Drei Pflanzen
DREI PRÄMIERTE
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Auf den ersten Blick scheinen alle drei nicht unbedingt etwas gemeinsam zu haben. Doch sind sie alle in den letzten Jahren vom interdiziplinären Studienkreis Entwicklungsgeschichte der Arzneipflanzen am Institut für Geschichte der Medizin der Universität Würzburg zur Arzneipflanze des Jahres gewählt worden.
Beruhigender Lavendel Der Echte Lavendel (Lavandula angustifolia MILL.) ist die Arzneipflanze des Jahres 2020. Er ist ein bis zu 60 Zentimeter großer, verholzender Halbstrauch aus der Familie der Lippenblütler (Lamiaceae) mit kurzen, schmalen, lanzettlichen, graugrün behaarten Blättern, die der Pflanze den Artnamen angustifolia (von lat. = schmalblättrig) verliehen haben. Der Gattungsname Lavandula geht auf lat. lavare = waschen zurück, da Lavendel schon früh für Waschungen und Bäder verwendet wurde. Lavendel gehört wohl zu den bekanntesten und beliebtesten Lamiaceaen. Seine blauen, intensiv aromatisch-duftenden in Scheinquirlen angeordneten Blüten liefern das ätherische Öl, das schon seit Jahrhunderten vielseitig genutzt wird.
Die Hauptkomponenten von Lavandulae aetheroleum sind Linalylacetat (30 bis 50 Prozent) und Linalool (20 bis 45 Prozent), daneben finden sich unter anderem Lamiaceen-Gerbstoffe (vor allem Rosmarinsäure). Wertbestimmender Anteil ist Linalylacetat (Mindestgehalt 35 Prozent), wobei gute Öle einen Gehalt von bis zu 60 Prozent erreichen. Echter Lavendel ist vor allem zur Beruhigung und Entspannung bekannt. Zudem werden seine antimikrobiellen Eigenschaften geschätzt. So werden traditionell Lavendelsäckchen unter die Wäsche gelegt, um Schädlinge fernzuhalten.
Unter dem Kopfkissen platziert, erleichtern sie das Einschlafen. Die beruhigende und entspannende Wirkung wurde inzwischen in klinischen Studien bestätigt. Außerdem konnten angstlösende Eigenschaften nachgewiesen werden. Daher liegen heute die hauptsächlichen Anwendungsgebiete des ätherischen Öls im psychischen Bereich, wo man sich die beruhigenden, stressmindernden, angstlösenden und entspannenden Eigenschaften zunutze macht.
Herzwirksamer CrataegusWeißdorn (Crataegus sp.) wurde im Jahre 2019 zur Arzneipflanze des Jahres gekürt. Das drei bis zwölf Meter hoch werdende Rosengewächs (Rosaceae) aus der Gattung Crataegus zeichnet sich durch seine weiße Blütenpracht und seine scharfen Dornen (Sprossdorne) an den Zweigen aus, die der Pflanze ihren am weitesten verbreiteten Namen Weißdorn einbrachten. Die Sprossdornen bewahren die Pflanze nicht nur vor hungrigen Weidetieren, sondern bieten auch den Menschen seit jeher Schutz vor Feinden. Früher war der Dornenstrauch eine beliebte Wildsträucherhecke, die als lebender Zaun diente, um alles Böse fernzuhalten. Synonyme wie Hage- (von germanisch haga = Hecke), Hecken- oder Zaundorn verweisen auf seine Anpflanzung als Zaunhecke rund um die Gehöfte.
Die botanische Bezeichnung Crataegus (von griech. krataios = fest oder stark) nimmt auf das harte Holz des Weißdorns Bezug. Auch dieses sollte eine starke Schutzwirkung aufweisen. Von der mehrere hundert Arten umfassenden Gattung Crataegus sind zwei bei uns heimisch. Crataegus monogyna JACQ. und Crataegus laevigata (POIR.) D.C. prägen im Mai und Juni mit ihren weißen Blüten, die in Doldenrispen angeordnet sind, die Landschaft an Waldrändern und Wegen. Weitere Merkmale der baumartigen Sträucher sind ihre gelappten Blätter und kleine, leuchtend rote Scheinfrüchte, die an Hagebutten erinnern. Bereits im 14. Jahrhundert hatte man den arzneilichen Wert der getrockneten Blätter und Blüten sowie der Früchte entdeckt.
Seitdem hat der Weißdorn einen festen Platz in der Volksmedizin als ein Mittel bei Herzmuskelschwäche. Heute weiß man, dass sekundäre Pflanzenstoffe, wie die oligomeren Procyanidine, für die positiven Wirkungen auf Herz und Blutgefäße verantwortlich sind. Dadurch sind Weißdornextrakte in der Lage, die Durchblutung der Herzkranzgefäße und des Herzmuskels bei leichter Herzinsuffizienz zu steigern. Zudem schützen sie vor Herzrhythmusstörungen. Die positiv inotropen und chronotropen Eigenschaften sind inzwischen vielfach wissenschaftlich belegt. Dennoch haben Weißdornpräparate lediglich den Status eines traditionellen Arzneimittels, das aufgrund langjähriger Erfahrung zur Unterstützung der Herz-Kreislauf-Funktion verwendet wird.
Historische Bedeutung sowie aktuelle Forschungsergebnisse sind ausschlaggebend für die Wahl zur Heilpflanze des Jahres.
Bitterer Andorn Weniger bekannt ist der Gemeine Andorn (Marrubium vulgare) aus der Familie der Lippenblütler (Lamiaceae). Obwohl er einst zu den beliebtesten Heilpflanzen zählte, ist Andorn heute fast in Vergessenheit geraten – zu Unrecht, wie der Studienkreis Entwicklungsgeschichte der Arzneipflanzenkunde an der Universität Würzburg findet. Er hatte entschieden, Andorn zur Heilpflanze 2018 zu küren, um seine wissenschaftliche Bedeutung als Arzneipflanze wieder stärker ins Bewusstsein zu rücken. Marrubium vulgare ist eine bis zu 60 Zentimeter hoch und buschig wachsende mehrjährige Pflanze, deren Heimat der Mittelmeerraum ist. Auch in Europa ist sie in wärmeren und trockenen Gebieten ansässig. Ursprünglich wurde Andorn bei uns als Heilpflanze angebaut.
Inzwischen ist der genügsame Lippenblütler mit seinen kleinen weißen, schwach duftenden Lippenblüten, die dicht gedrängt in kugelartigen Scheinquirlen stehen, verwildert und bevorzugt auf sonnigen, windgeschützten Standorte zu finden. Im Grund der Blütenröhre befindet sich der Kelch mit seinen zehn Zähnen, die sich bei der Fruchtreife an ihre Spitze hakenartig verformen. Diese bleiben wie Kletten an Fellen vorbeistreifender Tiere oder an der Kleidung von Menschen hängen und verbreiten auf diese Weise die im Kelch enthaltenen Samen. Dass es sich bei den Fruchtständen mit ihren Widerhaken nicht um Dornen handelt, kommt auch schon im deutschen Namen der Pflanze zum Ausdruck, der vermutlich ohne Dornen (= An-dorn) bedeutet. Der Gattungsname Marrubium stammt vom hebräischen mar = bitter und rob = viel und nimmt somit auf den bitteren Geschmack des Lippenblütlers Bezug, der auf die wirksamkeitsbestimmenden Diterpen-Bitterstoffe mit der Hauptkomponente Marrubin zurückzuführen ist.
Zudem enthält Andorn unter anderem noch Flavonoide, Lamiaceen-Gerbstoffe und eine geringe Menge ätherisches Öl. Die Bitterstoffe regen die Bildung von Magensaft und Gallenflüssigkeit an (choleretisch) und fördern somit den Appetit und helfen bei Verdauungsproblemen. Darüber hinaus konnten Studien eine sekretlösende Wirkung in den Bronchien belegen. Da die glatten Muskelzellen des Bronchialsystems mit Bitterstoffrezeptoren ausgekleidet sind, können Bitterstoffe diese aktivieren und somit verengte Bronchien erweitern, wodurch sich festsitzendes Sekret leichter löst. Die positiven Effekte von Andorn bei Verdauungsbeschwerden und Atemwegserkrankungen werden schon seit Jahrhunderten in der Volksmedizin genutzt und finden sich bereits in alten Kräuterbüchern. Aber auch noch heute ist das Andornkraut ein traditionelles Arzneimittel bei erkältungsbedingtem Husten und bei dyspeptischen Beschwerden.
Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 01/20 ab Seite 98.
Gode Chlond, Apothekerin