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Empathie gehört zum Mensch-Sein!

DIE LUST AM MITGEFÜHL

Als Ende April der britische Thronfolger William seiner Kate das Ja-Wort gab, verfolgten Milliarden von Menschen weltweit die Zeremonie – warum?

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Kennen Sie das auch? Bewegende Bilder flimmern über den Fernsehschirm und man sitzt wie gebannt vor der Sendung, fühlt mit den Menschen am anderen Ende der Übertragungsstrecke mit. Fast ist es so, als würde man selbst erleben, was man dort sieht – und zwar unabhängig davon, ob es nun positive oder negative Erlebnisse anderer sind, deren Zeuge wir gerade werden: Wir können gerührt sein wie das Hochzeitspaar, jubeln wie der neue deutsche Meister, aber auch Trauer spüren wie Angehörige der eben verstorbenen Lady Diana.

Dabei ist es egal, ob wir die Person kennen oder nicht, ob sie berühmt ist oder unbekannt, ja noch nicht einmal, ob das Ereignis real oder nur gespielt ist: Die Fähigkeit, sich in einen anderen Menschen hineinzuversetzen und mitzufühlen, was er fühlt, also empathisch zu sein, ist eine wesentliche Eigenschaft des Mensch-Seins, die auch nur von wenigen höher entwickelten Tieren wie etwa einigen Primaten in gewissem Umfang geteilt wird.

Diese Fähigkeit zur Empathie hat sich also in der Evolution erst sehr spät entwickelt. Wozu aber ist sie gut? Und wie vollbringt das Gehirn diese Leistung? Hier müssen wir zunächst unterscheiden zwischen dem Mitfühlen – der eigentlichen Empathie – und dem Mitgefühl. Während Letzteres eine emotionale Bewertung beinhaltet, dient die Empathie zunächst einmal dem Erkennen dessen, was der andere fühlt. Wir können andere dadurch besser verstehen, ihre Handlungen bewerten oder auch besser abschätzen, welche Entscheidungen sie in der jeweiligen Situation voraussichtlich treffen werden, einfach dadurch, daß wir uns in ihre Lage versetzen können.

Es wird vermutet, dass sogenannte Spiegelneurone im Gehirn eine zentrale Rolle für die Entstehung von Empathie spielen: Diese Neurone reagieren bei Betrachten einer Handlung eines anderen genauso, als wenn man selbst diese Handlung ausführen würde. In einem zweiten Schritt – so die Theorie – übermitteln diese Neurone dann die Information über die beobachtete Handlung an die entsprechenden sensorischen Bereiche der Großhirnrinde, wodurch man selbst das Beobachtete „nachempfindet“. Zugleich wird dieselbe Information an die kortikalen Bereiche des limbischen Systems, insbesondere den Inselkortex, weitergeleitet, welche dem erlebten dann die emotionale Komponente hinzufügen, also emotional bewerten.

Wegen dieser Trennung von Erkennen und Bewerten muss das Gefühl des Mitfühlers nicht dem des Beobachteten entsprechen: Die Reaktionen auf Osama Bin Ladens Tod etwa waren höchst unterschiedlich, von öffentlichem Jubel in den USA bis zu haßerfüllter Trauer in Teilen der pakistanischen Bevölkerung. In jedem Falle ermöglicht uns die Fähigkeit zur Empathie aber das soziale Zusammenleben, da sie hilft, einander zu verstehen und letztlich auch, im günstigsten Falle, altruistisch füreinander da zu sein. Denn geteiltes Leid ist halbes Leid, geteilte Freude aber doppelte Freude – so kennen Sie das sicher auch…

ZUR PERSON
Prof. Dr. Holger Schulze
Hirnforscher
Holger.Schulze@uk-erlangen.de

Prof. Dr. Schulze ist Leiter des Forschungslabors der HNO-Klinik der Universität Erlangen-Nürnberg sowie auswärtiges wissenschaftliches Mitglied des Leibniz-Instituts für Neurobiologie in Magdeburg. Seine Untersuchungen zielen auf ein Verständnis der Neurobiologie des Lernens und Hörens.
www.schulze-holger.de

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 06/11 auf Seite 12.


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