Essstörungen
VERZERRTES KÖRPERBILD
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Berichtet eine Kundin darüber, dass ihre Gedanken ständig um ihr Gewicht und um das Essverhalten kreisen? Verweigert sie Nahrung und hat Panik vor einer Gewichtszunahme? Isst sie heimlich und erbricht danach? Fühlt sie sich zudem unwohl in der eigenen Haut? Die Informationen helfen dabei, eine mögliche Esserkrankung zu erkennen. Sie sollten Betroffene bei derartigen Aussagen im Beratungsgespräch dazu ermutigen, mit einem Arzt oder Psychologen über ihre Problematik zu sprechen.
Frauen sind häufiger betroffen Frauen sind deutlich anfälliger für Essstörungen als Männer, sie leiden fünfmal häufiger darunter, wie aus einer Studie der Universität Leipzig hervorgeht. Kundinnen nehmen entweder zu viel oder zu wenig Kalorien auf und beschäftigen sich permanent mit der Nahrungsaufnahme sowie mit der eigenen Figur. Häufig geht einer Essstörung eine Diät voraus, der Übergang zu einer krankhaften Form ist fließend und wird daher oft nicht sofort erkannt. Zu den Essstörungen zählen die Magersucht (Anorexia nervosa), die Bulimie (Bulimia nervosa) sowie Binge-Eating-Attacken (unkontrollierte Essanfälle). Sie entwickeln sich häufig in der Phase des Erwachsenwerdens und persistieren über Jahre.
Anorexie Kundinnen mit Anorexia nervosa fallen in der Apotheke sicherlich durch ihr gravierendes Untergewicht auf. Sie wiegen viel zu wenig und weichen mit ihrem Gewicht mindestens 15 Prozent von der Norm ab, ihr Body-Mass-Index (BMI)unterschreitet meist Werte von 17,5. Betroffene haben große Angst davor, dick zu werden und setzen die Schwelle für ihr Gewicht extrem niedrig an. Sie sind nicht in der Lage, ihre äußere Erscheinung realistisch einzuschätzen und halten sich trotz des Untergewichts für zu dick. Typisch ist, dass sie hochkalorische Speisen verweigern und manchmal sogar nach deren Genuss Erbrechen auslösen. Um „verbotenerweise“ aufgenommene Nahrung wieder loszuwerden, missbrauchen einige Frauen mit Magersucht oder Bulimie Appetitzügler, Diuretika und Abführmittel oder sie treiben deutlich zu viel Sport.
Zu Tode hungern Die Magersucht kann lebensgefährliche Ausmaße annehmen – so manche Patientin hat sich bereits zu Tode gehungert. Im Rahmen der Therapie erhalten Patientinnen über eine Magensonde hochkalorische Nahrung oder werden parenteral ernährt. Zu den Begleiterscheinungen der Magersucht gehören Vitaminmangelerscheinungen sowie das Ausbleiben der Menstruation. Alarmierend ist eine kanadische Studie, bei der Wissenschaftler essgestörte Probanden über einen Zeitraum von 20 Jahren begleiteten und eine Mortalitätsrate von zehn Prozent feststellten.
Ess-Brech-Sucht Bulimie-Störungen beginnen in der Regel erst im späten Jugend- und jungen Erwachsenenalter. Die Erkrankung wird überwiegend bei Frauen diagnostiziert und geht mit Ess-Brech-Attacken einher. Im Unterschied zur Anorexia nervosa sind Bulimie-Patientinnen nicht untergewichtig, allerdings leiden sie ebenfalls an einer krankhaften Angst, dick zu werden. Betroffene nehmen während ihrer Essattacken innerhalb kürzester Zeit große Mengen an Nahrung auf und möchten diese im Anschluss durch gegensteuernde Handlungen (wie Erbrechen, Medikamente, Hungerperioden) kompensieren, um ihr Körpergewicht zu kontrollieren. Kundinnen, die an Bulimie erkrankt sind, versuchen alles, um ihre Krankheit zu vertuschen.
Langfristig werden die Folgen jedoch sichtbar und äußern sich etwa durch Zahnfleischentzündungen und Zahnwurzelabszesse, die durch den regelmäßigen Kontakt der Zähne mit der Magensäure beim Erbrechen entstehen. Flüssigkeitsdefizite und Kaliummangelzustände, die aus dem Missbrauch von Diuretika und Laxanzien resultieren, begünstigen Verdauungsprobleme bei Betroffenen. Im schlimmsten Fall führt der verminderte Kaliumhaushalt zu Herzrhythmusstörungen oder Nierenversagen. Trotz des chronischen Krankheitsverlaufs einer Bulimie kommt es nur selten zu Todesfällen. Häufig ist die Abgrenzung zur Magersucht schwierig, denn die Ess-Brech-Sucht kann sich aus einer Anorexia nervosa entwickeln (und umgekehrt).
Unkontrollierte Fressattacken Bei Binge-Eating-Anfällen (regelmäßig auftretende Essanfälle ohne gewichtsregulierende Maßnahmen) verlieren Kundinnen die Kontrolle über ihre Nahrungsaufnahme und können nicht mehr aufhören zu essen – unabhängig von einem Hungergefühl. Sie verschlingen große Mengen an Speisen, obwohl sie wissen, dass ihnen die Gier nicht gut tut. Im Nachhinein plagen sie sich mit Schuldgefühlen, spüren eine innere Leere und ekeln sich vor sich selbst. Betroffene kompensieren die Binge-Eating-Attacken nicht durch Erbrechen, Abführmittel oder extremen Sport. Auslöser der Essanfälle können negative Emotionen wie Wut, Trauer oder Angst sein.
Therapie bei Anorexie & Co Essstörungen sind ernste Erkrankungen, die einer Therapie bedürfen. Je eher die Behandlung beginnt, desto besser ist die Prognose auf eine vollständige Heilung. Die Möglichkeiten reichen von ambulanter Psychotherapie, (Tages-)Kliniken, Selbsthilfegruppen bis hin zu therapeutischen Wohngruppen. Patientinnen lernen, ihre Ernährung umzustellen und sich an feste Esszeiten zu gewöhnen. Im Rahmen der Psychotherapie besprechen Betroffene mit einem Therapeuten ihre seelischen Probleme und üben die Verhaltensänderungen. Nach der Entlassung aus der Klink sollte die Therapie über einen gewissen Zeitraum fortgesetzt werden.
Den Artikel finden Sie auch in der Sonderausgabe Frauengesundheit der PTA IN DER APOTHEKE ab Seite 26.
Martina Görz, PTA, M.Sc. Psychologie und Fachjournalistin