Chronisches Erschöpfungssyndrom
ABSOLUT AUSGELAUGT
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Das chronische Erschöpfungssyndrom (Chronic Fatigue Syndrome, CFS) ist vielgestaltig. Die schwere neuroimmunologische Erkrankung sorgt zum einen für langanhaltende Erschöpfungszustände, zum anderen für leichte Erschöpfbarkeit – ein Teufelskreis. Außer Müdig- und Kraftlosigkeit gehören auch Schlafstörungen, Schmerzen, Depressionen, Panikattacken, Magen-Darm-Beschwerden, Kurzatmigkeit, Herz-Kreislauf-Beschwerden, Gedächtnisstörungen und eine erhöhte Infektanfälligkeit zu den typischen Beschwerden. Die Entkräftung kann bis hin zu weitreichenden Behinderungen und Pflegebedürftigkeit führen. Die Ursachen der Krankheit sind unklar, oft geht eine Infektion mit Epstein-Barr-Viren, Enteroviren oder Lyme-Borreliose voraus, auch Verletzungen, Operationen und Entbindungen sind schon Auslöser gewesen sowie belastende Ereignisse wie der Tod einer nahestehenden Person.
Von allen Seiten Wie genau CFS zu definieren ist, darüber sind Ärzte sich international uneinig. Fest steht aber, dass die Krankheit gleich mehrere Organsysteme betrifft. Zum einen ist die Reaktion auf körperliche Belastung im Vergleich zu Gesunden verändert: Für die Betroffenen hat sie keinen belebenden Effekt und führt zu einer höheren Schmerzempfindlichkeit. Die Blutversorgung des Gehirns ist niedriger als gewöhnlich und das Herz weniger leistungsfähig. Auch die Sauerstoffversorgung der Muskeln ist eingeschränkt, möglicherweise durch Veränderungen an den Mitochondrien. Zum anderen zeigt das Immunsystem Auffälligkeiten: Sowohl entzündungsvermittelnde als auch -hemmende Botenstoffe werden bei CFS aktiviert. Einige sind stark erhöht, andere vermindert – das Zusammenspiel ist beeinträchtigt.
Des weiteren sind im Hormonsystem Veränderungen festgestellt worden. Und schließlich zeigten sich auch in Gehirnscans Abweichungen, allerdings dermaßen viele und so unterschiedlicher Art, dass sich daraus noch keine Rückschlüsse ziehen ließen. Die weltweit verschiedenen Ansichten darüber, wann CFS vorliegt, sowie die große Anzahl an Beschwerden, die jede für sich aber auch andere Ursachen haben könnte, erschweren die Diagnosestellung. Auch gibt es keine gezielten Tests oder Untersuchungen zum chronischen Erschöpfungssyndrom, ein Arzt schließt also so lange andere Krankheiten aus, bis nur noch CFS in Frage kommt. Schätzungsweise 80 Prozent der Betroffenen haben Schwierigkeiten, überhaupt eine Diagnose zu erhalten.
Symptomorientierte Therapie Die Schweregrade, in die die Erkrankung eingeteilt ist, vermitteln einen Eindruck vom Alltag der Betroffenen: Leicht: eine etwa 50-prozentige Verminderung des Aktivitätsniveaus. Moderat: meist ans Haus gefesselt. Schwer: meist ans Bett gefesselt. Sehr schwer: vollständig ans Bett gefesselt und bei grundlegenden Tätigkeiten auf Hilfe angewiesen. Eine Therapie zur Wiederherstellung der Belastbarkeit gibt es noch nicht. Die Behandlung richtet sich nach den einzelnen Symptomen, so werden Schlafmittel und Antidepressiva, Schmerzmittel und, bei bakteriellen Infekten, Antibiotika häufig eingesetzt. Ein geregelter Tagesablauf und Entspannungstechniken sind empfehlenswert. Auch Selbsthilfeorganisationen wie Fatigatio e.V. bieten Hilfestellungen und Hinweise zum Umgang mit der Krankheit.
Unkenntnis als Problem Lange wurde angenommen, dass die Patienten, nachdem sie durch einen Infekt oder eine Verletzung bettlägerig geworden sind, sich Belastungen nicht mehr zutrauen, dass CFS also psychologischen Ursprungs sei. Diese Vermutung wurde mittlerweile überholt, das chronische Erschöpfungssyndrom gilt als körperliche Erkrankung. Dennoch zielt ein oft verwendeter Therapieansatz darauf ab, die Betroffenen durch Verhaltenstherapie und Bewegung zu animieren. Für die Betroffenen kann dies fatale Folgen haben: Durch die erzwungene Anstrengung verschlimmern sich ihre Beschwerden teilweise sogar. Neben dem mangelhaften Kenntnisstand vieler Ärzte und fehlenden Fachzentren bemängeln die etwa 300 000 Patienten in Deutschland auch die Namensgebung der Krankheit.
„Chronisches Erschöpfungssyndrom“ oder auch „Chronisches Müdigkeitssyndrom“ verharmlose die Schwere der Erkrankung. In Großbritannien und Skandinavien hat sich der Begriff „myalgische Enzephalitis“ etabliert, der eine Beteiligung der Muskeln und eine Entzündung von Gehirn und Rückenmark beschreibt. Das US-amerikanische Institute of Medicine schlägt eine Umbenennung in „systemische Belastungsintoleranz-Erkrankung“ (Systemic Exertion Intolerance Disease, SEID) vor. Unabhängig davon, welchen Namen die Krankheit langfristig tragen wird, schränkt sie das Leben der Betroffenen erheblich und meist über Jahre hinweg ein. Eine vollständige Erholung erfolgt nur bei fünf Prozent der Betroffenen, eine immerhin teilweise Erholung bei 40 Prozent, dennoch kann ein Großteil nicht mehr am Berufsleben teilnehmen und ist auf Hilfe oder Pflege angewiesen.
Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 05/2020 ab Seite 78.
Gesa Van Hecke, PTA/Redaktionsvolontärin