Wirkstoffe – historisch beleuchtet
E WIE ESTROGENE
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Obwohl der Gynäkologe Emil Knauer bereits 1896 mit Hilfe von Ovarialtransplantationen an Kaninchen die hormonbildende Wirkung dieser Keimdrüsen nachgewiesen hatte, erfolgte die Isolierung des ersten weiblichen Sexualhormons erst 1929. Mittels aufwändiger Isolationsverfahren gelang es Adolf Butenandt (1903–1995) in Göttingen und unabhängig davon Edward Albert Doisy (1893–1986) in St. Louis, das weibliche Follikelhormon Estron kristallin rein darzustellen.
1930 isolierte Guy Frederic Marrian (1904 –1981) am Department of Physiology and Biochemistry des University College ein weiteres estrogenes Hormon, später als Estriol bezeichnet, dessen physiologische Wirkung geringer war als die des Estrons. In einjähriger Forschungsarbeit ermittelte Butenandt die Summenformel des Estrons (C18H22O2) sowie des Estriols. 1932 konnte die Konstitution geklärt werden und Butenandt damit zugleich die bereits 1923 von Siegmund Fränkel (1878– 1939) vermutete strukturelle Ähnlichkeit der Ovarialhormone mit Cholesterol und den Gallensäuren bestätigen.
Ebenfalls 1932 synthetisierten die bei Schering tätigen Chemiker Erwin Schwenk (1887–1976) und Friedrich Hildebrandt eher per Zufall 17-Beta-Estradiol, das in seiner estrogenen Aktivität das erste rein dargestellte Sexualhormon Estron um ein Vielfaches übertrifft. Erst drei Jahre später gelang einer Arbeitsgruppe um Doisy, etwa 12,5 Milligramm des reinen Estradiols auch aus natürlichen Produkten, nämlich über vier Tonnen Schweineovarien, zu gewinnen.
Suche nach besserer oraler Wirkung Schon 1930 stellte Butenandt fest, dass verschiedene Derivate der Estrogene sich in ihrer Wirksamkeit und - dauer von der Ursprungssubstanz unterscheiden. So zeigte Estronbenzoat gegenüber dem unveresterten reinen Hormon eine protrahierte Wirkung. Da peroral gegebenes Estradiol in der Leber rasch inaktiviert wurde, setzte die Suche nach besser oral wirksamen Estrogenen ein. 1938 konnte der Chemiker Hans Herloff Inhoffen (1906 –1992), stellvertretender Leiter des wissenschaftlichen Hauptlaboratoriums von Schering, auf Anregung des Österreichers Walter Hohlweg (1902–1992), der seit 1928 das Schering-Hormonlabor leitete, 17-Alpha-Ethinylestradiol darstellen. Hohlweg wies via Tierversuch nach, dass diese Substanz auch oral gegeben eine starke estrogene Aktivität besitzt.
Synthese der Estrogene 1940 gelang Inhoffen die Darstellung von Estradiol aus Cholesterol. Der amerikanische Chemiker Russel E. Marker (1902–1995) entwickelte ein weiteres Verfahren zur partialsynthetischen Steroidhormon-Herstellung aus Diosgenin. Dieses in mexikanischen Dioscoreaarten vorkommende Steoroidsapogenin ist bis heute Ausgangsmaterial für die Partialsynthese von Steroidhormonen.
Breites Anwendungsspektrum In den 40er Jahren des 20. Jahrhunderts wurde mit dem Wissen um Molekularstruktur, mögliche Synthesen und wirksame Derivate sowie physiologische Funktion der Estrogene die therapeutische Anwendung bei Amenorrhoe, Unfruchtbarkeit oder bei drohender Fehlgeburt üblich. Aufgrund ethisch-religiöser Bedenken fanden hormonelle Empfängnisverhütungsmittel mit den Bestandteilen Ethinylestradiol oder dem 3-Methylether Mestranol erst Ende der 50er Jahre Verbreitung.
Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 05/11 auf Seite 20.
Dr. Eva-Maria Stoya, Apothekerin / Journalistin