eigene Männlichkeit zu erkämpfen.

Wie lässt sich Homonegativität reduzieren? Um die Ablehnung von homosexuellen Menschen oder von Personen mit einer anderen sexuellen Orientierung abzubauen, ist es erforderlich, Wissen zu vermitteln, sodass Unsicherheiten und Ängste abnehmen. Der persönliche Kontakt mit Bisexuellen, Lesben, Schwulen oder Transsexuellen führt ebenfalls zu mehr Akzeptanz und zu positiveren Einstellungen. Idealerweise lässt sich Homo- oder Transphobie bereits früh reduzieren, indem geschlechtliche Vielfalt selbstverständlich in Texten, Filmen oder auf Fotos im Schulunterricht berücksichtigt wird oder Unterrichtsmaterial gewählt wird, welches Menschen verschiedener sexueller Orientierungen, Altersgruppen, Herkunft, Religion, Geschlechter oder Begabung abbildet.

Hier wird der aus der Psychologie bekannte Mere-Exposure-Effekt, der Effekt der Darbietungshäufigkeit, genutzt. Je häufiger man mit dem „Reiz“ konfrontiert wird, umso positiver wird er schließlich bewertet. Lehrkräfte sollten zudem Lustigmachen oder Beschimpfungen wie „schwule Sau“, „Schwuchtel“, „Jude“ oder „Spasti“ nicht ignorieren, sondern kritisch ansprechen. Stattdessen kann die Empathie von Jugendlichen angeregt werden, beispielsweise durch Rollenspiele, bei denen die Perspektive von Schwulen, Lesben, Bisexuellen oder Transsexuellen übernommen wird.

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 08/2021 ab Seite 92.

Martina Görz, PTA, M.Sc. Psychologie, Fachjournalistin

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