Mikrobiom | Verlauf
NEISSERIA-BAKTERIUM IM RACHEN HILFT, COVID-19 ZU ÜBERLEBEN
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SARS-CoV-2-Infektionen verlaufen so unterschiedlich wie Tag und Nacht. Sie werden bestimmt von der Reaktion des Menschen auf den Erreger. Doch wovon hängt die ab? Zunächst richtete man den Blick auf das Darmmikrobiom. Denn die Risikofaktoren wie hohes Alter, Diabetes oder Adipositas stehen ebenfalls in Zusammenhang mit dem Bakterienteppich in unserem Darm.
Bakteriengeflechte im Darm
Man wollte also herausfinden, inwieweit das Darmmikrobiom als Biomarker für einen schweren COVID-19-Verlauf geeignet ist – und wie die Krankheit die Zusammensetzung desselben verändert. Letzteres kann entweder indirekt (über systemische Entzündungsreaktionen) oder direkt durch eine Infektion im Darm selbst erfolgen.
Die Interaktion des ACE2-Rezeptors, über den SARS-CoV-2 in die menschlichen Zellen gelangt, beeinflusst das Gedeihen des Virus. Der Darm produziert dann nämlich antimikrobielle Substanzen – und die verändern wiederum das Darmmikrobiom. Die Artenvielfalt sinkt deutlich und auch die Zusammensetzung: Drei der wichtigsten Bakterienphyla unterscheiden sich in ihrer relativen Häufigkeit signifikant. Bei SARS-CoV-2-Positiven ist insgesamt eine proinflammatorische Signatur zu erkennen (vor allem Proteobakterien und Enterobacteriaceae kamen gehäuft vor); bei Negativ-Probanden waren Bakterien mit antientzündlichen Eigenschaften wie Bifidobakterien häufiger.
Dr. Jan Kehrmann von der Uniklinik Essen berichtete, dass die Darmmikrobiota beeinflussen, wie schwer Infektionskrankheiten wie etwa der Grippe verlaufen, und dass daher eine vorherige Antibiotikatherapie den Verlauf einer Infektion verschlechtern kann. Bei schwer Erkrankten waren die beiden Gattungen Faecalibakterium und Roseburia unterrepräsentiert, so der Arzt. Die Unterschiede seien aber nicht so deutlich, als dass sich die beiden Faktoren als Biomarker für einen schweren Verlauf eigneten. Und er stellte fest: „Eine SARS-CoV-2-Infektion ist assoziiert mit ausgeprägter Dysbiose, die in Richtung proinflammatorischer Signatur geht.“ Bei den Schweregraden seien die Unterschiede im Darmmikrobiom aber gering ausgeprägt.
Neisseria-Bakterium wichtig im Überlebenskampf
Auch auf das Mikrobiom im Mund- und Rachenraum richteten die Wissenschaftler ihr Augenmerk, denn spezielle Bakterien im Rachen und in den Atemwegen können generell virale Infektionen begünstigen und – andersherum – Mikrobiota so verändern, dass bakterielle Sekundärinfektionen erleichtert werden. Hierfür untersuchte ein Team um Dr. Christoph Stein-Thöringer vom Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg 324 an Corona unterschiedlichen Schweregrades erkrankte und gesunde Probanden. Die Komposition der Mikroben zwischen mittleren und schweren COVID-19-Verläufen unterschied sich dabei durchaus; hier gab es eine Reduktion der Artenvielfalt und auch eine Dysbiose (Ungleichgewicht).
Den Forschern fiel außerdem auf, dass Patienten, die an COVID-19 verstarben, deutlich weniger Neisseria- und Haemophilus-Spezies aufwiesen als Patienten, die überlebten. „Wer mehr Neisseria im Rachen hat, hat eine größere Chance zu überleben“, sagte Stein-Thöringer. Seiner Meinung nach sind diese Spezies als Biomarker für Mortalität geeignet, wenn die Probe zu einem frühen Zeitpunkt der Erkrankung genommen wird. Warum diese einen schützenden Effekt haben, sei aber noch unklar.
Quelle: Pharmazeutische Zeitung