Ein Axon während der neuronalen Aktionspotenzialübertragung© libre de droit / iStock / Getty Images Plus
Die Synapsenmembran übernimmt eine wichtige Rolle bei der Weiterleitung elektrischer Signale.

Schizophrenie

AUTOANTIKÖRPER LÖSEN PSYCHOSE AUS

Hypothesen gibt es einige, doch den wahren Auslöser einer Schizophrenie hat man bislang noch nicht entdeckt. Forschende der Universität Tokio schlagen nun einen neuen Erklärungsansatz vor: Eine Autoimmunreaktion könnte verantwortlich für die Psychose sein.

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Bei einer Autoimmunreaktion greift das Immunsystem fälschlicherweise körpereigene Strukturen an und ruft so eine (chronische) Entzündungsreaktion an unterschiedlichen Zielorganen hervor. Rheumatoide Arthritis, Typ-1-Diabetes oder Multiple Sklerose hat man bereits als Autoimmunerkrankung identifiziert.

Kann eine solche Immunreaktion auch eine schizophrene Psychose auslösen? Für das Krankheitsbild fand sich noch keine richtige Erklärung. Etwa 25 auf 10 000 Einwohner Deutschlands leiden plötzlich unter Realitätsverlust, Wahnvorstellungen, Störungen des Denkens, der Sprache und der Gefühlswelt. Eine genetische Vorbelastung soll sicher eine Rolle spielen, doch müssen mehrere Faktoren zusammenkommen, um die Krankheit auszulösen.

Findet sich der Schlüssel zur Schizophrenie in der DNA?

Einen solchen genetischen Faktor, genauer eine Mutation, beobachtete man bereits in einer Region der MHC-Gene. Diese DNA-Abschnitte codieren die MHC-Proteinkomplexe, die sich beispielsweise auf der Oberfläche von Leukozyten finden und körpereigene Zellen für das Immunsystem als „unschädlich“ markieren. Die MHC-Mutation verbindet man mit einem hohen Schizophrenie-Risiko. Zudem weiß man von anderen Autoantikörpern, dass sie wichtige Moleküle der Synapsenmembran angreifen.

„Einige der für diese Moleküle spezifischen Auto-Antikörper verursachen psychotische Symptome bei Patienten mit Gehirnentzündung“, erklären Hiroki Shiwaku von der Medizinischen Universität Tokio und sein Team. Sie starteten daraufhin eine Studie, in der sie das Blutserum und die Rückenmarksflüssigkeit von 232 Schizophrenie-Patient*innen auf Synapsen-assoziierte Autoantikörper untersuchten.

Kontaktstelle der Nervenzellen im Visier

Störungen an der Synapsenmenbran können die Signalweiterleitung zwischen zwei Synapsen erschweren oder gar unterbrechen – sie gilt als wichtige Kontaktstelle. Damit die Membran wächst und funktioniert, sind verschiedenen Synapsen-Moleküle nötig. Eines davon heißt NCAM1. Und genau dieses wird laut Hiroki und seinem Team von einem Auto-Antikörper attackiert, den sie im Blut beziehungsweise der Rückenmarksflüssigkeit ihrer Proband*innen fanden – und zwar bereits in einem frühen Krankheitsstadium: Er stört die Freisetzung und die Produktion von NCAM1. „Wir haben diese Auto-Antikörper allerdings nur bei zwölf unserer Schizophrenie-Patienten gefunden, das deutet darauf hin, dass sie nur bei einer Untergruppe der Schizophrenie-Fälle die Auslöser sind“, sagt Shiwaku.

Mäuse entwickelten nach Injektion Psychose

Zufall oder Zusammenhang? Um das herauszufinden injizierten die Forschenden den identifizierten Auto-Antikörper gesunden Mäusen. „Die Ergebnisse waren beeindruckend“, berichtet Seniorautor Hidehiko Takahashi, „Schon nach kurzer Zeit zeigten die Mäuse Veränderungen in ihrem Verhalten und in den Synapsen, die denen bei Menschen mit Schizophrenie ähnelten.“ So zeigten die Nagetiere Lernstörungen und veränderte Angstreaktionen. Gewebeproben aus dem frontalen Cortex wiesen Neuronen mit weniger Synapsen und dendritische Fortsätzen auf. „Eine solche Reduktion wurde auch bei Patienten mit Schizophrenie beobachtet“, schreiben die Forschenden.

Die Beobachtungen machen NCAM1 zumindest für bestimmte Schizophrenie-Betroffene zu einem heißen Kandidaten für neue Therapieansätze. Weitere Untersuchungen sollen dies nun validieren. Das Team möchte zudem seine Suche nach weiteren Auto-Antikörpern fortsetzen.

Quelle: Scinexx

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