Botanicals
WERTVOLLE RINDE
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Pflanzenextrakte der französischen Meereskiefer (Pinus pinaster subsp. atlantica) finden schon seit Jahrhunderten traditionell Verwendung bei der Behandlung entzündlicher Erkrankungen. Heute wird ein standardisierter Meereskiefer-Rindenextrakt unter dem Namen Pycnogenol® weltweit vertrieben. Sowohl der Extrakt als auch das Extraktionsverfahren sind durch verschiedene US-amerikanische und internationale Patente geschützt und seine Qualität ist im US-amerikanische Arzneibuch (United States Pharmacopeia, USP) beschrieben.
Mächtige GestaltPycnogenol® wird aus der Rinde der Meereskiefer, auch Seekiefer genannt, gewonnen. Pinus pinaster subsp. atlantica aus der Familie der Kieferngewächse (Pinaceae) gehört zur Gattung der Kiefern (Pinus), die 300 Jahre alt und bis zu 40 Meter hoch werden kann. Der Stamm erreicht einen Durchmesser von bis zu einem Meter und wächst meist gerade, kann aber eine säbelförmig gekrümmte Basis besitzen. Ältere Bäume in geschlossenen Beständen weisen auf der gesamten Stammlänge kaum noch Äste auf.
Nur die Stämme freistehender Einzelexemplare behalten ihre toten Äste meist bis zum Boden. Die Krone der Meereskiefer hat bei jungen Bäumen noch eine kugelige Form, später wird sie kegelförmig. Die glänzend grünen Nadeln sind kräftig und paarweise in Kurztrieben angeordnet. Sie werden zehn bis 20 Zentimeter (cm) lang und bleiben drei Jahre am Baum. Die schief abwärts gerichteten Zapfen können eine Länge von zehn bis 12 cm und einen Durchmesser von fünf bis sieben cm erhalten.
Pinus-pinaster-Plantage Der Baum wächst in Reinkultur entlang der südwestlichen Küste Frankreichs im Wald von „Les Landes de Gascogne“. Dieses Areal erstreckt sich von Bordeaux im Norden bis zu den Pyrenäen im Süden von Biarritz auf etwa 10 000 Quadratmetern und stellt das größte zusammenhängende Waldgebiet Westeuropas dar. Eigentlich ist es kein Wald, sondern eine Plantage, die auf Napoleon III zurückgeht. Der französische Kaiser wollte im 19. Jahrhundert durch Pflanzen von Pinus pinaster subsp. atlantica Erosionen der sandigen Heidelandschaft verhindern. Dafür eignete sich die Pflanzenart als Tiefwurzler mit seiner kräftigen Pfahlwurzel und den in die Tiefe wachsenden Seitenwurzeln gut. Gleichzeitig legte er mit den Anpflanzungen den Grundstock für die Ansiedlung einer Holzwirtschaft.
In den USA stehen Pycnogenol®-Produkte auf der Liste der Top 10 der beliebtesten Nahrungsergänzungsmittel.
Standardisierter Extrakt Die Rindenabfälle, die bei der Holzgewinnung anfallen, stellen das Rohmaterial für die Herstellung des Meereskiefer-Rindenextraktes dar. Für 1 Kilogramm (kg) Pycnogenol® werden circa 1000 kg Rinde 30 bis 50 Jahre alter Bäume benötigt. Diese stammen aus kontrolliertem Anbau. Dabei kommen weder Pestizide noch Herbizide zur Anwendung und die abgeholzten Areale werden im Sinne der Nachhaltigkeit wieder aufgeforstet. Pycnogenol® wird durch das Extrahieren der äußeren Rinde der Kiefer gewonnen.
Die dicke rotbraune Rinde ist tiefrissig und lässt sich leicht in Platten vom Stamm ablösen. Da die Rinde im Unterschied zu anderen Pflanzen keinen jahreszeitlichen Veränderungen unterliegt, liegen gute Voraussetzungen für die Herstellung eines Extraktes mit gleichbleibender Qualität vor. Dafür wird die frische Rinde pulverisiert und mit einem Ethanol-Wasser-Gemisch nach einem patentierten Verfahren extrahiert. Nach einer gründlichen Reinigung wird der Rohextrakt sprühgetrocknet und zu einem feinen, braunen Pulver verarbeitet. Anschließend wird der Trockenextrakt dann auf einen Gehalt von 65 bis 75 Prozent aktiver Pflanzenstoffe standardisiert.
Antioxidativ und entzündungshemmend Standardisierter Meereskiefer-Rindenextrakt enthält vor allem Polyphenole, die sich durch antioxidative und entzündungshemmende Eigenschaften auszeichnen. Den Hauptbestandteil bilden mit 65 bis 75 Prozent oligomere Procyanidine (OPC). Procyanidine sind sekundäre Pflanzenstoffe aus der Gruppe der Flavonoide, die den übergeordneten Polyphenolen zuzuordnen sind. Bei den OPC handelt es sich um große Moleküle, die sich aus mehreren monomeren Polyphenolen (zumeist Dimere oder Trimere aus Catechinen) zusammensetzen. Monomere Polyphenole (z. B. Catechin, Texifolin) und verschiedene Phenolcarbonsäuren sind ebenso im Extrakt enthalten.
Aktive Metaboliten Während der Organismus in der Lage ist, die kleineren monomeren Polyphenole direkt aufzunehmen, müssen die OPC aufgrund ihrer Kettenlänge erst einmal im Darm von den Bakterien in kleinere Einheiten beziehungsweise Monomere gespalten werden, bevor der Körper sie resorbieren kann. Die Monomere werden dann teilweise direkt verwertet oder anschließend vom Mikrobiom in aktive Stoffwechselprodukte umgewandelt, die besonders starke antioxidative und entzündungshemmende Eigenschaften aufweisen sollen. Untersuchungen zufolge soll der Hauptmetabolit – ein Valerolacton – die Aktivität der entzündungsfördernden Stickoxidsynthase und die Freisetzung der Matrixmetalloprotease stärker als Hydrocortison hemmen, und freie Radikale effektiver als Vitamin C oder Vitamin E abfangen.
Vielseitige Eigenschaften Der Extrakt wurde 1953 in Frankreich entwickelt. Erste klinische Studien in den 1970er Jahren an Patienten mit venösen Beschwerden zeigten schon damals positive Ergebnisse im Bereich der Ödembildung und Schmerzempfindung. Sie werden auf eine Aktivierung der endothelialen Stickstoffmonoxidsynthetase (eNOS) zurückgeführt, die zu einer gesteigerten Synthese von NO und damit zu einer Normalisierung der Venenfunktion beiträgt. Neben der vasoprotektiven Wirkung wurden inzwischen viele weitere Eigenschaften in ungefähr 160 klinische Studien mit mehr als 10 000 Studienteilnehmern beobachtet und in circa 420 wissenschaftlichen Publikationen veröffentlicht.
Der Extrakt gilt als effektiver Entzündungshemmer und starkes Antioxidans, dem immunmodulierende, endothel- und kardioprotektive, gefäßerweiternde, durchblutungsfördernde, thrombozytenaggregationshemmende und blutzuckersenkende Wirkungen zugeschrieben werden. Er soll daher einen günstigen Einfluss auf die Behandlung verschiedener Beschwerden und Erkrankungen haben. Positive Effekte werden beispielsweise bei Herz-Kreislauferkrankungen, Wechseljahresbeschwerden, gutartiger Prostatahyperplasie oder Arthrose postuliert.
Kein Arzneimittel Trotz der vielen Hinweise auf zahlreiche gesundheitliche Vorteile mit vielfältigen Einsatzmöglichkeiten bleibt festzuhalten, dass Pycnogenol® derzeit lediglich als Nahrungsergänzungsmittel sowie in ergänzenden bilanzierten Diäten oder Kosmetika vorliegt. In weltweit mehr als 1000 Produkten ist Pycnogenol® enthalten, wobei die USA mit 60 Prozent Umsatz Hauptabsatzgebiet ist.
Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 04/2020 ab Seite 28.
Gode Chlond, Apothekerin