Ärztin hält rotes Herz in der Hand© Vonschonertagen / iStock / Getty Images Plus
Eine Herztransplantation kann Leben retten. Der Südafrikaner Christiaan Barnard war der erste Chirurg, der eine Herzverpflanzung vorgenommen hat.

Medizingeschichten

DER MANN MIT DEM STRAHLENDEN LÄCHELN, CHRISTIAAN BARNARD

Gestern wäre er 99 geworden – der Mann, der weltweit das erste menschliche Herz verpflanzt hat. Der Südafrikaner Christiaan Barnard war ein begabter Chirurg, zudem bereits in jungen Jahren Professor für Herzchirurgie – und ein Liebling der Boulevardpresse.

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Ann Darvall, eine 25-jährige Studentin, war kurz zuvor bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen. Und Christiaan Barnard, Herzspezialist am Groote-Schuur-Hospital in Kapstadt, wagt etwas, das noch keiner vor ihm getan hat: Er entnimmt der zuvor als hirntot erklärten Frau das Herz und pflanzt es dem sterbenskranken Lebensmittelhändler Louis Washansky aus Litauen ein, der die nächsten Stunden sonst nicht überlebt hätte. Dieser hatte ihn zuvor ausdrücklich dazu ermächtigt.  

Der Patient überlebt die Operation nur um 18 Tage. Auch Philip Blaiberg, ein südafrikanischer Zahnarzt, will, dass Barnard ihm ein Herz verpflanzt – und das, obwohl Washansky gerade gestorben ist. Dieser zweite Patient lebt immerhin weitere 18 Monate.

Ein Unbekannter wird berühmt

Auch andere Chirurgen sind technisch versiert und nehmen kurz nach Barnard Herzverpflanzungen vor. Doch von ihnen spricht keiner – alle reden nur von dem hageren Südafrikaner mit dem strahlenden Lächeln. Diesen überrollt nach der Operation ein Medienrummel sondergleichen. Er, den außerhalb seines Landes zuvor keiner kannte, wird nun vom Papst zu einer Audienz geladen, der amerikanische Präsident empfängt ihn in seinem Wochenendsitz und die Filmschauspielerin Gina Lollobrigida lädt ihn in ihr Appartement, dort speziell in ihr Schlafgemach.

Ein Leben, das der Sohn eines burischen Predigers durchaus genießt. Die Familie ist so arm, dass die Brüder sich schon mal Obst aus dem Nachbargarten aneignen müssen, um ihren Hunger zu stillen. Christiaan Barnard studiert in Kapstadt und Amerika, lernt dort an der Universität Minnesota die Operationstechnik und die Herz-Lungen-Maschine von Clarence Walton Lillehei kennen. 
 

Ciclosporin kann Abstoßreaktionen verhindern

Jedoch: „Die Misserfolge der frühen Jahre lagen nicht etwa daran, dass die Pioniere der Herztransplantation schlecht operiert hätten. Der ausschlaggebende Grund war vielmehr, dass es damals noch keine Medikamente gab, mit denen sich das Immunsystem beeinflussen ließ“, sagt Professor Brigitte Stiller von der Deutschen Herzstiftung. Denn: Das Organ eines anderen will das körpereigene Immunsystem als fremd abstoßen – erst als der Arzneistoff Ciclosporin 1977 erstmals eingesetzt wird, können Abstoßungsreaktionen zuverlässig unterdrückt werden.

Christiaan Barnard macht von sich reden. Allerdings überstrahlt sein Privatleben zeitweise sein zweifelsfrei vorhandenes ärztliches Können. Der 47-Jährige ist mit der hemaligen Krankenschwester Louwtjie verheiratet, als der Ruhm über ihn hereinbricht, das Paar hat zwei Kinder. Seine Frau erlebt fassungslos, wie ihr Mann sich verändert: Er liebt die Publicity, sie das bodenständige Familienleben. Aus dem Doktor wird ein charismatischer Frauenheld, der auf keiner Gala und in keinem Nachtclub fehlt und zum beliebten Ziel der Society-Fotografen avanciert. Als sie einen Liebesbrief der Lollobrigida in seiner Arzttasche findet, in dem diese Einzelheiten der laufenden Affäre beschreibt, ist das Maß voll: Louwtjie lässt sich scheiden. Es wird nicht die einzige Trennung in Barnards Leben bleiben.

Eintrag im Guiness-Buch

Der Chirurg genießt seine Popularität, die manchmal absurde Formen annimmt: Mit 200 Verehrerinnen-Briefen täglich ist er dem Guinness-Buch der Rekorde einen Eintrag wert; Mütter halten ihre Babys hoch, damit er sie küsst, wenn er aus  dem Krankenhaus nach Hause fährt. Menschen aus aller Welt strömen ins Groote-Schuur-Hospital, um sich operieren zu lassen. Das Krankenhaus kann sein Glück kaum fassen und bewilligt Barnard alle medizinischen Anschaffungen, die er sich wünscht: „Manchmal“, so sagt er in seinen Lebenserinnerungen, „habe ich meine Wünsche nur nebenbei geäußert und bekam alles sofort.“.

Auch sein Privatleben ist ihm hold: Nach der Scheidung von Louwtjie wird die bildhübsche Barbara Maria Zoellner seine Frau. Dass die Braut erst 18 ist, interessiert vor allem die Boulevardzeitungen. Die Ehe scheitert nach zwölf Jahren. Dann folgt das deutschstämmige Model Karin Setzkorn. Barnard ist inzwischen 66 und muss bis zur Volljährigkeit seiner zukünftigen Frau ein paar Jahre warten. Kein Wunder, dass er aus den bunten Seiten der Yellow Press gar nicht wieder herauskommt.
 

Huckepack-Transplantation

Über all dem privaten Trubel geraten seine medizinischen  Leistungen in den Hintergrund. Kollegen bezeichnen ihn dennoch immer wieder als führenden Chirurgen des Landes, erkennen sein berufliches Können an. Barnard ist in der Lage, seinen Widersachern („Sie sind ein Leichenfledderer“) scharfzüngig zu kontern, weiß sich in wissenschaftlichen Diskussionsrunden zu wehren. Der promovierte Arzt hat auch einen Doktor in Philosophie – und das Problem, dass das Herz seit alters her als „Sitz der Seele“ angesehen wird, was die Debatte um die Transplantation emotional auflädt. Er erfindet die „Huckepack“-Transplantation – bei der das beeinträchtigte Herz im Körper belassen wird – und transplantiert als erster Mensch gleichzeitig Herz und einen Lungenflügel. Christiaan Barnard führt wohl ein Aufsehen erregendes Privatleben, doch er vernachlässigt niemals seine Patienten.
 

Barnard leidet unter Polyarthritis

Auch zum Thema Apartheid hat der Südafrikaner seine eigene Meinung: Er holt den Farbigen Hamilton Naki als Anästhesist in sein Team. Der wird offiziell als „Putzhilfe“ geführt, denn Schwarze haben zu dieser Zeit keinen Zutritt in die Sphären eines Operationssaales. Doch Naki hat sich als so geschickt im Umgang mit Versuchstieren erwiesen und als so fingerfertig, dass Barnard ihm alles zutraut, was er selbst kann. Zumal der weltberühmte Chirurg unter einem ganz anderen Problem leidet: Polyarthritis lässt seine Fingergelenke bei längeren Operationen schmerzhaft anschwellen, und bereits zu Zeiten der ersten Herztransplantation muss er Medikamente nehmen, um die Stunden am OP-Tisch zu überstehen. Am Schluss muss er aufgeben, was er so liebt: Am 31. Dezember 1983 legt er das Skalpell endgültig aus der Hand.

Christiaan Barnard erlebt sein persönliches Waterloo am Ende seines Lebens. Karin Setzkorn hat ihn mit den Kindern verlassen. Unweit seiner Urlaubsvilla auf Zypern bekommt der „Mann mit den goldenen Händen“ – Washansky hat ihn einmal so bezeichnet - einen Asthmaanfall. Eine Frau, die dies mit ansieht, weiß nicht, dass er sein Spray braucht, das nicht weit entfernt liegt; Passanten rufen erst um Hilfe, als Barnard sich nicht mehr bewegt. Am 2. September 2001 stirbt der Chirurg. 

Quellen:
https://www.herzzentrum.de/fileadmin/mediapool/05_angeborene-herzfehler/pdf/Herzfehler-Herztransplantation.pdf

https://www.spiegel.de/politik/herrgott-es-schlaegt-wieder-a-f4b6699e-0002-0001-0000-000046106731

https://www.aerzteblatt.de/archiv/61972/Dokumentarfilm-Hidden-Heart-Die-wahre-Geschichte-der-ersten-Herztransplantation
 

 

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