Wiederentdeckt
DIE QUITTE, NAHRUNGS- UND HEILMITTEL MIT SYMBOLCHARAKTER
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Früher standen Quittenbäume in zahlreichen Gärten, mittlerweile sind sie etwas in Vergessenheit geraten – Äpfel und Birnen landen häufiger im Einkaufskorb. Mit ihrem bitteren Flaum und dem harten, herben Fruchtfleisch verlocken sie nicht gerade zu einem herzhaften Biss. Aber gekocht entwickeln sie einen süßen Geschmack, ganz so, wie es der typische Quitteduft schon im Rohzustand verspricht.
Aber verwandt sind Äpfel, Birnen und Quitten schon – alle gehören zu der Familie der Rosengewächse, doch die Quitte (Cydonia oblonga) ist die einzige Pflanzenart der Gattung Cydonia. Auch äußerlich sieht man die Verwandtschaft der Arten: Sowohl an den Früchten, die optisch zwischen Birne und Apfel liegen, als auch am Gehölz, drei bis sechs Meter hohen Sträuchern oder Bäumen.
Typisch ist die behaarte Rinde junger Zweige. Die Laubblätter stehen wechselständig, sind glattrandig und zunächst beidseitig behaart, während ältere Blätter nur noch auf ihrer Unterseite einen wolligen Flaum aufweisen. Zwischen Mai und Juni zeigen sich kleine, etwa fünf Zentimeter große, fünfblättrige, weiß-rosa Blüten, die gerne von Bienen angeflogen werden.
Nur ein paar Monate später, von September bis Oktober, sind die grünen bis leuchtend-gelb gefärbten Früchte erntereif. Dabei sind Quittenbäume in der Lage sich selbst zu befruchten, die pelzigen Früchte können dabei so groß wie Handbälle werden. Wie Äpfel gehören sie botanisch gesehen zu den Sammelbalgfrüchten, in dem harten Fruchtfleisch verstecken sich vier bis sechs Kammern mit dunkelbraunen Samen. Zusammen mit den Neuzüchtungen gibt es weltweit etwa 200 Kultursorten.
Tradition und Geschichte
Im Kaukasus werden Quitten schon seit rund 4000 Jahren kultiviert. Die Region galt schon damals als wichtige Drehscheibe für den Handel und so gelangte die Quitte Schritt für Schritt in den Westen. Ihren Namen Cydonia, oder kydonischer Apfel, verdankt die Quitte der Stadt Kydonia auf Kreta, dem heutigen Chania. Im antiken Griechenland galt der „Goldapfel“ als paradiesische Frucht und wurde als Symbol der Liebe angesehen. So aßen Brautleute vor der Hochzeitsnacht eine Quitte – die Frucht der Aphrodite sollte dem Paar Glück, Liebe und Fruchtbarkeit bescheren. Der süße und gleichzeitig herbe Geschmack galt dabei als Analogie für die Freuden und die möglichen Schattenseiten der Ehe. Im alten Rom war man sogar vom Duft der Quitte zur erotischen Betörung überzeugt und fing ihn als Parfüm ein.
Einen Quittenbaum im eigenen Garten
Quitten gelten als sehr anspruchslos, wachsen nur langsam und können problemlos überwintern. Sonnige Plätzchen ziehen sie vor, gedeihen aber auch an halbschattigen Standorten. Am besten pflanzt man die Bäumchen im zeitigen Frühjahr, zum Beispiel im März, und wässert sie kräftig.
Zuvor bietet sich ein Pflanzschnitt an: Die Wurzeln an ihren Enden mit einer scharfen Gartenschere glatt abschneiden und an dem Baum selbst einen Mittelast sowie drei bis vier Seitentriebe so einkürzen, dass der Mittelast mit zirka zwanzig Zentimetern die Seitentriebe überragt. Weitere Schnitte sind bei der Quitte erst nach vielen Standjahren nötig.
Dann heißt es Geduld: Es kann mitunter einige Jahre dauern, bis der Baum Früchte trägt.
Die Römer waren es auch, die die Quitte bis in den hohen Norden brachten. Heute wird sie hauptsächlich in Asien oder im Mittelmeerraum angebaut. In Deutschland, wo sie auch Schmeckbirne, Kido oder Kütte genannt wird, besitzt die Quitte kaum wirtschaftliche Bedeutung.
Nährwert und Kulinarik
Die hiesigen Quittensorten sind nicht zum Rohverzehr geeignet, sie sind hart und schmecken bitter. Einige Sorten, wie beispielsweise die türkische Shirin-Quitte, können auch direkt vom Baum gepflückt gegessen werden. Hierzulande ist es ratsam, die Quitten von ihrem Flaum zu befreien, er enthält viele Bitterstoffe. Dann können die Früchte geschält oder ungeschält zu Marmelade, Mus, Kompott, Saft, Likör oder Wein verarbeitet werden. Auch im Ganzen, gebacken oder gedünstet, schmecken die Früchte zu Fleisch, Gemüse oder Käse.
In Spanien oder Portugal isst man das Obst traditionell zu Weihnachten in Form von Dulce de membrillo – Quittenbrot. Dazu wird gezuckertes eingedicktes Quittenmus etwa ein Zentimeter dick auf einem Backblech ausgestrichen und im Ofen gedörrt. Die abgekühlte Masse wird in Rauten geschnitten und in Zucker gewendet.
Quitten sind im Gegensatz zu vielen anderen Obstsorten recht kalorienarm: 40 Kilokalorien auf 100 Gramm. Dabei bestehen sie zu 85 Prozent aus Wasser. Die Früchte können als Vitamin-C-, -E- oder Vitamin-B-Lieferant (vor allem Folsäure) dienen, außerdem enthalten sie viel Kalium. Daneben die Mineralstoffe und Spurenelemente Mangan, Kupfer, Natrium, Zink, Eisen und Fluor, sowie Gerbsäuren, organische Säuren und viele Polyphenole (zum Beispiel Tannine).
Quittenmus regt die Verdauung an. Das liegt am löslichen Ballaststoff Pektin, das ebenfalls dafür verantwortlich ist, dass sich Quitten so gut zu Marmelade verarbeiten lassen.
Rezept für Quittengelee und -mus
Tatsächlich gab die Quitte all unseren Marmeladen ihren Namen. Im 16. Jahrhundert, in dem auch erstmalig der Begriff „Marmelade“ auftauchte, verstand man in Portugal darunter ein mit Zucker eingekochtes Quittenmus. Das portugiesische Wort für Quitte lautet „marmelo“, so ergab sich die Bezeichnung Marmelade für alle eingekochten süßen Fruchtmuse.
Für das Quittengelee braucht man:
● 1 Kilogramm Quitten
● 500 Gramm Gelierzucker (2:1)
● nach Geschmack Zitronenschale und geriebenen Ingwer
Die Quitten mit einem Tuch abreiben, bis der Flaum entfernt ist, entkernen und in Stücke schneiden. In einen großen Topf geben und knapp mit Wasser bedecken. Den Inhalt einmal aufkochen, dann die Hitze reduzieren und zirka fünf Stunden köcheln lassen. Den gewonnenen Saft durch ein Küchentuch abgießen (nicht auspressen, sonst wird das Gelee trüb!), nach Geschmack mit Zitronenschale und Ingwer abschmecken und erneut, zusammen mit dem Zucker, aufkochen und fünf Minuten sprudelnd kochen lassen. In sterilisierte Gläser abfüllen.
Aus den ausgekochten Früchten kann man im Sinne der Nachhaltigkeit Fruchtmus kochen. Dazu alles einfach mit einem Schuss Apfel- oder Orangensaft und etwas Vanille aufkochen, pürieren und in sterilisierte Gläser abfüllen.
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Pharmazeutisch interessante Inhaltsstoffe
Quitten wurden in der Antike eine große Heilkraft zugeschrieben. Der griechische Arzt Hippokrates empfahl die Früchte bei Fieber und Obstipation, die rohe Frucht zur Blutstillung. Galen setzte ebenfalls auf Quittensaft bei Magenverstimmungen. In der traditionellen Phytotherapie findet der Fruchtbrei sowie der Schleim aus in kaltem Wasser gequollenen Samen Einsatz bei kleineren Hautleiden wie (Brand-)Wunden, Druckgeschwüren, trockener Haut, schmerzenden Brustwarzen oder Hautausschlag.
Wissenschaftler von der University of Sargodha in Pakistan untersuchten alle nutzbaren Bestandteile der Quitte (Früchte, Blätter, Samen) und können dem Kernobst unter anderem folgende Eigenschaften zuschreiben:
- antioxidativ
- antientzündlich
- antibakteriell und antiviral
- antitussiv
- entwässernd
- leberschützend
- gegen Durchfall
- cholesterinsenkend
- antidepressiv
Damit können sie integriert in eine ausgewogene, gesunde Ernährung dabei unterstützen, zahlreichen Krankheiten vorzubeugen oder im Krankheitsfall ergänzend zu einer Therapie wirken.
Flavonoide, Gerb- und Ballaststoffe
Hauptverantwortlich für die antioxidative und antientzündliche Wirkung sind die enthaltenen Flavonoide. Vor allem Quercetin werden in diesem Zusammenhang positive Effekte bei Allergien, Gicht, kardiovaskulären Erkrankungen oder gegen das Wachstum des Bakteriums Helicobacter pylori nachgesagt. Der natürliche Farbstoff findet sich vor allem in der Schale, weshalb in der Volksmedizin ein Tee aus Quittenschalen empfohlen wird.
Schon Hildegard von Bingen setzte Quittenzubereitungen bei leichten Magen-Darm-Beschwerden oder zum Abführen ein. Zum einen regen die enthaltenen Tannine die Verdauung an. Diesen Gerbstoffen verdankt die Quitte auch ihren Ruf als Blutstiller: Der adstringierende Effekt wird einem Mus aus roh geriebenen Quitten und dem Tee aus den Blättern nachgesagt. Zum anderen dient der lösliche Ballaststoff Pektin vielen „guten“ Darmbakterien als Nahrung. Das Präbiotikum kann daher unterstützend bei Obstipation, aber auch Durchfall eingesetzt werden, da es zusätzlich in der Lage ist, Giftstoffe zu binden.
Man sagt diesem faserigen Polysaccharid auch eine positive Wirkung auf Blutdruck, Blutzuckerspiegel, auf Blutfett- und Cholesterinwerte nach.
Pharmazeutische Droge
Als pharmazeutisch relevant gelten nur die Quittensamen. Cydoniae semen – der getrocknete Same von Cydonia vulgaris – ist allerdings nicht mehr offizinell. Die Samen enthalten neben fettem Öl vor allem Schleimstoffe, die sich nach Quellen der Samen in kaltem Wasser als „Quittenschleim“ zeigen. Äußerlich angewendet bei Sonnenbrand oder Bagatellverletzungen wirkt der Schleim reizlindernd und kühlend. Bei Husten und Erkältungsbeschwerden der oberen Atemwege kann der Schleim auch innerlich angewendet werden, ebenso bei Sodbrennen oder Durchfall. Wichtig ist, die Samen im Ganzen zu schlucken, denn beim Zerkleinern wird das enthaltene Glykosid Amygdalin freigesetzt, aus dem im Körper Blausäure abgespalten werden kann.
Homöopathie
Extrakte aus der Quitte finden sich auch in modernen Pharmazeutika. In Kombination mit Auszügen aus der Zitrone wird ein anthroposophisches Nasenspray gegen Heuschnupfen angeboten. Quitten zeigten in Laboruntersuchungen einen hemmenden Effekt auf die Histaminausschüttung. Eine placebokontrollierte Studie von 2016 konnte einen positiven Effekt an einem kleinen Probandenkollektiv belegen.
Quitte für die Schönheit
Auch wenn die Quitte nicht mehr offizinell ist, so finden sich ihre Inhaltsstoffe doch in einigen Cremes, Seren oder Lotionen verschiedener Hersteller. Neben den beruhigenden Schleimstoffen ist vor allem die Bedeutung des Quittenwachses hervorzuheben. Es findet sich in der Schale der Frucht und schützt vor Umwelteinflüssen (zum Beispiel starkem UV-Licht) und hohem Wasserverlust durch Verdunstung. Nach diesem Vorbild in der Natur wird das Quittenwachs auch in Zubereitungen zur äußeren Anwendung verwendet. Vor allem trockene und sensible Haut profitiert davon. Studien belegten die beruhigenden und hautglättenden Eigenschaften, sodass die Hautbarriere gestärkt und der Feuchtigkeitsverlust minimiert wird.
Wer sich jetzt noch mehr über Quitten informieren möchte, kann sich auf dem Quittenlehrpfad in Astheim bei Würzburg umsehen.
Quellen:
https://www.gartenratgeber.net/pflanzen/quittenbaum.html
https://utopia.de/ratgeber/quittengelee-selber-machen-ein-einfaches-rezept/
https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/27282490/
https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/27445806/
https://www.heilpraxisnet.de/heilpflanzen/quitte/
https://www.apotheken-umschau.de/gesund-bleiben/ernaehrung/quitte-hartes-fruechtchen-712393.html
https://medlexi.de/Quitte
https://link.springer.com/article/10.1007/s00216-008-2000-5
https://www.dlr-rheinpfalz.rlp.de/Internet/global/themen.nsf/0a851e5acd148e2fc12578a90025351d/3f26e3d99accaf0ac125721b00441351
https://www.pharmazeutische-zeitung.de/ausgabe-492008/hilfe-fuer-trockene-und-sensible-haut/
https://www.pharmawiki.ch/wiki/index.php?wiki=Quitte
https://www.quittenprojekt-bergstrasse.de/
http://www.quittenlehrpfad.de