Mann bläst Ballon auf © Koldunova_Anna / iStock / Thinkstock
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Hauterkrankungen

WENN DER HAUT DIE LUFT WEGBLEIBT

Länger anhaltender Druck auf eine Hautstelle kann zum Dekubitus führen. Das schmerzhafte Wundgeschwür entsteht, wenn Menschen überwiegend liegen oder sitzen und ist vor allem in Pflegeeinrichtungen gefürchtet.

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Beim Sitzen, Liegen und Stehen entsteht durch unser Körpergewicht an manchen Stellen ein Druck auf unsere Haut, der den Druck in ihren Kapillargefäßen übersteigt. Dadurch werden die Blutversorgung und somit auch die Sauerstoffversorgung der Hautzellen reduziert. Hält dieser Druck längere Zeit an, bleibt der Haut im wahrsten Sinne des Wortes „die Luft weg“ und es sammeln sich saure, giftige Stoffwechselprodukte an, was zum Absterben von Zellen führen kann.

Haut unter Druck Gefährdet sind vor allem Stellen, an denen knöcherne Strukturen relativ nah an der Hautoberfläche liegen und kein Unterhautfettgewebe zur Druckverteilung beitragen kann, wie etwa Hinterkopf, Schultern, Hüfte, Steißbein oder Fersen. Ein gesunder Mensch bewegt sich automatisch häufig genug, um betroffene Hautstellen wieder zu entlasten – spätestens dann, wenn er Missempfindungen wie Kribbeln oder Taubheitsgefühle verspürt.

Doch ältere oder kranke Menschen, die bettlägerig, stark bewegungseingeschränkt sind oder unter dem Einfluss von Beruhigungsmitteln stehen, können diese Druckentlastung nicht mehr leisten. Bei völliger Bewegungslosigkeit reichen schon wenige Stunden aus, um die Gefäße so zu schädigen, so dass ein Dekubitus entsteht. In Deutschland sind insgesamt rund 14 Prozent aller Krankenhauspatienten davon betroffen, wobei der Anteil bei älteren Patienten über 30 Prozent beträgt.

Weitere Risikofaktoren Gerade bei bettlägerigen Kranken und alten Menschen kann ein Druckgeschwür auch durch andere Belastungen als langes Liegen entstehen. Dazu gehören Prothesen, Katheter oder venöse Zugänge genauso wie zu eng sitzende Kleidung oder Windeln. Ältere Menschen haben zudem meist noch weitere Grunderkrankungen, die einen Dekubitus fördern können, wie Herzinsuffizienz oder Diabetes. Viele ältere Menschen essen und trinken auch nicht mehr genug, sodass die Durchblutung durch Mangelernährung und Dehydrierung bereits beeinträchtigt ist. Weil die Haut älterer Menschen nicht mehr so elastisch ist, können auch Scherkräfte viel stärker wirken. Schon ein ständiges Wegrutschen im Stuhl kann bei ihnen das Risiko für einen Dekubitus erhöhen.

Vier Grade Es gibt unterschiedliche Möglichkeiten, die Schwere eines Dekubitus einzuordnen, meist werden jedoch vier Grade unterschieden wie in der ICD-Kodierung. Hierbei entspricht Grad 1 einer Hautrötung an der Druckstelle, die sich nicht mehr weiß verfärbt, wenn man mit dem Finger darauf drückt. Die Stelle kann zusätzlich geschwollen oder erwärmt sein, jedoch ist die Haut noch intakt. Die Hautrötung entsteht, weil der Körper die Gefäße weit stellt, um der Minderversorgung mit Sauerstoff und Nährstoffen entgegen zu wirken.

Bei Grad 2 hat sich an der Druckstelle bereits eine Blase, eine Schürfstelle oder eine kleinere offene Wunde gebildet, die noch oberflächlich ist, aber schon bis in die Lederhaut (Dermis) reichen kann. Ist die Unterhaut bereits in Mitleidenschaft gezogen, spricht man von einem Dekubitus Grad 3, einem tiefen, offenen Geschwür mit bereits nekrotischen Hautanteilen. Bei einem Dekubitus Grad 4 sind tiefer liegende Gewebestrukturen wie Muskeln, Sehnen und Knochen in Mitleidenschaft gezogen und in der offenen Wunde auch sichtbar.

Bleibende Schäden Obwohl ein Dekubitus normalerweise Schmerzen bereitet, kann er bei Menschen, die nicht in Krankenhäusern oder Pflegeheimen untergebracht sind, lange unbemerkt bleiben – zum Beispiel, wenn sie Schmerzmittel einnehmen oder sich aufgrund einer Demenz nicht mehr ausreichend mitteilen können. Unbehandelt werden Druckgeschwüre schnell handtellergroß.

Die Therapie ist je nach Schweregrad unterschiedlich. Kleinere, trockene Wunden werden mit einem sterilen Verband abgedeckt, nässende Wunden müssen mit Kochsalzlösung gespült und anschließend luftdicht mit einem Hydrokolloidverband verbunden werden, der die Wunde feucht und steril hält. Nekrotisches Gewebe wird operativ entfernt, bei einem Dekubitus Grad 4 sind größere operative Eingriffe nötig, um die Wunde zu verschließen. Druckgeschwüre können unter der richtigen Therapie zwar abheilen, jedoch kann sich der Dekubitusgrad nicht verbessern, denn die Haut ist irreversibel geschädigt, sodass die Wunde nur durch Narbengewebe aufgefüllt wird.

Dekubitus vermeiden Ein Druckgeschwür ist für die Betroffenen sehr unangenehm und schränkt ihre Lebensqualität stark ein. Seine Pflege ist extrem aufwändig und die Infektionsgefahr der offenen Wunde zudem sehr hoch. Entwickelt sich eine Sepsis, kann ein Dekubitus sogar tödlich enden. Man sollte daher versuchen, ihn gar nicht erst entstehen zu lassen. In Krankenhäusern und Pflegeheimen werden Risikopatienten daher regelmäßig auf Anzeichen von Wundliegen untersucht.

Hat sich dennoch ein Dekubitus gebildet, ist die wichtigste Maßnahme, die belastete Hautpartie möglichst vom Druck zu befreien. Risikopatienten sollten sich so häufig wie möglich bewegen, auch, wenn es nur kleine Bewegungen sind. Ist das nicht möglich, muss der Patient ständig umgelagert werden. Unterstützend kann man spezielle Wechseldruckmatratzen einsetzen. Sie haben mehrere Luftkammern, die automatisch abwechselnd gefüllt werden, sodass sich der Druck auf die Hautpartien verteilt. Menschen, die im Rollstuhl sitzen, müssen ebenfalls häufiger umpositioniert werden.

Richtige Hautpflege zu Hause Wird ein Risikopatient durch Angehörige gepflegt, helfen folgende Maßnahmen bei der Dekubitusprophylaxe: Durchnässte Haut ist genauso wie besonders trockene Haut anfälliger für Druckgeschwüre. Daher sollten Schweiß, Urin (besonders gefährlich in Kombination mit den durch eine Windel verursachten Scherkräften) oder Eiter regelmäßig mit sanften Waschlotionen entfernt werden. Alle Hautpartien, vor allem auch Hautfalten, müssen nach dem Waschen sehr gut getrocknet werden. Dabei ist Tupfen sinnvoller als Reiben, denn es beansprucht die Haut nicht so stark. Alle intakten Hautstellen kann man mit einer rückfettenden Creme einreiben. Kleidung muss locker und faltenfrei sitzen, und sie sollte, wie auch die Bettwäsche, aus atmungsaktiven Naturfasern bestehen. Bettlaken müssen mehrmals am Tag glattgezogen werden.

Schon beim täglichen Waschen oder Baden sollten Angehörige den Pflegebedürftigen auf erste Anzeichen eines Dekubitus hin untersuchen. Auffällige rote Stellen können mit der Fingerprobe überprüft werden. Stellt man dabei einen Dekubitus Grad 1 fest, muss umgehend ein Arzt konsultiert werden. Ein Dekubitus ist nichts, was man in Eigenregie oder mit Hausmitteln therapieren kann. Im Gegenteil: Das Abdecken der Wunden mit herkömmlichen Pflastern oder gar die Versorgung mit wundheilenden Salben können ihn noch verschlimmern. Pflegende Angehörige können sich in Dekubituspflege fortbilden. In den Schulungen erhalten sie wichtige Tipps und erlernen auch verschiedene Umlagerungstechniken, die sie nach Absprache mit dem Arzt zuhause anwenden können.

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 06/18 ab Seite 130.

Dr. Holger Stumpf, Medizinjounalist

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