Klippen in Irland.© MNStudio / iStock / Getty Images Plus
Die berühmten Cliffs of Moher sind eines der beliebtesten Reiseziele in Irland.

Irland

UNTERWEGS AUF EINEM IRISCHEN GREENWAY

Mit dem Rad Irlands historischen Osten erkunden: Das können Urlauber eine halbe Stunde von Dublin entfernt auf einem neuen Greenway. Die Route führt malerisch entlang einer alten Wasserstraße.

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Zäh windet sich der morgendliche Stadtverkehr entlang der Liffey. Der Fluss teilt Dublin in Nord und Süd. Eine Zugfahrt zum Ausgangspunkt dieser Reise wäre besser gewesen. Die Guinness-Brauerei bleibt zurück, bald rollen die Autos freier. Die Kinder auf dem Rücksitz überlegen, wie viele der 130 Kilometer Radweg entlang des Royal Canal sie an einem Tag schaffen müssen.

Am Startort Maynooth beruhigt Áine Mangan die Mädchen. Sie leitet das Touristenbüro Into Kildare. „Man kann eine Teilstrecke radeln, auch zwischen den Städtchen einsteigen oder den Greenway jederzeit wieder verlassen“, erklärt sie auf der Terrasse des „Glenroyal Hotels“.

Wer möchte, kann an einem oder mehreren Tagen bis zu vier Grafschaften durchqueren. Und bis nach Longford radeln und auf diese Weise Irlands historischen Osten erkunden. Dort trifft der auch für Wanderer zugängliche Greenway auf den Fluss Shannon.

Der Royal Canal Greenway ist der neueste von sechs Greenways in der Republik Irland. Erst vor wenigen Wochen wurde er eröffnet. Die Route ist außerdem eine der flachsten: Auf den ersten 60 Kilometern steigt der Weg in westlicher Richtung nicht mehr als 60 Meter an. Ob sich das wirklich entspannt fahren lässt, gilt es herauszufinden.

Greenways müssen bestimmte Kriterien erfüllen

Hätte man auch direkt in Dublin starten können? Noch ist das schwierig, aber an der Radweganbindung an die Hauptstadt wird gearbeitet. So empfiehlt sich eine Nacht vor Ort in Maynooth im „Glenroyal“. Das Hotel verleiht praktischerweise auch Fahrräder und lässt einen Picknickkorb packen. Das Gepäck kann bis zur nächsten Unterkunft gebracht werden.

„Ich bin schon als Kind andauernd diesen Greenway geradelt“, erzählt Hotelmanager Ted Robinson. „Aber da durfte er noch nicht Greenway heißen.“ Damit ein Radweg als Greenway ausgezeichnet wird, muss er bestimmte Standards erfüllen, über die Radtouristen sich freuen können: Unter anderem benötigen die Wege eine bestimmte Breite und richtige Beschilderung. Und es darf keine „Kissing Gates“ geben. Das sind Weidegatter mit Schwenktoren, die das Vieh zurückhalten.

Vorsicht vor der irischen Sonne

Obwohl es für irische Verhältnisse sehr warm ist, hat der Wind ein bisschen zugenommen. Angenehm an diesem Morgen. Nur wenige Meter sind es bis zum Startpunkt des Greenways - und bis zum Royal Canal Bike Hire, dem Radverleih von Dave Butterly. „Ihr braucht Räder, Helme...“, sagt der Ire. Da windet sich das große Kind. Helme? Wie uncool. Aber Sicherheit geht auch auf der Grünen Insel vor. „...und Sonnencreme“, fährt Butterly fort. Tatsächlich? „Ja, bei der leichten, aber existenten Brise und dem Fahrtwind bemerkt man beim Radeln nicht, wie schnell man sich Nacken, Schultern, die Knie oder Waden verbrennt“, sagt der Verleiher. Er wird es wissen.

Dieser Sommer ist tatsächlich unverhältnismäßig warm. Die Iren nennen schon mehr als drei Tage über 24 Grad eine Hitzewelle. In dieser Woche werden seit Tagen mehr als 28 Grad gemessen.

Dave Butterly stellt ein kleines, ein mittleres und ein großes Fahrrad bereit und justiert die Sattelhöhe. Ungefähr 90 Prozent der Räder werden bei ihm vorab online gebucht. Die anderen kommen spontan, erzählt er.

Der Fachmann dreht ein Vorderrad zur Probe und warnt vor der Verwechslung der beiden Handbremsen. In Irland fährt nicht nur der Verkehr andersherum, auch die Radbremsen sind vertauscht.

Schließlich erzählt Butterly von der Schönheit der kleinen Orte, durch die der Greenway führt. Die Wirtschaftskrise in Irland habe dazu geführt, dass die Menschen zumindest wieder mehr Zeit für ihre Besucher hätten. „Und dann hat die Pandemie dem Radfahren einen riesigen Dienst erwiesen. Die Verkaufszahlen sind um ein Drittel gestiegen. Es gebe mehr und mehr sichere Radwege, auch in den Städten und entlang der Küste“, sagt der Ire.

Blumenpracht und viele Tiere

Bis Enfield sind es knapp 20 Kilometer, die längste Etappe des Greenways. Dort soll gepicknickt werden. Die Motivation ist groß, die Sonne scheint. Sattgrüne Wiesen ziehen vorbei, am Kanal und auf dem Wasser gelbe Seerosen und lilafarbene Ufergräser. Dazu Libellen, Schmetterlinge, Stare, Schwalben, Pferde, Kühe und Schafe.

Die Wege sind tatsächlich breit genug für alle auf ihnen wandelnden und radelnden Menschen - und Tiere. Sogar Rennradfahrer trainieren auf dieser Strecke und überholen, nicht ohne höflich um Platz zu bitten.

„Guck mal, was für wunderschöne Blumen“, ruft das kleinere Kind. Sie meint die zahllosen weißen Blüten der Echten Zaunwinde, die den leichten Anstieg zu einer der 46 historischen Schleusen märchenhaft begleiten. Daneben steht ein weiß getünchtes Cottage mit Strohdach und rot angestrichener Tür. Irland wie im Bilderbuch.

Eine heikle Rettungsaktion

Kurz vor dem Etappenziel führt der Weg in sanften Windungen durch einen Wald. Durch die dichten Blätter glitzert die Sonne. Eine Frau mit einem irischen Schäferhund nickt den radelnden Kindern zu: „How are you?“ Sie hat einen Strauß selbstgepflückter Blumen in der Hand.

Die Iren wissen zu schätzen, was sie an ihrer Natur haben. Und sie wollen zeigen, was sie zu bieten hat. „In Enfield“, hatte Dave Butterly geraten, „müsst ihr unbedingt in den kleinen Park auf der rechten Seite des Kanals, auch wenn der Greenway euch ab dort auf die linke Seite führen möchte.“ Jetzt ist klar, warum: Eine Wiese bietet Platz zum Spielen, im Wasser liegen ein paar altmodische Hausboote und ein zauberhafter Feen-Park lädt zum Erholen und Entdecken ein.

Die Kinder sind stolz, die bisherige Strecke geschafft zu haben. Und werden jetzt übermütig: Der Fußball einer anderen Familie landet im Wasser. Oh no! Kurze Aufregung, dann ein Plan: Der Rettungsring am Geländer soll als Angel dienen, auch wenn es eigentlich verboten ist, ihn ohne Not aus der Halterung zu nehmen.

„Schaut mal, das Seil ist so verheddert, damit könnten wir sowieso überhaupt niemanden retten, wenn ein Mensch ins Wasser fiele“, sagt John Manghan. Er ist mit seinem Sohn Daragh und seiner Frau Siobhan aus Malahide bei Dublin gekommen, um den gesamten Greenway zu erkunden. Die Familie ist in der anderen Richtung unterwegs, von Longford nach Maynooth. Der Ire entheddert das Tau, fischt den Ball aus dem Wasser und dreht das Seil wieder so auf die Winde, dass der Rettungsring im Ernstfall ohne Verzögerung eingesetzt werden kann.

„Wir sind schon andere Greenways geradelt“, erzählt John Manghan. „Den in Mayo zum Beispiel und den in Waterford.“ Ob ihnen der Royal Canal Greenway gut gefalle? „Ja, sehr, auf jeden Fall.“

Dann müssen sie weiter. Sie wollen das letzte Stück jetzt doch zügig schaffen, denn es wird immer schwüler. Das Radeln wird auch in die andere Richtung anstrengender, die Kinder beginnen nach dem Picknick ein wenig zu schwächeln.

Wo das Vieh einst harte Arbeit leistete

Zeit für eine Geschichtsstunde mitten in der Natur. Früher wurden die Wege entlang des Royal Canals zum Treideln benutzt: Pferde und Kühe zogen Frachtkähne von Dublin zum Shannon und zurück. Heute wird hier niemand gezogen, es wird brav selbst gestrampelt. Und die Kühe und Kälber, die auf der anderen Seite das Wasser aus dem Kanal schlürfen, scheinen erleichtert, dass sie nichts und niemanden ziehen müssen.

Können ein paar Kilometer auf Mountainbikes und Tourenrädern da so schlimm sein? „Von mir aus hatten die Kühe es früher schwerer als wir. Ich kann trotzdem nicht mehr“, klagt eines der Kinder. 

Auf einer Radtour ist die Kette der hintereinanderfahrenden Radler nur so stark wie ihr schwächstes Glied. An einer der nächsten Schleusen heißt es also: Kehrtwende und zurück nach Enfield.

Am Pub direkt neben dem Greenway lassen sich die Räder zurückgegeben, Dave Butterly wird sie einsammeln. Der Bahnhof liegt direkt gegenüber. Mit dem Zug geht es wieder nach Maynooth. Unumwunden geben alle Radlerinnen zu: Allein dieser Teil des Royal Canal Greenways hat Spaß gemacht. Die anderen Teile gibt es beim nächsten Mal.

Royal Canal Greenway

Anreise: Mit dem Flugzeug nach Dublin. Von dort geht es derzeit noch mit Bahn, Bus oder Auto nach Maynooth zum Beginn der Tour.
Fahrradverleih: Bei Royal Canal Bike Hire kosten die Räder ab 25 Euro, Kinderräder 10 bis 15 Euro. Gepäckanhänger, Kindersitze und Packtasche sind zusätzlich mietbar.
Einreise und Corona-Lage: Irland ist Corona-Risikogebiet. Für Reisende aus der EU mit Nachweis eines digitalen EU-Impfzertifikats gilt inzwischen keine Quarantänepflicht mehr. Vor Reisebeginn

Quelle: dpa

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