Zeichnung stellt Vielfalt der Menschen dar
Menschen sind unterschiedlich - doch warum erkranken manche schwerer als andere? © undrey / iStock / Getty Images Plus

Infektionsverlauf | Komplikationen

IMMUNTYP ENTSCHEIDET ÜBER DIE SCHWERE DER INFEKTION

Manche haben gar keine Symptome. Fast jeder Fünfte jedoch erkrankt nach Kontakt mit SARS-CoV-2 an einem schweren Covid-19-Verlauf. Die entscheidende Rolle spielt dabei das Immunsystem, wie jetzt Wissenschaftler herausfanden.

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Die Risikogruppen konnten schon zu Beginn der Pandemie rasch identifiziert werden: Senioren, Menschen mit bestimmten Vorerkrankungen, die unter anderem Herz, Lunge oder Nieren betreffen, Diabetiker oder Adipöse. Doch schnell wurde klar, dass auch junge, ansonsten gesunde Menschen nicht per se vor einem schweren Covid-19-Verlauf gefeit sind. Forschungsarbeiten sprachen bislang von einer gewissen genetischen Disposition, doch die (möglicherweise unterschiedlichen) Immunreaktionen der Betroffenen standen für die Wissenschaft nach auf dem Untersuchungsprogramm. Denn bei den Patienten, die auf eine künstliche Beatmung angewiesen waren, fand man hohe Spiegel proentzündlicher Botenstoffe, die für ein überschießendes Immunsystem sprechen. Gleich zwei Forschergruppen brachten vor kurzem Interessantes zu Tage:

Team Nummer eins: Warum entsteht ein Zytokinsturm?
Jérome Hadjadj von der Universität Paris und sein Team legten den Schwerpunkt auf die Immun-Botenstoffe, die bei Kontakt mit SARS-CoV-2 ausgeschüttet werden, sowie die Gene, die diese Ausschüttung veranlassen. Viele dieser Zytokine benötigt der Körper, um seine Abwehr zu regulieren und nach Erreger-Kontakt scharf zu stellen. Andere, wie das Interferon-6, können aber auch zu überschießenden Immunreaktionen – dem sogenannten Zytokinsturm – führen. Das Team fand bei schwerkranken Probanden geringe Typ-1-Interferone, wie zum Beispiel Interferon-Apha-2, im Blut. „Niedrige Plasmagehalte von Interferon-Alpha-2 waren signifikant mit einem erhöhten Risiko für eine Verschlimmerung zum kritischen Status korreliert“, berichten Hadjadj und sein Team. Auch die zugehörige Genaktivität war niedrig. Im Gegensatz zur Genaktivität und den korrelierenden Spiegeln von TNF-alpha und Interleukin-6: Die Spiegel dieser proinflammatorischen Botenstoffe waren bei Betroffenen mit schwerem Verlauf erhöht. Und das ließ sich sogar schon vor einer manifestierten Verschlimmerung feststellen – ein Hoffnungsschimmer, denn dieser Ansatz könnte es behandelnden Ärzten ermöglichen, frühzeitig einzugreifen und letztlich Leben zu retten.

Team Nummer zwei: die drei Immuntypen
Das zweite Forscherteam um Divij Mathew von der University of Pennsylvania in Philadelphia untersuchte bei Probanden mit unterschiedlichem Verlauf die Art der Abwehrreaktion. Bei den T-Zellen wurden sie fündig: Es schien Unterschiede in der Art und Menge der zelltötenden CD8+-Killerzellen und der CD4+-Zellen, die die Ausschüttung von Immunbotenstoffen regulieren, zu geben. Die Wissenschaftler clusterten die Ergebnisse und fanden dadurch drei Immuntypen:

  • Typ 1: Es fanden sich viele aktivierte CD4+-Zellen und ein Mangel an CD8+-Zellen. Dieser Typ fand sich vor allem bei Patienten mit schweren Verläufen, Organversagen oder Nierenschäden.
  • Typ 2: Zeigte geringere CD4+-Zellen-Aktivität, aber auch mehr bestimmter CD8+-Zellen. Zwar zeigte dieser Typ keine Zusammenhänge mit der Schwere der Symptome, verstarb jedoch häufiger und zeigte schon vor der Infektion eine Immunschwäche.
  • Typ 3: Die Abwehrzellen zeigten generell kaum eine Reaktion auf die Viren. Dieser Typ zeigte die mildesten Verläufe. 

„Dieser Immuntyp 3 ist negativ mit der Erkrankungsschwere verknüpft. Das spricht dafür, dass eine weniger robuste Immunantwort bei Covid-19 auch mit weniger schweren Verläufen verbunden ist“, erklärten die Forscher in ihrer Arbeit. Sie schätzen die Bedeutung ihrer Entdeckung hoch in Bezug auf eine individuelle Behandlung der Typen ein, vielleicht könne durch die Immuntyp-Bestimmung sogar der Verlauf der Infektion vorhergesagt werden.

Farina Haase,
Apothekerin/Redaktion

Quelle: wissenschaft.de

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