Schon mal da gewesen?
ANDERE ORTE UND BESONDERE ORTE
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Die Journalistin und Schriftstellerin Meike Winnemuth bekommt verlässlich von November bis März ihre Krisen. Und weiß, was dann zu tun ist: „Wenn es mir mies geht, wenn ich nicht mehr weiter weiß, wenn ich eine wichtige Entscheidung treffen muss, wenn ich mal wieder an allem zweifele, fahre ich ans Meer… Meist genügt ein Wochenende, an dem ich dick eingepackt endlos vergrübelte Strandwanderungen in Gummistiefeln mache, mir dabei von Herzen leidtue und ein bisschen vor mich hinheule.“ Ost- und Nordsee machen ihr dann immer wieder klar: „Vor mir liegt ein Ozean von Möglichkeiten.“
Für den taz-Journalisten Martin Reichert ist die Gegend rund ums Kottbusser Tor in Berlin-Kreuzberg ein besonderer Ort, auch wenn andere dort eine Krise kriegen: Weil am Kotti „alles aufeinandertrifft, was den Reiz Berlins ausmachen kann. Im queeren gastronomischen Gesamtkunstwerk Südblock zum Beispiel sitzt die migrantische Großfamilie Tisch an Tisch mit LGBTI-Menschen, ohne dass gleich eine Podiumsdikussion daraus wird. In den türkischen Restaurants am Platz bekommt man einen Döner, der seinen Namen auch verdient.“
Reichert gefällt am Kotti noch mehr, für ihn zählt dort: „Weniger Sicherheit und Sauberkeit, mehr Saus und Braus.“
Wo andere auftanken
Zufluchtswinkel, Freiraum, Aussichtspunkt: Um ganz besondere Zielorte von Menschen geht es beim Projekt „Andere Orte“. Die Ostsee und das Kottbusser Tor zählen dazu. „Das Leben führt jeden Menschen an verschiedene Orte, die für ihn bedeutsam werden. Die dort gesammelten Erfahrungen gestalten eine Landschaft der Empfindungen, die für jeden einzigartig ist“, schreibt das Andere-Orte-Team. „Und doch lassen sich viele Erfahrungen teilen. Was die eine am Bodensee erlebt, hat der andere am Mittelmeer empfunden.“
„Andere Orte“: Das ist Homepage plus interaktive App plus Buch. Homepage und App kann man nutzen, um besondere Orte ausfindig zu machen, die andere Menschen schon deutschlandweit kartiert haben. Oder um einen eigenen besonderen Ort für andere zu beschreiben. Wie beispielsweise Userin Maren. Sie nutzt den botanischen Garten in Kassel als Pausenort: „Es gibt viele lauschige, teils versteckte Plätze zum Sitzen.“
Userin Arima weitet ihren Blick an der Elbe in Dresden: „Eine noch immer gültige Bauordnung besagt, dass die Elbwiesen unbebaut bleiben müssen. Deshalb fließt der Fluss in naturnaher, grüner Landschaft.“ Userin Ulrike tankt Kraft auf dem Rundwanderweg Rhein-Wisper-Glück mit besonderen Aussichten und urwüchsigen Wäldern.
Und waren Sie dort auch schon?
Gedankenreisen kosten nichts Im Buch „Andere Orte“ sind nur teilweise konkrete Landschaften, Orte oder Strände das Thema. Es bildet vielmehr den gedanklichen Hintergrund ab. Die dafür zusammengestellten Texte und Gedichte von sehr bekannten wie eher unbekannten Autoren thematisieren vor allem Erfahrungen von Menschen mit für sie besonderen Glücksorten, Trostplätzen, Anstoßecken. Schnell ist man zumindest mit dem Kopf ganz woanders. Denn wer musste nicht schon einmal eine Durststrecke hinter sich bringen oder hat einen besonderen Heimathafen?
Andere Orte
168 Seiten, gebunden, mit Halbleinen-Einband und Lesebändchen, 11,50 Euro, zzgl. Versandkosten bestellbar unter: www.anderezeiten.de. Verantwortlich für Buch, Homepage und App (Andere Orte) ist der Verein „andere Zeiten“. Er will mit seinen Aktionen und Angeboten die Bedeutung des Kirchenjahres vermitteln. Seine Angebote nutzen auch Menschen, die nicht konfessionell gebunden, aber spirituell interessiert sind.