Repetitorium
DIURETIKA – TEIL 2
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Eines muss klar gesagt werden: Bei richtiger Indikation und Dosierung gehören Diuretika zu den sowohl äußerst zuverlässig wirksamen als auch gut verträglichen Substanzen. Dennoch sind neben den erwünschten Hauptwirkungen verständlicherweise Nebenwirkungen und Kontraindikationen bei den einzelnen Klassen vorhanden – und diese erfahren ebenfalls an dieser Stelle ihre Würdigung.
Bislang werden die Substanzgruppen der Thiazide sowie der Schleifendiuretika vor allem älteren Menschen häufig verordnet, da arterieller Bluthochdruck, Herzinsuffizienz sowie chronische Nierenerkrankungen insbesondere jenseits des 60. Lebensjahres steil ansteigen.
Benzothiadiazine und Analoge Thiazid-Diuretika wie Hydrochlorothiazid, Xipamid oder Chlortalidon blockieren im Anfangsteil des distalen Tubulus reversibel ein Transportprotein, den Natrium-Chlorid- Cotransporter in der Membran der Tubulus-Epithelzellen. Dadurch wird die Rückgewinnung von Natriumionen gehemmt, Natrium und nachfolgend Wasser werden vermehrt ausgeschieden. Gleichzeitig verstärkt sich auch die Ausscheidung von Kalium-, Chlorid- und Magnesium-Ionen. Dagegen nimmt die Exkretion von Kalzium-, aber auch Phosphat-Ionen ab. Hierin unterscheiden sich die Thiazide deutlich von allen anderen Diuretika-Gruppen.
Die durch Thiazide ausgelöste Diurese ist zwar weitaus stärker und intensiver als bei den kaliumsparenden Diuretika, aber viel geringer als bei der Gruppe der Schleifendiuretika. Sie kann auch nicht durch Dosissteigerung erhöht werden. Es handelt sich bei ihnen im Fachjargon um Low-Ceiling-Diuretika. Das sind Saluretika, bei denen die Dosis-Wirkungs-Kurve rasch abflacht, eine Dosissteigerung also nicht sinnvoll ist, da kein zusätzlicher Wirkeffekt erzielt wird.
Zudem gilt es zu bedenken: Bei einer Dauerbehandlung kommt es zu einer Gegenregulation des Organismus am Renin-Angiotensin-Aldosteron-System (RAAS) mit erhöhter Freisetzung des hormonähnlichen Enzyms Renin, vermehrter Bildung des Hormons Angiotensin II und gesteigerter Ausschüttung des Mineralokortikoids Aldosteron, was die saluretische Wirkung rasch abschwächt (Escape-Phänomen).
Dennoch bleibt die Wirksamkeit gegen Hypertonie erhalten. Wegen ihrer insgesamt guten Verträglichkeit, ihrer langen Wirkdauer mit für die Compliance hervorragend nur einmal täglicher Gabe am Morgen sind sie zur Bluthochdruck-Langzeittherapie nach wie vor eines der Mittel erster Wahl. Hierbei werden sie – sollte es sinnvoll sein, den Blutdruck noch stärker zu senken – öfters in Kombination zusammen mit ACE-Hemmern oder Betablockern gegeben.
Auch ansonsten ist das Anwendungsspektrum der Thiazide weit gefasst: Chronische Herzinsuffizienz, Ausschwemmung von Nieren-, Herz- und Leber-Ödemen, aber auch die seltene Hormonmangelerkrankung Diabetes insipidus renalis sowie ein primärer Hyperparathyreoidismus (autonome Mehrsekretion von Parathormon in den Nebenschilddrüsen) können mit Thiaziddiuretika behandelt werden. Allerdings sind insbesondere Elektrolyt- und Nierenstörungen bei Senioren (starker Abfall des Natrium- und Kaliumwertes, deutlicher Rückgang der glomerulären Filtrationsrate) als nicht zu verachtende Nebenwirkungen in letzter Zeit stärker ins Blickfeld geraten.
Schleifendiuretika Furosemid, Torasemid oder Piretanid (Sulfonamid- beziehungsweise Sulfonylharnstoff-Derivate) hemmen den Na+/K+/2Cl--Cotransporter am dicken aufsteigenden Ast der Henle-Schleife. Daher auch der Name „Schleifendiuretika“. Infolge Hemmung werden die Ionen nicht mehr rückresorbiert, sondern mit einer entsprechenden Menge Wasser ausgeschieden. Es kommt zur Exkretion eines fast isotonen Urins, da die Niere ihre Konzentrationsfähigkeit verloren hat. Neben Natrium-, Kalium- und Chlorid- Ionen werden auch Magnesium- und Kalzium-Ionen vermehrt ausgeschieden.
HYPER- UND HYPOKALIÄMIE:
Veränderungen des Kaliumhaushaltes gehören zu den häufigsten Elektrolytstörungen. Liegt der Kaliumspiegel im Serum unter 3,5 mmol/l (Millimol pro Liter) sprechen Ärzte von einer Hypokaliämie, bei Werten über 5,5 mmol/l von einer Hyperkaliämie. Folgen überhöhter Kaliumkonzentrationen im Serum (Hyperkaliämie) sind Muskelschwäche, Sensibilitätsstörungen der Nerven (Parästhesien), Blutdruckabfall, gefährliche Herzrhythmusstörungen, Kammerflimmern, im Extremfall bis hin zum Herzstillstand. Besonders aufzupassen ist, wenn Patienten zusätzliche Wirkstoffe erhalten, die den Kaliumspiegel erhöhen, beispielsweise nichtsteroidale Antiphlogistika (NSAR) oder ACE-Hemmer.
In der Praxis sind zu niedrige Kaliumspiegel im Serum (Hypokaliämien) allerdings deutlich häufiger. Erste noch unspezifische Anzeichen sind meist Schwächegefühl, Schläfrigkeit, Brechreiz oder Obstipation. Ebenfalls kann es zu Herzrhythmusstörungen, Muskelschwäche und -krämpfen bis hin zu -lähmungen kommen. Eine länger andauernde Hypokaliämie erhöht zudem das Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen, wie Herzinfarkt oder Schlaganfall. Eine entstehende Hypokaliämie kann durch orale Gabe von Kaliumsalzen wie Kaliumchlorid teilweise kompensiert werden. Schwere Elektrolytentgleisungen benötigen jedoch intensivmedizinische Behandlung.
Bei den Schleifendiuretika handelt es sich um High-Ceiling- Diuretika, die Diurese kann also dosisabhängig erheblich gesteigert werden – unter Flüssigkeitsersatz durch Infusionen durchaus auf 30 bis 40 Liter pro Tag. Sie sind besonders indiziert, wenn eine schnelle Entlastung des Organismus von großen Flüssigkeitsansammlungen erforderlich ist. Für diese maximale Wirkung können sie auch intravenös infundiert werden, ansonsten ist die orale Gabe gebräuchlich.
Bei ausgeprägten Ödemen, insbesondere einem Lungenödem, aber auch bei Hirnödemen, bei Herz- und Niereninsuffizienz mit Ödemen sowie zur forcierten Diurese bei Vergiftungen werden Schleifendiuretika häufig angewandt. In der Bluthochdruckbehandlung kommen sie nur bei Niereninsuffizienten zum Einsatz. Ansonsten werden in der Hypertonie-Behandlung wegen ihres längeren Effekts und der vor allem bei Älteren weniger starken Kalzium-Ausscheidung die Thiazide bevorzugt.
Denn die Schleifendiuretika wirken zwar schnell und stark, haben aber eine kürzere Wirkdauer als die Thiazide. Da sowohl Schleifendiuretika als auch Thiazide zu einem Verlust an Kalium-Ionen mit der Gefahr einer Hypokaliämieführen, werden beide Gruppen gerne auch als kaliuretische Diuretika bezeichnet. Im Fall einer Hypokaliämie schützen beide Diuretika-Klassen allerdings nicht mehr vor kardiovaskulären Ereignissen! Besonders problematisch sind bei Störungen im Kaliumhaushalt auch Interaktionen mit anderen Arzneimitteln.
So wird bei niedrigen Kaliumspiegeln beispielsweise die Wirkung von Herzglykosiden, die bekanntlich eine sehr enge therapeutische Breite haben, verstärkt. Und bei hochdosierter systemischer Langzeittherapie mit Glukokortikoiden besteht zudem die Gefahr einer noch stärkeren Kalium-Ausscheidung. Ansonsten treten aufgrund zu starker Entwässerung des Körpers häufiger einmal Kreislaufbeschwerden, Kopfschmerzen und Durst auf. Es ist deshalb unter der Therapie stets auf eine ausreichende Flüssigkeits- und Elektrolytzufuhr zu achten.
Weitere Nachteile sowohl von Thiaziden als auch der Schleifendiuretika: Beide Diuretika-Gruppen verschlechtern die Glukosetoleranz, gehen mit einer erhöhten Diabetes-mellitus-Inzidenz einher. Auch kann es zu Auswirkungen auf den Lipidstoffwechsel kommen.
Kaliumsparende Diuretika Die Diuretika-Gruppen der Thiazide und Schleifendiuretika haben gemeinsam, dass sie – wenn auch in unterschiedlicher Ausprägung – die Natrium-, Chlorid- und Kalium-Exkretion erhöhen. Daneben existieren Diuretika, die trotz einer gewissen Erhöhung der Natriumchloridaussscheidung, die Exkretion von Kalium- und Magnesium-Ionen verringern. Nur bedingt korrekt werden sie in der Literatur deshalb als kaliumsparende oder kaliumretenierende Diuretika beziehungsweise Antikaliuretika bezeichnet. Hierbei wird unterschieden zwischen , Aldosteron-Antagonisten, zu denen die Wirkstoffe Spironolacton, Canrenon, Eplerenon gehören und , Cyclo-Amidin-Derivaten wie den Substanzen Triamteren oder Amilorid.
Aldosteron-Antagonisten: Aldosteron ist ein Steroid, das wie Kortisol in der Nebennierenrinde produziert wird. Es ist ein Schlüsselhormon im Renin-Angiotensin-Aldosteron- System (RAAS), welches an der Blutdruckregulation beteiligt ist. Bei Bluthochdruck- oder Herzinsuffizienz-Kranken sind die Aldosteronspiegel erhöht. Aldosteron-Antagonisten blockieren nun im spätdistalen Tubulus und im Sammelrohr in Konkurrenz zum Aldosteron dessen Bindung an den Rezeptor. Dadurch kann Aldosteron nicht in den Zellkern eindringen und es unterbleibt die Synthese der Aldosteron-induzierten Proteine, es kommt nicht zur vermehrten Synthese von Natrium- und Kaliumkanälen.
Folge ist eine verringerte Natrium-Resorption bei gleichzeitig erniedrigter Kalium-Ausscheidung. Aufgrund dieses Wirkmechanismus tritt die Wirkung der Aldosteron-Antagonisten erst nach einigen Stunden bis Tagen ein. Die ersten Substanzen unter den Aldosteron-Antagonisten waren Spironolacton sowie sein Metabolit Canrenon. Zwar wird das oral einnehmbare Spironolacton bei seiner Verstoffwechselung in der Leber unter anderem auch zu Canrenon, das selbst nur intravenös verabreicht werden kann.
Canrenon allein bildet jedoch verstärkt krebserregende Epoxide, weshalb seine Anwendung mittlerweile erheblich eingeschränkt wurde. Eine Weiterentwicklung mit höherer Spezifität ist der Aldosteron-Antagonist Eplerenon. Der Wirkstoff Spironolacton hingegen hat sich bewährt bei Ödemen, die mit einem Hyperaldosteronismus, also einer Überproduktion von Aldosteron, einhergehen, etwa bei Patienten mit einer Leberzirrhose und Aszites (Bauchwassersucht) sowie bei einer chronischen Herzinsuffizienz.
Eplerenon ist als Ergänzung zur Standardtherapie bei der Behandlung der linksventrikulären Dysfunktion und einer bestehenden Herzinsuffizienz nach einem kürzlich aufgetretenen Herzinfarkt zugelassen. Neben der diuretischen Wirkung verhindern Aldosteron-Antagonisten sogar krankhafte Veränderungen des Herzens bei einer Insuffizienz, konnte nämlich nachgewiesen werden. Häufigste Nebenwirkung ist eine Erhöhung des Blutkaliumspiegels – und damit ist leider wieder die Gefahr von Herzrhythmusstörungen gegeben. Auch Magen-Darm-Störungen sowie Exantheme, also Hautausschläge, sind beschrieben.
»Bei richtiger Indikation und Dosierung gehören Diuretika zu den sowohl äußerst zuverlässig wirksamen als auch gut verträglichen Substanzen.«
Aufgrund der Strukturverwandschaft mit Sexualhormonen kann es insbesondere bei Spironolacton, weniger bei Eplerenon, in höherer Dosierung zu hormonellen Störungen kommen. Bei Männern wurden die Entwicklung einer weiblichen Brust sowie Potenzstörungen, bei Frauen Ausbleiben der Regelblutung, verstärkte Körperbehaarung (Hirsutismus) und Spannungsgefühl in den Brüsten sowie Stimmveränderungen beobachtet.
Cycloamidin-Derivate: Ihre Wirkung beruht auf einer Blockade von Natriumkanälen im spätdistalen Tubulus und im Sammelrohr. Sie werden oral gegeben, rasch resorbiert, sodass die diuretische Wirkung schon nach einer Stunde spürbar ist und nach drei bis vier Stunden ihr Maximum erreicht. Allerdings ist der saluretische Effekt im Vergleich zu Thiaziden oder Schleifendiuretika deutlich geringer. Grund: An den Angriffspunkten, dem spätdistalen Tubulus sowie am proximalen Sammelrohr des Nephrons, ist die Rückresorption von Natrium- und Chlorid-Ionen bereits weitgehend abgeschlossen. Es erfolgt dadurch nur noch eine Feinregulierung der Elektrolytausscheidung.
Die Cycloamidin-Derivate werden deshalb nicht allein, sondern insbesondere als Kombinationspräparate zusammen mit Schleifendiuretika oder Thiaziden gegen Bluthochdruck oder eine chronische Herzinsuffizienz eingesetzt – vor allem um mittels ihrer Hilfe die Kalium-Ausscheidung zu begrenzen. Als Nebenwirkungen kommen ebenfalls Magen-Darm-Beschwerden bis hin zu Übelkeit, Erbrechen vor. Auch Stoffwechselentgleisungen mit Übersäuerung, Schwindelgefühl und bei Triamteren selten eine megaloblastäre Anämie (häufig durch Folsäure- oder Vitamin-B12-Mangel verursacht) wurden beobachtet.
Wegen der generellen Gefahr einer Hyperkaliämie durch die Kalium-Sparer sollte die gleichzeitige Gabe von ACE-Hemmern, Sartanen und natürlich Kaliumpräparaten, auf jeden Fall vermieden werden. Aber auch nichtsteroidale Antiphlogistika (NSAR) wie Acetylsalicylsäure stellen – außer bei niedriger Dosierung zur Hemmung der Thrombozytenaggregation oder einer nur gelegentlichen Einnahme – eine Gefahr für eine Hyperkaliämie dar.
Teil 1 finden Sie hier, Teil 3 dieses Repetitoriums geht auf die weiteren Diuretika-Substanzklassen ein. Eine neue Substanzklasse kam in den letzten fünf Jahren hinzu, andere Gruppen sind heutzutage dafür weniger gebräuchlich.
ZUSATZINFORMATIONEN
Eine Tabelle mit den wichtigsten Anwendungsgebieten, Nebenwirkungen und Kontraindikationen der Diuretika im Überblick finden Sie hier.
Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 02/15 ab Seite 86.
Dr. Eva-Maria Stoya, Apothekerin / Journalistin