Politik | Ermächtigung
SPAHN UMGEHT APOTHEKENPFLICHT
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Um sich der Coronakrise entgegenzustellen, greift Spahn zu extremen Mitteln: Die von ihm erlassene „Medizinischer Bedarf Versorgungssicherstellungsverordnung“ (MedBVSV) ermächtigt die Bundesregierung dazu, Arzneimittel selbst zu kaufen und in den Verkehr zu bringen. Durch die Feststellung einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite durch den Bundestag am 25. März konnte Spahn dieses Gesetz kurzfristig und ohne Zustimmung des Parlaments beschließen. So wolle er die Versorgung der Bevölkerung sicherstellen, heißt es in der MedBVSV: Engpässe sollen vermieden und Verwaltungsverfahren beschleunigt werden. Betroffen sind Arzneimittel, deren Wirk-, Ausgangs- und Hilfsstoffe, auch Betäubungsmittel, Medizinprodukte, Labordiagnostika, Hilfsmittel, Schutzausrüstung und Desinfektionsmittel.
Gesetze ausgehebelt
Damit setzt er 16 Regelungen des Apothekengesetzes außer Kraft, unter anderem die Apothekenpflicht, das Einfuhrverbot, Preise und die Gefährdungshaftung. Im Detail sieht Spahns Verordnung nämlich vor, die Verteilung der Produkte des medizinischen Bedarfs durch die Bundesregierung zu steuern: Sie darf Arzneimittel laut Verordnung zentral beschaffen, lagern, herstellen und selbst in den Verkehr bringen. Behörden „benötigen insoweit keine weiteren Erlaubnisse nach dem Arzneimittelgesetz und sind auch nicht an den im Arzneimittelrecht geltenden Vertriebsweg gebunden“, heißt es in der Eilverordnung. Auch die gesetzlichen Vorschriften zu Kennzeichnung und Zulassung der Arzneimittel gelten für die Regierung nicht, ebenso wenig die Gefährdungshaftung und die Pflicht zur Deckungsvorsorge, die sonst bei der Zulassung von neuen Wirkstoffen eine enorme Rolle spielen.
Nicht verkehrsfähige Arzneimittel
Beim Import aus dem Ausland darf aus Zeitgründen die Umverpackung, Kennzeichnung und die Packungsbeilage in deutscher Sprache entfallen. Abhängig von der Versorgungslage darf der Bund auch auf bereits verfallene Arzneimittel zurückgreifen. Auch nichtzugelassene Medikamente kann die Regierung in Umlauf bringen, sofern sie die vorhandenen Daten sorgfältig prüft und nach wissenschaftlichen Erkenntnissen ein positives Nutzen-Risiko-Verhältnis erwartet. Für die Gute Herstellungspraxis von Arzneimitteln, Anforderungen an sachkundige Personen, Chargenprüfung und weitere Vorschriften ermöglicht die Eilverordnung Ausnahmen, wenn Arzneimittel dringend benötigt werden.
Immerhin: Beschließt die Regierung, die von ihr beschafften Produkte über den pharmazeutischen Großhandel in Verkehr zu bringen, so ist es dem Großhandel erlaubt, die Produkte anzunehmen. Weiterhin wolle dafür gesorgt werden, dass die Abgabe an den Verbraucher unter der Verantwortung von Apothekern und Ärzten geschieht, auch wenn die Ministerien durch die Verordnung von dieser Pflicht befreit sind.
Die entsprechende Gesetzesverordnung zu dieser Ermächtigungsgrundlage ist am Mittwoch, 27. Mai, verabschiedet worden - die "Verordnung zur Sicherstellung der Versorgung der Bevölkerung mit Produkten des medizinischen Bedarfs bei der durch das Coronavirus SARS-CoV-2 verursachten Epidemie", kurz MedBVSV. Ob und wann das Gesundheitsministerium davon Gebrauch machen wird, ist noch nicht absehbar. Die ABDA sieht darin keine Schwierigkeiten für Apotheken.
Quelle: Deutsche Apotheker Zeitung
Gesa Van Hecke,
PTA und Redaktionsvolontärin
Quelle: apotheke adhoc