Über Gewicht: Adipositas verstehen und behandeln
28 Minuten
- 1Was ist eigentlich Übergewicht?
- 2Gewicht und Gesellschaft
- 3Ursachen für Adipositas – Teil I
- 4Ursachen für Adipositas – Teil II
- 5Wenn Gewicht krank macht
- 6Adipositas behandeln
- 7Medikamente und Magen-OPs
- 8Lernerfolgskontrolle
01. November 2024
Therapie der Adipositas
Die Deutsche Adipositas-Gesellschaft (DAG) hat eine Leitlinie zur Prävention und Therapie der Adipositas herausgegeben. Sie empfiehlt eine Gewichtsreduktion
- bei einem BMI über 30
- oder über 25, wenn
- das Gewicht Gesundheitsstörungen bedingt,
- andere Erkrankungen durch das Gewicht verschlimmert werden,
- bei einer abdominalen Adipositas
- und wenn die Betroffenen einen hohen psychosozialen Leidensdruck haben.
Schwangere hingegen sollen nicht abnehmen. Auch bei konsumierenden Krankheiten wie Krebs ist die Gewichtsreduktion kontraindiziert.
Therapieziele bei Adipositas sind die langfristige Reduktion des Körpergewichts und damit assoziierter Risikofaktoren und Krankheiten. Die Betroffenen sollen nicht arbeitsunfähig werden, vorzeitig berentet werden oder versterben. Außerdem soll ihre Lebensqualität steigen. Das Abnehmziel wird anhand individueller körperlicher Faktoren und der persönlichen Ressourcen festgemacht – es muss realistisch sein. Dazu dienen
- Ernährungs-,
- Bewegungs- und
- Verhaltenstherapie.
Warum Diäten nicht dünn machen
Eine Diät, bei der man bestimmte Lebensmittel wie Kohlenhydrate meidet, nur zu bestimmten Zeiten oder nach bestimmten Intervallen isst oder bei der man Kalorien oder Punkte zählt, ist nicht geeignet, das Gewicht langfristig zu reduzieren. Ein solches Essverhalten nennt man „rigide kontrolliert“. Es begünstigt Essstörungen, ist zudem nicht lebenslang anwendbar und hat einen Jo-Jo-Effekt.
Dennoch ist es sinnvoll, dass Menschen mit Adipositas ihre Ernährung umstellen. Eine Ernährungsberatung oder -therapie erarbeitet, wie die Betroffenen sich gesünder und gegebenenfalls kalorienärmer ernähren können, dabei berücksichtigt sie das persönliche und berufliche Umfeld. Formuladiäten, also Abnehmshakes zum Mahlzeitenersatz, kommen nur in Frage, wenn ein medizinischer Grund vorliegt, dass das Gewicht schnell sinken muss – und auch dann nur unter ärztlicher Kontrolle und maximal zwölf Wochen lang.
Lohnt sich das im Alter noch?
Wer gesündere Gewohnheiten annimmt, kann Lebenszeit gewinnen. Dazu gehört auch eine Ernährungsumstellung; erforscht ist das bei der Mittelmeerkost mit viel Gemüse, Obst und Fisch, hochwertigen Ölen und wenig Fleisch. Wenn ein 20-Jähriger sich umstellt, gewinnt er circa zehn Lebensjahre, ein 60-Jähriger gewinnt acht und selbst mit 80 kann man noch drei Jahre herausholen, sagt der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Geriatrie, Professor Rainer Wirth.
Die Verhaltenstherapie ist eine Form von Psychotherapie, bei der es darum geht, gesunde Verhaltensweisen einzuüben und dauerhaft beizubehalten. Bei Adipositas gehört zum Beispiel dazu, ein flexibel kontrolliertes Essverhalten zu erlernen. Durch Achtsamkeitsstrategien sollen Mahlzeiten und Snacks nicht mehr nach den rigiden Regeln des Kopfes erfolgen, sondern nach Hunger- und Sättigungssignalen des Bauchs.
Lebensmittel sollen wieder ein Genuss werden und den Körper ernähren, statt wie bislang als Ersatzlösung bei Problemen zu dienen und gleichzeitig verteufelt zu werden. Dazu ist es auch nötig, Konfliktlösungskompetenzen zu trainieren und alternative Trost- und Belohnungsstrategien zu finden.
Apps zum Abnehmen
Bei einem BMI zwischen 30 und 40 sind zwei digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA zugelassen: Zanadio und Oviva Direkt. Nach einer Verordnung auf Rezept erstatten die Krankenkassen die Kosten.
Der Heilungsprozess erstreckt sich über Monate bis Jahre. Die Therapie kann ambulant oder auch stationär erfolgen. Allerdings gibt es wenige interdisziplinäre Angebote – und teils lange Wartelisten auf Behandlungsplätze.
Kilos wegtrainieren?
Bei Adipositas ist wichtig, dass sich die gewählte Sportart für die körperlichen Voraussetzungen des Einzelnen eignet, also beispielsweise das Herz oder die Kniegelenke schont. Außerdem soll sie Spaß machen! Mehr Bewegung soll einerseits Energie verbrauchen (Ausdauertraining), andererseits Muskelmasse aufbauen und so den Grundumsatz erhöhen (Krafttraining). Doch so einfach ist die Rechnung auch hier nicht. Denn der tägliche Gesamtenergieverbrauch errechnet sich nicht aus der Menge an Aktivität.
Eine moderate Aktivität steigert den Gesamtenergieverbrauch um wenige Prozent. Stärkere Aktivität bringt nicht proportional mehr Energieverbrauch, sondern auch nur noch ein wenig. Zudem reguliert der Körper den Energieverbrauch aktiv und hält ihn konstant, indem er ihn an anderer Stelle herunterregelt und indem er mehr Hunger erzeugt. Um abzunehmen, müssten Sportelnde also streng darauf achten, nicht mehr Energie als vorher aufzunehmen. Und auch dann zeigen Effekte sich zwar anfänglich, langfristig aber kaum noch.
Das heißt aber nicht, dass Sport nichts bringe. Vermutlich gerade, weil der Körper den Kalorienbedarf umverteilt, ist Aktivität so gesund: Der Verbrauch verlagert sich von immunologischen, inflammatorischen Prozessen hin zur Muskulatur. Entzündungen lassen also nach, die Muskeln werden stärker. Starke Muskeln entlasten gleichzeitig die Gelenke. Und ein fitterer Körper bewegt sich leichter durchs Leben.