Schild Toilette© undefined undefined / iStock / Getty Images

Inkontinenz

DIE SACHE MIT DER BLASE

Inkontinenz gehört nach wie vor zu den Themen, von denen man nicht einmal in der Apotheke gern spricht. Dabei ist die Miktionsstörung alles andere als selten: 30 bis 50 Prozent der Menschen verlieren gelegentlich Urin.

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Ein Huster, ein Nieser – und schon schießt ein Schwall Urin aus der Blase. Peinlich, aber häufig. Und mit zunehmendem Lebensalter gibt es diese Vorfälle immer öfter, besonders bei Frauen. Die haben nämlich aus anatomischen Gründen einen größeren Beckenboden, dessen Muskeln mit der Zeit erschlaffen. Auch die Schließmechanismen der Blase funktionieren oft nicht mehr zuverlässig. Aber auch bei Männern tröpfelt es immer häufiger, je älter sie werden. Grund ist meist die so genannte Überlaufinkontinenz. Meist ist eine Benigne Prostatahyperplasie der Grund (erfahren Sie hierzu mehr ab Seite 42).

Stressinkontinenz Die Belastungs- oder Stresskontinenz ist fast immer harmlos, wenn auch lästig, und tritt vornehmlich bei Frauen auf. Sobald der Druck im Bauchraum den Harnröhrendruck übersteigt (zum Beispiel beim Niesen) kommt es ungewollt zum Urinabgang. In der Hälfte aller Fälle ist diese Art von Inkontinenz verbunden mit einer Gebärmuttersenkung, entweder durch Geburten oder durch eine Beckenbodenschwäche. Dann nämlich kann das Muskelgewebe rund um die Harnröhre dem ausgeübten Druck nicht mehr standhalten. Das passiert beispielsweise aufgrund eines Estrogenmangels in der Zeit um die Wechseljahre. In leichteren Fällen kann eine spezielle Beckenbodengymnastik angewendet werden. Bei Männern tritt eine solche Stressinkontinenz praktisch nur nach Unfällen oder einer Prostataentfernung auf.

Eingedampft
+ Harninkontinenz ist ein häufiges, wenn auch gern verschwiegenes Problem: 30 bis 50 Prozent aller Menschen verlieren gelegentlich Urin. Die Beschwerden nehmen mit dem Alter an Häufigkeit und Stärke zu. Von Stressinkontinenz (Belastungsinkontinenz) sind hauptsächlich Frauen betroffen.
+ Die Dranginkontinenz mit ihrem häufigen starken Harndrang betrifft beide Geschlechter. An Überlaufinkontinenz leiden meist Männer, denn deren häufigste Ursache ist eine Vergrößerung der Prostata.
+ Bei der neurogenen Inkontinenz ist der Bereich des Gehirns geschädigt, der das Miktions-Kontrollzentrum im Rückenmark befehligt; sie tritt oft im Zusammenhang mit der Multimorbidität älterer Menschen und demenziellen Erkrankungen auf. Mittlerweile gibt es nicht nur in der Apotheke ein umfangreiches Produktangebot rund um das Thema Inkontinenz-Hilfsmittel.

Dranginkontinenz Typisch für die Dranginkontinenz ist der sehr häufige starke Harndrang – auch nachts -, gefolgt von Urinverlust. Grund dafür kann neben einer Zystitis ein überaktiver Blasenmuskel sein. Der zieht sich zusammen, obwohl die Blase kaum gefüllt ist. Die Betroffenen sollten umgehend die Toilette aufsuchen, denn durch Herausschieben des Wasserlassens lässt sich eine Inkontinenz quasi anerziehen. Nicht selten tritt eine Dranginkontinenz zusammen mit einer Stressinkontinenz auf.

Überlaufinkontinenz Ist die Blase gefüllt und maximal gedehnt – etwa infolge einer Abflussbehinderung – kommt es zum Urinabgang kleinerer Mengen. Diese Inkontinenzform betrifft oft ältere Männer. Meist ist eine Benigne Prostatahyperplasie (BPH) die Ursache. Wasserlassen ist dann nur noch mit starker Anspannung der Blasenmuskulatur möglich – und trotzdem verbleibt Restharn in der Harnblase. Auf Dauer verliert dann der Blasenmuskel seine Kontraktionsfähigkeit. Die Therapie besteht häufig in einer Operation.

Neurogene Inkontinenz Während man vor noch nicht allzu langer Zeit dieses Problem als eher selten abtat, gewinnt es in der Geriatrie und in der Pflege alter Menschen zunehmend an Bedeutung. Es ist sehr viel komplexer als gedacht, denn das Kontinenzvermögen im Alter, also die willentliche Steuerung des Wasserlassens, hängt sowohl mit der neurogenen Steuerung im Großhirn als auch mit nachlassenden Kompensationsmechanismen zusammen. Darüber hinaus zerstören demenzielle Erkrankungen sehr oft Hirnregionen, die für die Blasenkontrolle zuständig sind. Das sogenannte Miktionszentrum ist ein spezielles Nervensystem im Rückenmark, das dann durch das Gehirn nicht mehr ausreichend gesteuert werden kann. Auch ein Schlaganfall kann die Steuerungsfähigkeit vermindern. Die im Alter häufig vorkommende Erkrankung Diabetes mellitus geht ebenfalls häufig mit Nervenschädigungen einher.

Verstärkende Umstände
Inkontinenz im Alter ist kein Automatismus, sie wird aber begünstigt durch Faktoren wie
+ das Fassungsvermögen der Blase: Haben in jüngeren Jahren rund 800 Milliliter (ml) darin Platz, sind es im Alter nur noch 250 bis 400 ml.
+ zu spät empfundener Harndrang: Um darauf in angemessener Zeit zu reagieren, ist die Toilette zu weit weg.
+ kalte Füße: Das unterschätzte Phänomen führt häufig zu Harndrang.
+ nächtlicher Harndrang: Ein- bis zweimaliges Aufsuchen der Toilette ist im Alter normal; das Aufstehen aus dem Bett gestaltet sich oft jedoch als mühsam.

Teilhabe am sozialen Leben Inkontinenz-Produkte aus der Apotheke sind eine riesengroße Erleichterung für Betroffene, damit sie wie gewohnt am sozialen Leben teilnehmen und ihren Alltag gestalten können. Bei leichter Inkontinenz können Männer beispielsweise so genannte Tropfenfänger und Frauen spezielle Slip-Einlagen mit speziellen wasserbindenden und geruchsabsorbierenden Eigenschaften verwenden. Diese Produkte, die den aufgefangenen Urin mit einem Puffersystem stets im Sauren halten, unterdrücken die Ammoniakbildung und damit den unangenehmen Geruch. Sie hemmen daneben auch das Wachstum von Pilzen und Bakterien.

Auch für größere Mengen abgehenden Urins hält die Apotheke passende Produkte parat. Beispielsweise sind da die speziellen Windelhöschen für Frauen und Männer. Insbesondere nach Prostata-Operationen brauchen Männer sehr häufig Urin-Ableitungssysteme. Diese bestehen aus einem Kondom mit einem Beinbeutel. Die Produkte sind selbsthaftend und haben Rücklaufsperren sowohl im Beinbeutel als auch im Kondom. Für Frauen (insbesondere für Rollstuhlfahrerinnen) stellen außerdem externe Urinableiter, die das äußere Genital völlig umschließen, eine Alternative zu den Erwachsenen-Windelhöschen dar. Grundsätzlich gilt: Die Beratung bei Harninkontinenz in der Apotheke braucht viel Zeit und Einfühlungsvermögen. In der Regel wird dies aber durch eine starke Kundentreue belohnt.

Den Artikel finden Sie auch in der Sonderausgabe Senioren von DIE PTA IN DER APOTHEKE ab Seite 32.

Alexandra Regner, PTA und Medizinjournalistin

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