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Kopfschmerz

SCHLAG AUF SCHLAG

Es ist eines der häufigsten Beschwerdebilder, das Kunden in der Apotheke beschreiben. Die Ursachen sind vielfältig. PTA und Apotheker haben die Verantwortung, sorgfältig die Grenzen der Selbstmedikation auszuloten und umfassend zu beraten.

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Die Beratung von Kopfschmerzpatienten ist Alltag in Apotheken. Eine Befragung unter Apothekenmitarbeitern kommt zu dem Schluss, dass der typische Betroffene jung, berufstätig und Gelegenheitskäufer ist. Diese Menschen sind nur selten mit ihren Daten in der Kundenkartei der Apotheke gespeichert. In diesen Fällen ist deshalb ein ausführliches Anamnesegespräch sehr wichtig, um mögliche Risiken der Patienten zu erfragen und individuell und bedarfsgerecht zu beraten. Selbst bei eiligen Kunden sollten zwei bis drei Fragen zur Sicherung der Beratungsqualität immer möglich sein.

Klassifikation Verbindliche Kriterien zur Diagnosestellung bei Kopfschmerz sind in den Internationalen Klassifikationen von Kopfschmerzerkrankungen beschrieben. Danach werden 91 Subtypen von Kopfschmerzen und etwa 200 Unterformen unterschieden. Zu den primären Arten, die nicht aufgrund einer Vorerkrankung entstehen, zählen unter anderem die Migräne, der Kopfschmerz vom Spannungstyp und der Cluster-Kopfschmerz.

Von einer sekundären Kopfschmerzerkrankung sprechen Experten, wenn der Kopfschmerz auf eine andere Erkrankung zurückzuführen ist, zum Beispiel Gefäßstörungen, Beschwerden im Wirbelsäulenbereich oder als Co-Symptom bei psychischen Erkrankungen. Der Cluster-Kopfschmerz ist charakterisiert durch eine streng einseitige kurzfristige Symptomatik, häufig wiederkehrend. Er tritt mit etwa ein bis drei Betroffenen pro 10 000 Menschen seltener auf als die Migräne. Betroffene beschreiben den kaum auszuhaltenden Schmerz als bohrend oder brennend „wie ein glühendes Messer“. Lokalisiert ist der Schmerz im Augen- und Schläfenbereich.

KINDER
Kopfschmerzen im Kindesalter erfordern ein besonderes Fingerspitzengefühl in der Beratung. Untersuchungen zeigen, dass bereits jeder fünfte Schüler unter gelegentlichen oder häufig wiederkehrenden Kopfschmerzen leidet. Bei Kindern ist die Diagnosestellung viel schwieriger als bei Erwachsenen. Migräne-Attacken bei Kindern haben zum Beispiel häufig ein anderes Symptombild. Außerdem haben Kinder Schwierigkeiten, die Beschwerden klar zu definieren. Deshalb sollten Kopfschmerzen bei Kindern immer erst durch den Arzt abgeklärt werden. Schließlich können Kopfschmerzen immer auch ein Begleitsymptom einer anderen Erkrankung (Meningitis, Augenerkrankung, etc.) sein. Klassische Wirkstoffe zur Therapie bei Kindern sind Ibuprofen (10 Milligramm pro Kilogramm Körpergewicht) und Paracetamol (15 Milligramm pro Kilogramm Körpergewicht).

Die Auslöser für den Cluster-Kopfschmerz sind zum Beispiel der Genuss von Alkohol, Stress oder Histamin. Cluster-Kopfschmerzen gehören in die Therapie des Arztes. Orale Triptane und nichtsteroidale Antirheumatika sind oftmals nicht wirksam. Die am häufigsten vorkommenden Formen sind der Spannungskopfschmerz, die Migräne und der Schmerzmittel induzierte Kopfschmerz, der auf einem Übergebrauch an Analgetika beruht.

Der Spannungskopfschmerz, der junge wie alte Menschen, Frauen wie Männer gleichermaßen treffen kann, wird von den betroffenen Patienten mit dem Gefühl umschrieben, „einen beengenden Reif um den Kopf zu tragen“. Der Schmerz umfasst den gesamten Kopf, die Symptomatik ist immer beidseitig. Die Schmerzen verstärken sich unter normaler körperlicher Belastung, wie Treppensteigen oder Spazierengehen nicht. Es gibt keine begleitende Übelkeitssymptomatik. Auslöser sind zum Beispiel fieberhafte Infekte, Schlafmangel, Verspannung der Muskulatur, Stress oder eine Sehschwäche.

Typischerweise tritt der Spannungskopfschmerz unter physischer oder psychischer Belastung auf. Die Dauer des Schmerzerlebnisses ist nicht begrenzt, sie kann zwischen 30 Minuten und mehreren Tagen liegen. Menschen, die häufig unter Spannungskopfschmerz leiden, haben ein erhöhtes Risiko für eine Chronifizierung der Schmerzen.

Migräne leitet sich vom griechischen Hemikranion, halber Schädel, ab. Die Prävalenz beträgt zehn Prozent, besonders Frauen sind betroffen. Die Migräne lässt sich sehr gut vom Spannungskopfschmerz abgrenzen. Sie tritt meistens einseitig auf, dauert nie länger als drei Tage und hat einen pulsierenden, pochenden Schmerzcharakter. Unter körperlicher Belastung verstärken sich die Beschwerden. Der Schmerz während eines Migräneanfalls wird deutlich intensiver empfunden als der Spannungskopfschmerz.

Ein weiterer ist die Begleitsymptomatik (Übelkeit, Licht- und Lärmempfindlichkeit) während einer Migräneattacke. Etwa 10 bis 15 Prozent der Patienten haben eine Aura. Sie tritt unmittelbar vor der Attacke auf und ist charakterisiert durch neurologische Ausfallerscheinungen, häufig Sehstörungen, aber auch Sprach- oder Sensibilitätsstörungen. Risikofaktoren für eine Migräneattacke sind die Menstruation bei Frauen, häufiger Alkoholkonsum, Stress und psychische Erkrankungen.

Wann zum Arzt? Prinzipiell können der Kopfschmerz vom Spannungstyp und die Migräne mit oder ohne Aura in der Selbstmedikation behandelt werden. Sekundäre Kopfschmerzarten sind dafür nicht geeignet. Befürchten Apotheker und PTA aber eine Chronifizierung des Schmerzes, den schmerzmittelinduzierten Kopfschmerz oder eine unklare Ursache, ist der Arztbesuch anzuraten. Kopfschmerzen werden als chronisch eingeordnet, wenn sie öfter als an 15 Tagen im Monat und länger als 3 Monate auftreten.

»In die Empfehlung für ein Medikament sollte auch dessen galenische Besonderheit mit einfließen.«

Bei besonderen Begleitsymptomen, zum Beispiel hohes Fieber, Schwindel, Gedächtnisstörungen etc,. ist ebenfalls der Arzt aufzusuchen. Klagen Kinder über Kopfschmerz, ist das kein Fall für die Selbstmedikation. Bei Schwangeren sollten immer Begleitsymptome abgefragt werden, denn Kopfschmerzen können auch im Rahmen einer Schwangerschaftsgestose oder bei Bluthochdruck auftreten.

Nicht-opioide Analgetika Zur Behandlung des Kopfschmerzes im OTC-Bereich werden ausschließlich nicht-opioide Analgetika verwendet. Diese werden chemisch in saure und nicht-saure Wirkstoffe unterschieden. Die sauren nicht-steroidalen Antirheumatika (NSAR) wie Acetylsalicylsäure, Ibuprofen, Diclofenac und Naproxen reichern sich besonders in entzündeten Geweben an, wo ein eher saurer pH-Wert vorliegt. Damit ist die antientzündliche Wirkkomponente dieser Arzneistoffe begründet. Nicht-saure Analgetika wie Paracetamol haben diese Wirkqualität nicht in dem Maße und verteilen sich eher gleichmäßig im ganzen Körper.

Die Wirkungen der klassischen NSAR – analgetisch, antipyretisch und antiinflammatorisch - beruhen auf der Hemmung der Cyclooxygenase (COX) 1 und 2, den Enzymen, die an der Prostaglandinbiosynthese maßgeblich beteiligt sind. Dabei unterscheiden sich die einzelnen Analgetika in ihrer Affinität zu den Bindungsstellen der COX-1 und der COX-2. Die schmerzstillende Wirksamkeit nimmt mit Steigerung der Affinität zur COX-1 hin zu.

Vorsicht Nebenwirkungen Prostaglandine sind Botenstoffe, die für die Schmerzweiterleitung, die Entzündungshemmung, den Schutz der Magenschleimhaut, der Regulation von Blutdruck und Atmung verantwortlich sind. Eingriffe in die Biosynthese gehen also auch neben der gewünschten analgetischen und antientzündlichen Wirkung mit möglicherweise unerwünschten anderen Effekten einher, zum Beispiel gastrointestinalen Problemen. Diese Nebenwirkungen treten abhängig von der Dauer und Dosis der Einnahme des jeweiligen nichtsteroidalen Antirheumatikums auf.

WERDENDE MÜTTER
In Schwangerschaft und Stillzeit ist ebenfalls eine sorgfältige Abklärung der Kopfschmerzursache notwendig. Zum Beispiel im Rahmen einer Präeklampsie treten Kopfschmerzen als eines der typischen Leitsymptome auf. Vorsorglich sollte in der Apotheke die Messung des Blutdrucks immer angeboten werden, wenn eine Schwangere für sich Kopfschmerztabletten kaufen möchte. Ansonsten hängt der Einsatz der Wirkstoffe von der jeweiligen Schwangerschaftsphase der Frau ab. Während Paracetamol in der gesamten Schwangerschaft eingenommen werden darf, sind Ibuprofen und ASS im dritten Trimenon kontraindiziert und im ersten Trimenon nur unter strenger Indikationsstellung einsetzbar, die zweite Wahl hinter Paracetamol.

Bestehen bereits kardiovaskuläre Vorerkrankungen beim Patienten, sollte eine regelmäßige Einnahme von NSAR besser mit ärztlicher Rücksprache erfolgen. Diclofenac hat unter den sauren Analgetika das höchste kardiovaskuläre Risiko. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang auch die Wechselwirkung mit Antihypertonika. Die blutdrucksenkende Wirkung wird bei regelmäßiger gleichzeitiger Einnahme von NSAR reduziert. Nur mit Vorsicht und niedrig dosiert sollten NSAR bei niereninsuffizienten Personen eingesetzt werden.

Für Patienten mit den Kontraindikationen Ulcus, Asthma bronchiale, KHK, Einnahme von Antikoagulanzien und Niereninsuffizienz ist Paracetamol als nicht-opioides Analgetikum das Mittel der Wahl. Paracetamol blockiert die COX-2, nicht aber die COX-1. Die maximale Tagesdosis beträgt vier Gramm und sollte aufgrund lebensbedrohlicher Leberschäden nicht überschritten werden.

Triptane Zur Behandlung der Migräne zählen Triptane – 5-HT1B/1D- Rezeptoragonisten – zu den Therapeutika der ersten Wahl. Etwa 80 Prozent der Migräneattacken lassen sich erfolgreich mit Triptanen durchbrechen. Sie wirken vasokonstriktiv an den Gefäßen des Gehirns, entzündungshemmend und unterbrechen die Schmerzweiterleitung.

Für die rezeptfreie Abgabe an Erwachsene zwischen 18 und 65 Jahren, nach der Erstdiagnose der Migräne durch einen Arzt stehen Naratriptan und Almotriptan zur Verfügung. Im Beratungsgespräch sollte daher nach der genauen Symptomatik der Migräne und der bisherigen Therapie gefragt werden. Bei Nicht-Migräne-Kopfschmerz sind Triptane nicht wirksam. Sie werden idealerweise sofort zu Beginn der Kopfschmerzphase eingenommen.

WOCHENEND-BLUES
Kaffee ist ein beliebtes Getränk am Arbeitsplatz und wird oft auch in großen Mengen getrunken. Fällt diese Koffeinzufuhr ab Samstag plötzlich weg, können sich Kopfschmerzen, Müdigkeit, grippeähnliche Symptome, aber auch Nervosität, Zittrigkeit oder Ruhelosigkeit einstellen. Bevor hier zu Schmerzmitteln gegriffen wird, bietet sich daher ein Hinterfragen der Kaffeegewohnheiten Ihres Kunden an. Stellt dieser dann zudem fest, dass die Zufuhr einer oder mehrerer Tassen Kaffee die Symptome beseitigt, liegt die Lösung nahe, dass die geschilderten Beschwerden tatsächlich „nur” durch einen Koffeinentzug entstanden sind.

Die Tabletten werden unzerkaut geschluckt. Innerhalb von 24 Stunden darf maximal eine zweite Einzeldosis eingenommen werden. Wegen unzureichender Erfahrungen in Schwangerschaft und Stillzeit dürfen Triptane dann nur nach strenger Indikationsstellung des Arztes abgegeben werden. Wechselwirkungen können unter anderem mit Serotonin- Wiederaufnahme-Hemmern, Mutterkornalkaloiden, Lithium und anderen Triptanen auftreten. Kontraindiziert sind Triptane bei KHK, Bluthochdruck und Gefäßerkrankungen.

Leitliniengerecht beraten Um einen Kopf- oder Migräne-Patienten umfassend zu beraten und das richtige Medikament abzugeben, sollten die Leitlinien der Fachgesellschaften als Basis der Beratung herangezogen werden.

Bei akuter Migräneattacke mit oder ohne Aura gelten folgende Wirkstoffe oder Kombinationen in entsprechender Dosierung als erste Wahl:

  • Acetylsalicylsäure (900 bis 1000 Milligramm)
  • Ibuprofen (400 Milligramm)
  • Naratriptan (2,5 Milligramm)
  • Paracetamol (1000 Milligramm)
  • Phenazon (1000 Milligramm) sowie
  • zwei Tabletten der Kombination aus Acetylsalicylsäure (250 bis 265 Milligramm), Paracetamol (200 bis 265 Milligramm) und Koffein (50 bis 65 Milligramm).

Beim Spannungskopfschmerz hingegen sind

  • Acetylsalicylsäure (1000 Milligramm)
  • Ibuprofen (400 Milligramm)
  • Diclofenac (12,5 bis 25 Milligramm)
  • zwei Tabletten der Kombination aus Acetylsalicylsäure (250 bis 265 Milligramm)
  • Paracetamol (200 bis 265 Milligramm) und Koffein (50 bis 65 Milligramm)
  • zwei Tabletten der fixen Kombination aus Paracetamol (500 Milligramm) und Koffein (65 Milligramm) die erste Wahl der Behandlung.

Vorbeugung Treten Kopfschmerzoder Migräneepisoden ständig wiederkehrend auf, sollten Prophylaxemaßnahmen eingeleitet werden. Medikamentös gelten Metoprolol und Bisoprolol sowie der Kalziumkanalblocker Flunarizin und die Antiepileptika Topiramat und Valproinsäure als erfolgreiche Mittel zur Prävention. Um die Ursachen der Beschwerden wie Stress, Lärm oder Licht zu identifizieren, sollte einige Wochen lang ein Kopfschmerztagebuch geführt werden, bevor der Patient die Therapie mit dem Arzt bespricht.

Neben den medikamentösen Maßnahmen sollten Apotheker und PTA bei der Beratung auf nicht-medikamentöse Maßnahmen hinweisen. Dazu gehören Stressabbau, gesunde und ausgewogene Ernährung, Bewegung und Entspannungsübungen. Genussmittel wie Alkohol und Nikotin sollten ebenfalls gemieden werden. Stressbewältigungsstrategien sind die Muskelentspannung nach Jacobsen, aber auch das Einhalten eines strukturierten Tagesablaufs bezüglich der Mahlzeiten und Schlafenszeiten. Am erfolgreichsten ist eine multimodale Therapie: Kombination von medikamentösen und nicht-medikamentösen Maßnahmen zur Prophylaxe und Akuttherapie.

Patientengerecht auswählen Welches Kopfschmerzmittel für den Betroffenen geeignet ist, entscheidet sich erst, wenn PTA und Apotheker sich über die individuellen Risiken (andere Medikamente, Nieren- oder Leberinsuffizienz, Unverträglichkeiten) und Bedürfnisse überzeugt haben. In die Empfehlung für ein Medikament sollte auch dessen galenische Besonderheit mit einfließen. Der eine Patient bevorzugt eine normale Tablette oder eine Brausetablette, der andere mag lieber ein Trockengranulat, das ohne Wasser auch unterwegs eingenommen werden kann.

Eine sorgfältige nutzenorientierte Beratung und Erläuterung der Einnahme und Dosierung sollte die Abgabe eines Kopfschmerzmittels begleiten. Abschließend sollten PTA und Apotheker ihren Kunden ein paar Tipps für die Prophylaxe mitgeben. Gute und aktuelle Informationen finden interessierte Laien und Fachpersonen auf der Seite der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft www.dmkg.de .

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 02/15 ab Seite 14.

Dr. Katja Renner, Apothekerin

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