PTA-Fortbildung 06/11

VERSTOPFUNG

Die Obstipation hat einen großen Einfluss auf die Lebensqualität, dennoch spricht man nicht gerne darüber. Informieren Sie sich umfassend über das Thema, um Ihre Kunden individuell beraten zu können.

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Es ist eines der häufigsten gastroenteralen Probleme überhaupt. Je nach Statistik leiden zwischen 20 und 25 Prozent der Erwachsenen und auch einige Kinder unter Verstopfung. Dabei ist Obstipation eigentlich keine Krankheit, sondern ein Symptom. Die medizinische Definition orientierte sich bisher vor allem an der Stuhlfrequenz von weniger als dreimal pro Woche. Die Betroffenen verstehen darunter jedoch häufig eine qualitative Beeinträchtigung des Toilettengangs mit hartem Stuhl, großen Anstrengungen beim Pressen und einem anschließenden Gefühl der unvollständigen Entleerung. Dabei kann die Stuhlfrequenz sogar normal sein.

Die Konsensuskonferenz hat die Obstipation als Symptom einer funktionellen Darmerkrankung definiert, das durch persistierend erschwerte, seltene oder unvollständige Entleerung charakterisiert ist, jedoch nicht die Kriterien eines Reizdarmsyndroms erfüllt. Frauen sind davon zwei- bis dreimal so häufig betroffen wie Männer, mit steigendem Alter nimmt das Problem zu, insbesondere nach dem 65. Lebensjahr. Nur wenige Menschen gehen wegen einer Verstopfung, selbst wenn sie häufiger damit zu tun haben, zum Arzt. Die Behandlung wird meist durch Eigendiagnose und Selbstmedikation bestimmt. Deshalb ist es wichtig, dass Sie Ihre Beratungspflicht hier besonders ernst nehmen.

Der Dickdarm Er ist etwa 1,5 Meter lang und hat einen Durchmesser von circa sechs Zentimeter. Er beginnt am Ende des Dünndarmes. Den Anfang macht der Blinddarm, er geht dann auf der rechten Bauchseite in den aufsteigenden Darmabschnitt, das Colon ascendens, über. Es folgt der querverlaufende Darmabschnitt, das Colon transversum, der den Oberbauch von rechts nach links durchzieht und auf der linken Seite endet. Hier steigt der Darm wieder ab. Man spricht vom Colon descendens. Im weiteren Verlauf folgt nun die Sigmaschleife, das Colon sigmoideum, und zuletzt der Mastdarm, das Rektum.

Dieser letzte Darmabschnitt ist etwa 15 bis 30 Zentimeter lang und bildet ein Reservoir, in dem der Stuhl (die Fäzes) bis zur nächsten Entleerung (Defäkation) gesammelt wird. Am Ende des Rektums befinden sich zwei Schließmuskeln. Der innere besteht aus glatter Muskulatur und wird über das vegetative Nervensystem gesteuert. Der äußere Schließmuskel besteht dagegen aus quergestreifter Muskulatur und ist willentlich zu beeinflussen. Wenn das Rektum gefüllt ist, wird durch die Dehnung der Defäkationsreflex ausgelöst und es werden beide Muskeln aktiviert.

Der Dickdarm hat ganz andere Aufgaben als der Dünndarm. Dementsprechend besitzt er auch keine Zotten zur Vergrößerung der Oberfläche. Seine Hauptaufgabe ist es, dem Stuhl Flüssigkeit zu entziehen und ihn dadurch einzudicken. Außerdem wird der Stuhl durch die Kontraktionen der Darmmuskulatur durchgeknetet. Zu diesem Zweck besitzt der Darm Ring- und Längsmuskeln. Muskelkontraktionen, die die Fäzes weiterleiten, werden als peristaltische Bewegungen bezeichnet. Weitere Aufgaben des Dickdarmes sind unter anderem die Bildung und Aufnahme von Vitamin K und die Resorption von Eisen. Hierbei spielt die Darmflora eine wichtige Rolle. Sie besteht hauptsächlich aus anaeroben Keimen, wie Escherichia coli.

Formen der Obstipation Pathophysiologisch lässt sich die Verstopfung in drei Formen unterteilen. Bei der kologenen Obstipation, auch Slow-transit-Obstipation genannt, ist die Balance zwischen propulsiven und nichtpropulsiven Darmbewegungen gestört. Dadurch passiert der Darminhalt den Dickdarm zu langsam, mit der Folge, dass dem Stuhl zu viel Wasser entzogen und er zu fest wird. Ursachen für eine Slow-transit-Obstipation können neurologische Erkrankungen, Muskel- und Bindegewebsveränderungen im Alter, hormonelle Einflüsse in der Schwangerschaft oder bei einer Schilddrüsenunterfunktion, aber auch ballaststoffarme Nahrung oder die Nebenwirkungen einiger Medikamente sein.

Die anorektale Obstipation ist auf strukturelle Veränderungen, wie Analstenosen, Tumoren oder auf funktionelle Probleme, wie eine verminderte Rektumsensibilität oder Beckenbodenfunktionsstörungen, zurückzuführen. Manchmal liegt auch eine Mischform aus kologener und anorektaler Obstipation vor. Ein Teil der Patienten mit einem Reizdarmsyndrom klagt ebenfalls über Obstipation. Bei ihnen kommen jedoch fast immer Bauchschmerzen und Blähungen hinzu. Alle Fälle von Verstopfung, bei denen kein krankhafter Hintergrund festzustellen ist, werden als idiopathische Obstipation bezeichnet.

Ursache Lebensstil? Die häufigsten Ratschläge bei Verstopfung sind allgemeine Maßnahmen, wie die Umstellung auf eine ballaststoffreiche Ernährung, das Vermeiden von stopfenden Nahrungsmitteln, mehr Trinken, regelmäßige Toilettensitzungen und mehr körperliche Aktivität. Die Wirksamkeit dieser Verhaltensmaßnahmen ist allerdings beschränkt. In Studien hat sich gezeigt, dass sich die Ess- und Trinkgewohnheiten von gesunden und obstipierten Menschen gar nicht wesentlich unterscheiden. Häufig achten sogar Menschen mit Verdauungsproblemen viel besser auf ihren Lebensstil, weil sie bereits versuchen, so ihr Problem zu lösen.

Es ist bekannt, dass eine Unterdrückung des Stuhldrangs, eine geringe Flüssigkeitszufuhr und Bettlägerigkeit Prädispositionsfaktoren für eine Obstipation darstellen. Auch eine ballaststoffarme Ernährung ist ein Risikofaktor. Die vermehrte Ballaststoffzufuhr mit der Nahrung erhöht zwar das Stuhlgewicht und die Stuhlfrequenz, dieser Effekt ist jedoch bei Gesunden ausgeprägter als bei Menschen, die an Verstopfung leiden und bei schweren Formen der Obstipation einfach nicht ausreichend. Auch eine vermehrte Flüssigkeitsaufnahme und mehr körperliche Aktivität sind kaum in der Lage, eine bereits bestehende Obstipation zu beseitigen. Der Lebensstil kann also nicht pauschal als Ursache für eine Verstopfung angesehen werden.

Als Prophylaxe- und Begleitmaßnahmen sind all diese gut gemeinten Ratschläge sicher sehr sinnvoll. Daher sollten Sie Ihre Kunden ruhig darauf ansprechen. Reichen die Maßnahmen jedoch nicht aus, ist eine Behandlung mit Laxanzien angezeigt. Die Obstipation darf nicht ignoriert werden. Vor allem durch das starke Pressen kann sie unbehandelt zu Komplikationen, wie einer Schädigung des Nervus pudendus, zur Beckenbodensenkung oder zu Analfissuren, führen. In seltenen Fällen kann es auch zum Ileus, also zum Darmverschluss, kommen.

Laxanzien oder Abführmittel zählen zu den am häufigsten eingenommenen Arzneimitteln. Sie sind, bis auf wenige Präparate, nicht verschreibungspflichtig. Damit sind sie auch nicht verschreibungsfähig. Ausnahmen sind Obstipationen, die im Zusammenhang mit bestimmten Krankheiten, wie beispielsweise Tumorleiden, Divertikulose und Mukoviszidose oder mit einer Opioidbehandlung stehen. Man teilt Laxanzien nach ihrem Wirkungsmechanismus oder nach dem Wirkungseintritt in mehrere Gruppen ein:

Ballaststoffe oder Quellmittel Es sind hochmolekulare Verbindungen, die von unseren Darmenzymen und der -flora nicht oder nur unvollständig abgebaut werden können. Sie bestehen aus löslichen und unlöslichen Komponenten und können wegen ihrer ausgeprägten Hydrophilie größere Mengen Wasser binden. Dadurch quellen sie auf, erweichen den Stuhl, erhöhen Stuhlgewicht und -volumen sowie die Transportgeschwindigkeit im Darm.

 

Unter Leinsamen versteht man die Samen des Flachses (Gemeiner Lein, Linum usitatissimum). Als Zwischenmahlzeit eignet sich zum Beispiel ein Joghurt, in den ein Esslöffel Leinsamen eingerührt wird. Wichtiger Tipp bei allen Malzeiten mit Leinsamen: viel und ausreichend trinken! Foto: © Andre B. / www.fotolia.com

Ballaststoffe sind jedoch nicht osmotisch aktiv, dafür ist ihr Molekulargewicht zu groß. Wichtige Quellmittel sind Flohsamen bzw. Flohsamenschalen und Leinsamen. Der größte Anteil der Ballaststoffe befindet sich beim Flohsamen in der Schale, daher werden die ganzen Samen nur selten eingesetzt. Leinsamen kann im Ganzen oder mit gebrochener Schale, vorgequollen oder unbehandelt, verwendet werden. Die Zerkleinerung des Leinsamens erhöht die Quellung allerdings nur wenig. Wichtig ist bei der Einnahme von Quellmitteln in jedem Fall, dass man genügend dazu trinkt.

Osmotisch wirkende Laxanzien Hier unterscheidet man schwer resorbierbare Salze, auch als salinische Abführmittel bezeichnet, und zuckerähnliche Stoffe. Allen Osmolaxanzien ist gemeinsam, dass sie nur schwer resorbiert werden und der größte Teil bis zur Ausscheidung im Darm bleibt. Sie halten osmotisch bedingt Wasser zurück, wodurch der Stuhl weicher wird und Stuhlgewicht und -volumen steigen. Die bekanntesten Salze sind Glaubersalz (Natriumsulfat) und Bittersalz (Magnesiumsulfat).

Das Kation, also das Natrium- bzw. Magnesiumion, wird zumindest teilweise resorbiert und muss dann über die Niere ausgeschieden werden, daher ist bei Niereninsuffizienz Vorsicht geboten. Der Sulfatrest bleibt im Darm zurück und sorgt für die Wirkung. Die Salze sollen als etwa vierprozentige Lösung eingenommen werden. Das entspricht einer Menge von zehn bis zwanzig Gramm auf einen viertel bis einen halben Liter Wasser.

Die zuckerähnlichen Stoffe, wie Lactulose, Lactitol oder auch Zuckeralkohole, wie Sorbitol, gelangen ebenfalls unverändert in den Dickdarm und binden Wasser. Zum Teil werden sie dort aber auch von Darmbakterien in kürzere Moleküle zerlegt, die die Darmmotorik anregen. Die immer noch sehr häufig verordnete Lactulose ist ein Disaccharid aus Fructose und Galactose. Von der Darmflora wird sie zu Milch- und Essigsäure vergoren. Nebenwirkungen sind besonders zu Therapiebeginn Blähungen durch Gase, die beim enzymatischen Abbau durch die Darmbakterien entstehen. Auch Bauchschmerzen und Übelkeit können dadurch auftreten.

Bei regelmäßiger Lactulosegabe kommt es zur Adaption, das heißt, die lactuloseverdauenden Bakterien vermehren sich durch die gute Versorgung schneller als andere Bakterien und bauen die Lactulose dadurch auch schneller ab. Daher lässt die Wirkung mit der Zeit nach. Bei Obstipationsformen mit einem verlangsamten Transit haben die Bakterien zudem mehr Zeit, die Lactulose zu spalten, weshalb die Wirkung weiter reduziert wird.

Macrogole oder Polyethylenglykole gehören formal auch zu den osmotisch wirksamen Laxanzien. Es sind jedoch hochmolekulare polymerisierte Alkohole, die nur bedingt osmotisch aktiv sind. Die Zahl hinter dem Namen Macrogol, beispielsweise 3350 oder 4000, gibt das mittlere Molekulargewicht an. Durch ihre zahlreichen hydrophilen Ethergruppen binden sie große Mengen Wasser. Sie werden bereits vor der Einnahme in Wasser aufgelöst, dabei quillt das Polymer. Daher ähnelt es vom Wirkungsmechanismus eher den Quellstoffen.

Macrogole werden im Magen-Darm-Trakt nicht abgebaut, gelangen unverändert in den Dickdarm und transportieren das Wasser dorthin, wo die Verstopfung sitzt. Der verhärtete Stuhl wird aufgeweicht und gewinnt an Volumen, wodurch die Peristaltik angeregt wird. Anschließend verlassen die Macrogole den Körper wieder vollständig. Da die Darmbakterien die synthetischen Polymere nicht verstoffwechseln können, kommt es nicht zu einer enzymatisch bedingten Gasentwicklung und damit auch nicht zu Blähungen oder Krämpfen.

Macrogole werden teilweise mit einem Zusatz an Elektrolyten, wie Natrium- und Kaliumsalzen, angeboten. Dies ist dann sinnvoll, wenn das Präparat zur Darmreinigung vor Operationen oder Darmuntersuchungen eingesetzt werden soll. Hier müssen sehr große Mengen Macrogollösung getrunken werden. Die Elektrolyte werden zugesetzt, um eine isotonische Lösung zu erhalten, die gerade auf nüchternen Magen von der Darmschleimhaut besser vertragen wird. Außerdem kann es durch die medizinisch indizierte durchfallartige Abführwirkung zu Elektrolyverschiebungen kommen, die durch die Zusätze ausgeglichen werden sollen. Bei der Anwendung gegen Verstopfung wird wesentlich weniger Macrogol eingenommen. Mit Elektrolytverschiebungen ist nicht hier zu rechnen, sodass der Elektrolytzusatz überflüssig und besonders für Niereninsuffiziente und Hypertoniepatienten, die ohnehin auf ihre Salzzufuhr achten müssen, nicht zu empfehlen ist.

Motilitäts- und sekretionsbeeinflussende Arzneistoffe Die synthetischen Triarylmethanderivate Bisacodyl und Natriumpicosulfat haben eine direkte Wirkung auf die Darmmotilität und lassen gleichzeitig vermehrt Wasser ins Darmlumen einströmen. Dieser Effekt wird als hydragog bezeichnet und beruht auf einer Änderung des Elektrolyttransportes in der Darmschleimhaut. Die Fäzes wird dadurch schneller weiterbefördert und bleibt weich. Bisacodyl reizt den Magen und wird deshalb als dünndarmlösliches Dragee oder Zäpfchen angeboten.

Bei gegebener Indikation gilt heute auch ein langfristiger Einsatz als unproblematisch, sofern die Medikamente bestimmungsgemäß eingesetzt werden. Das Kriterium für die richtige Dosierung ist dabei die Stuhlkonsistenz. Dies ist vom Anwender leicht selbst zu steuern. Ziel ist ein weicher, geformter Stuhl. Dazu ist keine tägliche Einnahme nötig. In der Regel reicht eine Anwendung alle drei Tage. Untersuchungen zeigen, dass dann auch bei einer Einnahme über Jahre hinweg nicht mit Schäden am Darm und auch nicht mit Elektrolytverschiebungen oder Gewöhnungseffekten zu rechnen ist.

Pflanzliche Anthraglykoside aus Sennesblättern, Aloe oder Faulbaumrinde gelangen unverdaut in den Darm, werden dann durch die Darmbakterien in die Wirkformen, die Anthrachinone, überführt, die ebenfalls den Wassereinstrom ins Darmlumen erhöhen und die Motilität steigern. Ihre Wirkung ist mit der von Bisacodyl und Natriumpicosulfat vergleichbar. Die längere Anwendung führt allerdings zu einer charakteristischen schwarzen oder schwarz getigerten Pigmentierung der Darmschleimhaut, der Melanosis coli. Die Verfärbung entwickelt sich innerhalb weniger Monate und kann auch noch Monate nach dem Absetzen bestehen bleiben. Inzwischen ist geklärt, dass dieser Effekt harmlos ist. Dennoch ist der Einsatz anthrachinonhaltiger Pflanzenzubereitungen in den letzten Jahren stark zurückgegangen. Man befürchtete ein toxikologisches Potenzial aufgrund der Veränderungen an der Darmschleimhaut. Als obsolet gelten wegen der ungenauen Dosierung die früher sehr beliebten Tees mit abführenden Drogen.

Neue Arzneistoffe Anfang letzten Jahres kam Prucaloprid (Resolor®), ein neuer selektiver 5-HT4-Rezeptor-Agonist mit enterokinetischen Eigenschaften, auf den Markt. Er erhielt von der europäischen Kommission die Zulassung zur Behandlung der chronischen Obstipation bei Frauen, bei denen die Einnahme aller anderen üblichen Laxanzien nicht zu einem ausreichenden Therapieerfolg geführt hat. 5-HT4-Rezeptoren spielen eine Schlüsselrolle bei der Beeinflussung der Motilität des Gastrointestinaltraktes. Prucaloprid stimuliert die Rezeptoren der Darmwandnerven und löst einen peristaltischen Reflex aus. Dies beschleunigt die Darmpassage und fördert die Durchmischung des Darminhaltes im Dickdarm.

In mehreren Studien wurde gezeigt, dass die tägliche Einnahme von zwei Milligramm die Stuhlfrequenz erhöht, den Stuhl weicher macht und die Notwendigkeit einer starken Bauchpresse bei der Defäkation vermindert. Frauen über 65 Jahre sollten mit einer Dosis von einem Milligramm beginnen. Im Gegensatz zu Cisaprid, einem 5-HT4-Rezeptor-Agonisten, der wegen schwerer kardiovaskulärer Nebenwirkungen wieder vom Markt genommen wurde, scheint Prucaloprid sehr selektiv zu wirken und keine Effekte am Herzen aufzuweisen. Als Nebenwirkungen können jedoch Kopf- und abdominelle Schmerzen, Übelkeit und Durchfälle auftreten. Prucaloprid soll in einem weiteren Schritt auch für die Eignung als Mittel bei chronischer Obstipation von Männern sowie bei opioidinduzierter Verstopfung geprüft werden. Weitere neue Wirkstoffe, die jedoch bisher in Deutschland noch keine Zulassung haben, sind Lubiproston, Renzaprid und Linaclotid.

OBSTIPATION BEI SCHWANGEREN, STILLENDEN UND KINDERN
In der Schwangerschaft ist häufig die Darmperistaltik vermindert, wodurch es zur Verstopfung kommt. Wenn die üblichen Ernährungsratschläge (mehr Ballaststoffe, viel Obst und Gemüse, genug Trinken) nicht ausreichen, dürfen auch Laxanzien genommen werden. Dabei gilt: Je milder, umso besser. Empfehlen Sie zunächst Quellstoffe, wenn dies nicht hilft oder nicht akzeptiert wird, Macrogole oder osmotisch wirkende Zucker oder Zuckeralkohole, eventuell auch Bisacodyl. Anthrachinone sind nicht geeignet. Für die Stillzeit gilt prinzipiell dasselbe. Allerdings sollten Mittel, die zu Blähungen führen, vermieden werden. Verstopfung bei Kindern unter sechs Jahren ist kein Fall für die Selbstmedikation. Hier sollte sich zunächst ein Arzt davon überzeugen, dass keine organische Ursache zu Grunde liegt. Ausnahme: Wenn klar ist, dass der harte Stuhl eines Säuglings auf eine Ernährungsumstellung zurück zu führen ist (z. B. Umstellung von Muttermilch auf Flaschennahrung oder Gabe der ersten halbfesten Beikost) können sie eine kleine Menge Milchzucker als Zusatz zur Nahrung empfehlen. Bei älteren Kindern gilt wie bei Schwangeren und Stillenden: Je milder, umso besser.

Innerhalb von Minuten oder über Nacht Man kann Laxanzien auch nach ihrem Wirkungseintritt unterteilen. Dies ist wichtig, denn viele Kunden, die mit dem Problem Obstipation in die Apotheke kommen, benötigen zunächst ein Mittel, das ihnen schnell Erleichterung verschafft. Bei chronischen Problemen kommen dagegen meist Präparate zum Einsatz, die über Nacht oder erst im Laufe der nächsten Tage wirken.

Am schnellsten, nämlich innerhalb von Minuten, wirken rektal angewandte Laxanzien. Sie können Glycerol oder Sorbitol, schwer resorbierbare Salze oder Bisacodyl enthalten. Es gibt auch Zäpfchen, die Kohlendioxid freisetzen. Bei den oral verabreichten salinischen Abführmitteln hängt der Wirkungseintritt von der Konzentration der Lösung ab. Isotonische Lösungen, die bereits ausreichend Wasser mitliefern, wirken nach etwa zwei bis vier Stunden. In hypertoner Lösung genommen, kann man nach circa acht Stunden mit dem Einsatz der Wirkung rechnen. Die Triarylmethanderivate wirken wie die Anthraglykoside auch, je nach Dosierung, innerhalb von vier bis maximal zwölf Stunden.

Bisacodyl muss zunächst von der Darmflora in die Wirkform überführt werden und benötigt daher etwas mehr Zeit als Natriumpicosulfat. Idealerweise wählt man die Dosierung so, dass die Mittel am Abend eingenommen werden können und die Wirkung dann am nächsten Morgen einsetzt. So kann man den Darm auch leichter zu einer regelmäßigen Entleerung am Morgen erziehen. Quellstoffe wirken erst nach ein bis drei Tagen. Als Soforthilfe sind sie daher ungeeignet. Sie können aber bei chronischer Obstipation regelmäßig zur Prophylaxe eingesetzt werden.

Missbrauch und Fehlanwendung Der Laxanzienmissbrauch spielt in der Risikodiskussion eine sehr große Rolle. Er wird oft fälschlicherweise mit einem chronischen Laxanziengebrauch gleichgestellt. Ein Missbrauch oder Abusus liegt aber nur dann vor, wenn Laxanzien entweder trotz fehlender Indikation, also ohne Obstipation, eingenommen oder bei bestehender Indikation bewusst überdosiert werden. Dieser bewusste Laxanzienabusus muss vom unabsichtlichen Fehlgebrauch durch mangelndes Verständnis der normalen Darmfunktion unterschieden werden. Zur Vermeidung des letzteren Falles können Sie durch Aufklärung beitragen.

Je nach Veranlagung und Essgewohnheiten ist eine Entleerung alle drei Tage noch völlig normal, sofern keine subjektiven Beschwerden wie Völlegefühl, harter Stuhl oder starkes Pressen dazu kommen. Nach einem durch Laxanzien ausgelösten Stuhlgang dauert es ohnehin ein wenig länger. Denn während der Stuhl normalerweise nur aus dem letzten Dickdarmdrittel abgesetzt wird, entleert sich der Dickdarm nach der Gabe oraler Laxanzien komplett. Er braucht dann wieder zwei bis drei Tage, um sich zu füllen. Sämtliche Abführmittel, mit Ausnahme der Quellstoffe und Macrogole, sollen daher nicht täglich, sondern höchstens dreimal pro Woche angewandt werden.

Der eigentliche Laxanzienmissbrauch wird häufig bei jungen, manchmal aber auch bei älteren Frauen beobachtet, die das Abführmittel als Methode zur Gewichtsreduktion ansehen. Auch Personen mit Essstörungen, wie Anorexia nervosa oder Bulimia nervosa, wenden Laxanzien manchmal ohne Indikation und in viel zu hoher Dosierung an. Daneben gibt es auch eine Gruppe von psychisch kranken Menschen, die damit eine schwere chronische Diarrhö induziert, um Aufmerksamkeit und Zuwendung zu erhalten.

ARZNEIMITTEL, DIE ALS NEBENWIRKUNG OBSTIPATION AUSLÖSEN
+ Opiate (unabhängig von der Darreichungsform und auch solche, die als Hustenstiller eingesetzt
   werden, wie Codein)
+ Anticholinergika (trizyklische Antidepressiva, Neuroleptika und Mittel gegen Morbus Parkinson)
+ Antihypertensiva (Kalziumantagonisten und Clonidin)
+ Eisenpräparate
+ Antazida (Kalzium- und Aluminiumhaltige)

In den meisten dieser Fälle erfolgt die Einnahme der Laxanzien heimlich und es werden extreme Überdosen, nicht selten bis zum hundertfachen der normalen Tagesdosis, genommen. Erstaunlicherweise dauert es dennoch sehr lange, bis auffällige Krankheitszustände erreicht werden. Vor allem bei Personen, die gleichzeitig ihre Nahrungsaufnahme einschränken oder ihrem Körper Nahrung und Flüssigkeit durch Erbrechen entziehen, etabliert sich mit der Zeit ein gefährlicher Teufelskreis.

Der durch die Diarrhö entstehende Flüssigkeits- und Elektrolytverlust kann durch die Nahrung nicht wieder ausgeglichen werden. Es kommt zur Hypokaliämie. Die Folge ist eine Gewöhnung durch Abnahme des laxierenden Effektes aufgrund einer hormonellen Gegenregulation. Außerdem kann es durch die Elektrolytverschiebung zu Herzrhythmusstörungen und zu Nierenversagen kommen. Dies sind jedoch extreme Auswüchse, die nichts mit dem therapeutischen Einsatz von Laxanzien bei Obstipation zu tun haben, selbst wenn es notwendig sein sollte, die Medikamente regelmäßig und über Jahre hinweg einzunehmen.

Gut beraten Wenn ein Kunde mit einem konkreten Arzneimittelwunsch oder der Eigendiagnose Obstipation zu Ihnen kommt, sollten Sie Laxanzien nicht ohne nachzufragen und schon gar nicht kommentarlos in großen Mengen abgeben. Zunächst ist, wie bei jedem Beratungsgespräch, zu klären, für wen das Medikament sein soll. Manchmal ergibt sich das bereits daraus, wie der Kunde seinen Wunsch formuliert. Andernfalls müssen Sie nachfragen. Anschließend sollten Sie die Eigendiagnose bzw. den Arzneimittelwunsch hinterfragen.

Stellen Sie offene Fragen nach den vorliegenden Beschwerden und nach Begleitsymptomen. So erfahren Sie gleich, ob der Kunde tatsächlich an Obstipation leidet oder die Situation einfach nur falsch einschätzt, weil er von falschen Vorstellungen ausgeht. Fragen Sie auch, seit wann die Beschwerden vorliegen und wann sie auftreten. Manche Menschen leiden nur auf Reisen oder in Stresssituationen unter Verstopfung, Frauen manchmal kurz vor der Menstruation. Wichtig ist auch zu wissen, ob andere Arzneimittel genommen werden, die eventuell eine Obstipation als Nebenwirkung verursachen. Berichtet der Kunde über Blut- oder Schleimbeimengungen im Stuhl, Krämpfe oder Übelkeit oder einen Wechsel zwischen Verstopfung und Durchfall, dann sind die Grenzen der Selbstmedikation erreicht. Im letzteren Fall kann es sich um ein Reizdarmsyndrom handeln. In allen diesen kritischen Fällen dürfen Sie zwar eine kleine Menge eines Laxans zur Überbrückung abgeben, müssen aber dringend zu einem Arztbesuch raten.

Haben Sie alle wichtigen Informationen gesammelt, stellt sich die Frage nach dem geeigneten Medikament. Benötigt der Kunde eine schnelle Hilfe, weil er schon mehrere Tage nicht mehr auf der Toilette war, dann eignen sich Klistiere oder Zäpfchen, weil die Wirkung hier am schnellsten eintritt. Allerdings akzeptieren nicht alle Kunden die rektale Anwendung. Auch Bisacodyl und Natriumpicosulfat sind gut geeignet. Empfehlen Sie die Einnahme abends, etwa eine Stunde nach der letzten Mahlzeit.

Berichtet der Patient über chronische Beschwerden, so können Sie ihm zur täglichen Einnahme von Quellmitteln raten. Manche der Betroffenen, die schon länger an Obstipation leiden, haben das allerdings schon ausprobiert und sind mit dem Erfolg nicht zufrieden. Ihnen können Sie Macrogole oder Lactulose, aber auch Bisacodyl oder Natriumpicosulfat empfehlen.

Weisen Sie Ihren Kunden auf jeden Fall daraufhin, dass im Falle der letzten beiden Arzneistoffe eine Einnahme alle drei Tage völlig ausreichend ist. Selbst bei Kunden, die schon länger Abführmittel nehmen, kann man nicht davon ausgehen, dass sie das wissen. Manche Menschen denken tatsächlich, wenn sie nicht täglich Stuhlgang hätten, käme es zu einer Art innerer Vergiftung. Galenische Darreichungsformen mit der Möglichkeit der Feinabstufung in der Dosierung und verhindern individuelle Überdosierungen. Das Ziel soll schließlich ein weicher, geformter Stuhl und kein Durchfall sein.

Zuletzt sollten Sie Ihrem Kunden noch unterstützende Informationen mit auf den Weg geben. Dazu gehört, ihn an ausreichendes Trinken, einen geregelten Tagesablauf, genügend Bewegung und eine ballaststoffreiche Ernährung zu erinnern. Er soll außerdem die Notwendigkeit des Abführmittels von Zeit zu Zeit überprüfen. Insgesamt ist der Laxanzienverbrauch in Deutschland in den letzten Jahren zurück gegangen. Dies spricht dafür, dass die Informationen, wie eine Obstipation auch ohne Laxanzien beeinflusst werden kann, zumindest teilweise angekommen sind. Werden die Kriterien für die Indikation und die Anwendung von Laxanzien beachtet, dann handelt es sich um sichere und wirksame Arzneimittel, die Sie mit gutem Gewissen verkaufen können.

Den vollständigen Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 06/11 ab Seite 30.

Sabine Bender, Apothekerin, Redaktion

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