Blutgerinnung
WAS BÄREN IM WINTERSCHLAF MIT THROMBOSEPROPHYLAXE ZU TUN HABEN
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Warum müssen wir uns nach einer OP wochenlang Heparin-Spritzen setzen, Braunbär Bruno jedoch auch nach einem monatelangen Winterschlaf nicht? Obwohl der Bär bewegungslos in seiner Höhle lag; bevor er aufstand und Spaziergänger erschreckte, hatte er kein Risiko einer Thrombosebildung. Und eine venöse Thromboembolie ist doch für Mediziner ein gefürchtetes Szenario bei jedweder langen Immobilisierung.
Dabei ist die Blutgerinnung grundsätzlich ein lebenswichtiger Mechanismus. Bei Verletzungen verhindern Pfropfen ein Auslaufen der Körperflüssigkeit. Wenn sich aber diese Blutgerinnsel an der falschen Stelle bilden, droht Lebensgefahr – zum Beispiel bei einer Lungenembolie, einem Schlaganfall oder Herzinfarkt.
Sechs Monate schlafen ohne Thrombose
Da Forscher wissen, dass man gar nicht genug dumme Fragen stellen kann, widmete man sich der Problemstellung mit dem Bär. Warum kommen Bruno und seine Artgenossen so gut davon? Auf diesen Fakten bauten sie auf:
- Bekannt ist, dass bestimmte Menschen aufgrund ihrer Veranlagung eine erhöhte Neigung zur Bildung von Thromboembolien haben.
- Die lange Immobilisierung nach oben erwähnter Operation oder nach einem Beinbruch ist ein weiterer Faktor.
- Merkwürdig nur, dass dies nur für eine gewisse Zeit gilt: Chronisch gelähmte Menschen weisen kein erhöhtes Thromboserisiko mehr auf.
Liegt hier ein Anpassungseffekt vor? Und lässt sich der mit Bären im Winterschlaf vergleichen? Die schlafen sechs Monate am Stück, und es ist kein Thromboserisiko festzustellen.
Vergleich zwischen Bären, Menschen und Schweinen
Die Wissenschaftler behaupteten das nicht einfach so, sondern sie zapften schwedischen Braunbären im Winterschlaf Blutproben ab. Das gleiche taten sie auch noch einmal im Sommer, wenn die Tiere sehr aktiv waren. Außerdem verglichen die Forscher Blutproben von Menschen, die chronisch immobilisiert waren, mit solchen, die sich bewegen können. Und auch Schweine mussten herhalten: Die Studienautoren verglichen stark bewegungseingeschränkte Tiere mit solchen, die freilaufend gehalten wurden.
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Welche Proteine vorhanden sind, entscheidet über Gerinnung
Proteomik heißt das Verfahren, das sie dabei nutzten: Der Fokus lag hier auf den Blutplättchen, die für die Gerinnung eine entscheidende Rolle spielen. Und ein Faktor stellte sich als besonders bedeutend heraus: „Das Blutplättchen-Protein mit dem größten Unterschied zwischen überwinternden und aktiven Bären war das Protein 47 (HSP47), das in den überwinternden Bären um das 55-fache herunterreguliert war“, berichtet Co-Autor Johannes Müller-Reif vom Max-Planck-Institut für Biochemie in Martinsried. Ein ähnliches Muster stellten die Forscher auch bei den chronisch immobilisierten Menschen sowie den eingeschränkt lebenden Schweinen fest.
Die Herabregulierung von HSP47 bei Langzeit-Immobilisation (Winterschlaf) scheint demnach bei verschiedenen Säugetierarten ein natürlicher Anpassungsvorgang zur Thromboseprävention zu sein.
Blutplättchen und Entzündungen hängen zusammen
Und das lässt sich wissenschaftlich so erklären: Offenbar wird durch weniger HSP47 das Zusammenspiel zwischen Blutplättchen und Entzündungszellen gebremst, wodurch, wie beschrieben, das Bildungsrisiko für venöse Thrombosen unterdrückt wird. Das funktioniert auch bei bettlägerigen Menschen so: Nach etwa 27 Tagen war bei ihnen ein deutlich reduziertes HSP47-Niveau messbar.
Das gebe nun ein erhebliches medizinisches Potential, betonen die Wissenschaftler: „Jetzt, da wir wissen, dass HSP47 so wichtig ist, können wir nach neuen oder bereits vorhandenen Medikamenten suchen, die die Funktion dieses Proteins bei der Blutgerinnung hemmen und Menschen, die zu Gerinnseln neigen, schützen können“, bekräftigte Jon Gibbins, Co-Autor der Studie.
Quelle: wissenschaft.de