Bleibende Welle | Risiken
„GLUTNESTER“: SITUATION UM CORONA BLEIBT HEIKEL
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Angela Merkel ruft die Bürger in einer Fernsehansprache zu solidarischem Handeln auf. Das sei so nötig wie seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr, sagt die Kanzlerin ernst. Kurz darauf beschließen Bund und Länder ein Kontaktverbot für mehr als zwei Personen. Die drastischen Notmaßnahmen gegen die Ausbreitung des Corona-Virus versetzen Deutschland im März in eine gespenstische Stille. Vier Monate später sind mehr als 205 000 Menschen nachweislich mit SARS-CoV-2 infiziert. Stehen wir gerade am Beginn der zweiten Infektionswelle? Droht sogar ein neuer Lockdown?
Mehr als 170 positive Tests bei Erntehelfern im niederbayerischen Mamming und mindestens 44 Infektionen in Tourismusbetrieben im österreichischen St. Wolfgang zeigen, wie schnell es gehen kann. „Die zweite Corona-Welle ist schon da“, sagt Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU). Der Freiburger Medizinstatistiker Gerd Antes hält nichts von solchen Warnungen: Mit der „zweiten Welle“ werde ein falsches Bild vermittelt.
Andere sprechen von einer bleibenden Welle, die auf- und abschwillt. Oder von Glutnestern, die aufflacken, erlöschen oder zu einem Flächenbrand zusammenwachsen können.
Fakt ist: Die Behörden sind beunruhigt. Weltweit verzeichnete die Weltgesundheitsorganisation (WHO) am Freitag, 24. Juli, einen Rekord an Neuinfektionen innerhalb von 24 Stunden. In Deutschland stieg die Zahl der registrierten neuen Infektionen Ende der Woche an zwei Tagen hintereinander auf einen hohen dreistelligen Wert. Bis Sonntagmorgen waren es dann wieder „nur“ 305 neue Fälle.
Gesundheitliche Kollateralschäden
Bei Kindern und Jugendlichen nahmen Hyperaktivität, emotionale Probleme, Kopfschmerzen und Einschlaf-Schwierigkeiten zu, wie eine Studie des Uniklinikums Hamburg-Eppendorf zeigt. Die Bundesärztekammer beunruhigen besonders die „Kollateralschäden“. Viele hätten aus Angst vor einer Infektion gar nicht oder zu spät ärztliche Hilfe gesucht, sagt Präsident Klaus Reinhardt. „Allein in den Notaufnahmen wurden rund 30 Prozent weniger Patienten mit Herzproblemen behandelt. Die Komplikationen nach einem Herzinfarkt haben deutlich zugenommen, weil viele zu spät in eine Klinik gegangen sind.“
Risiko Sommerurlaub
Virologen warten mit Bangen aufs Ferienende. In vielen Ländern ist die Corona-Entwicklung dramatisch. Nicht nur wegen der Feiern am Ballermann in Mallorca, wo die Lokale dann ja wieder schließen mussten, ist die Sorge groß. Alle Auslandsurlauber können sich nun nach ihrer Rückkehr kostenlos auf das Virus testen lassen.
Risiko Großbetrieb
Ein neues Gesetz mit schärferen Regeln für die Großschlachtereien ist nach den Infektionen beim Wurst- und Fleischkonzern Tönnies an diesem Mittwoch im Kabinett. Der Arbeitsschutz sei nun zentral, sagt Bundesarbeitsminister Hubertus Heil. „Nicht nur in der Fleischindustrie, sondern auch in anderen Bereichen, damit der Arbeitsplatz nicht zum Infektionsherd wird.“
Ärztepräsident Reinhardt hofft auf ein weiter vergleichsweise niedriges Niveau der Infektionsrate - erreichbar durch Hygiene und Abstand. „Dann könnten wir auch verhindern, dass es zu einem neuen flächendeckenden Lockdown kommt. Denn den würden Gesellschaft und Wirtschaft wohl kaum mehr in gleichem Umfang aushalten.“ Das Gesundheitswesen könne allerdings im Fall eines Wiederaufflammens der Pandemie schnell wieder voll auf Krisenmodus umschalten, sagt Reinhardt. „Kliniken und Arztpraxen können die Kapazitäten im Fall einer neuen Covid-19-Welle schnell hochfahren.“
Bleiben Sie also sensibel für Abstands- und Hygienegebote, und vor allem: Bleiben Sie gesund!
Quelle: dpa