© pandemin / iStock / Getty Images

Kulturpflanzen

DAS ÄLTESTE GETREIDE

In Afrika und Asien ist die Hirse seit Jahrtausenden eines der wichtigsten Grundnahrungsmittel. Bei uns erfährt sie seit geraumer Zeit eine beeindruckende Renaissance.

Seite 1/1 5 Minuten

Seite 1/1 5 Minuten

Hirse ist eine sehr alte Getreideart – wahrscheinlich sogar das älteste Nutzgetreide überhaupt. Bereits in der Jungsteinzeit war die Hirse als Nahrungsmittel bekannt. Archäologische Funde von Hirsekörnern in China konnten auf 7000 bis 8000 Jahre v. Chr. zurückdatiert werden. Von Fernost aus soll das Getreide über die Seidenstraße nach Mitteleuropa gelangt sein. Bevor sich dort Getreidearten wie Einkorn, Emmer, Hafer und Gerste ansiedelten, wurden bereits Hirsekörner von einheimischen Pflanzen gesammelt.

Frucht des armen Mannes Das anspruchslose Gras wurde schon im Altertum in Mitteleuropa flächendeckend kultiviert. Es war lange Zeit das am meisten angebaute Getreide und Hauptnahrungsmittel der Menschen in Europa. Im Mittelalter waren aus Hirse hergestellte Fladenbrote und Breie eine einfache und gut sättigende Mahlzeit der Landbevölkerung. Die reicheren Städter bevorzugten Brote aus Weizen, da dieses Getreide im Gegensatz zur glutenfreien Hirse kleberhaltig ist und somit bessere Backeigenschaften besitzt.

Die nahrhaften Hirsekörner wurden aber in großen Mengen als Notreserve für Hungerzeiten eingelagert. Wurden sie nicht benötigt, fanden sie als Almosen für arme Leute Verwendung, was der Hirse auch den Namen „Frucht des armen Mannes“ eingebracht hat. Bereits das Wort „Hirse“ impliziert, dass es sich bei der Gräserart um ein nährstoffreiches Getreide handelt. Es soll auf das altgermanische „Hirsi“ zurückgehen, das Sättigung, Nahrung oder Nahrhaftigkeit bedeutet.

Hirse ist nicht gleich Hirse Hirse ist eine Sammelbezeichnung für eine Gruppe von Getreidearten mit kleinen runden Körnern ohne Längsfurche, die botanisch gesehen verschiedenen Gattungen angehören. Alle Hirsearten sind Gräser aus der Familie der Süßgräser (Poaceae), deren Blütenstand aus ein- oder mehrblütigen Ährchen besteht. Die unbegrannten Ährchen stehen zumeist in reichblütigen Rispen (Rispengras). Einige Arten bilden aber auch Fingerähren (z. B. Foniohirse) oder rohrkolbenartige Blütenstände (z. B. Perlhirse) aus.

Die Früchte sind einsamige Karyopsen, bei der Fruchtschale und Samenschale miteinander verwachsen sind und von einer Spelze umgeben werden (Spelzfrucht). Da die Pflanzen im Allgemeinen viel Licht und Wärme benötigen, werden sie vorwiegend in tropischen und subtropischen Gebieten angebaut. Einige Arten kommen aber mit relativ wenig Wasser aus und gedeihen selbst auf nährstoffarmen Böden, sodass sich auch in den gemäßigten Breiten Kulturen etabliert haben. Nach Beschaffenheit ihrer Körner werden sie in zwei große Gruppen unterteilt: In die Sorghumhirse und in die Millethirsen.

Sorghumhirse Sorghum bicolor, so ihr botanischer Name, ist die wichtigste Hirseart. Sie zeichnet sich durch größere Körner aus, weshalb sie auch bessere Erträge als die kleinkörnige Millethirse liefert. Alte Trivialnamen wie Mohrenhirse oder Kafferkorn nehmen auf das afrikanische Herkunftsgebiet dieser Hirseart Bezug. Als dürreresistente Pflanze stammt sie aus der Savanne südlich der Sahara, wo ein heißes und trockenes Klima herrscht. Unter schlechten Wachstumsbedingungen kann sie zeitweise in eine Art Trockenstarre verfallen. Nach den nächsten Regenfällen ist sie dann wieder in der Lage, weiter zu wachsen. Im Aussehen ähnelt sie dem Mais, wird aber mit fünf Metern Höhe deutlich größer. Sorghum bicolor zeichnet sich durch bis zu 60 Zentimeter lange, lockere Rispen aus, die üppig mit Körnern besetzt sind. Diese sind etwa vier bis fünf Millimeter dick und variieren in der Farbe (weiß, gelb und rot).

Millethirsen Sie werden auch als Echte oder Kleine Hirsen bezeichnet und umfassen die meisten Hirsearten (z. B. Rispenhirse, Kolbenhirse, Perlhirse, Fingerhirse, Zwerghirse (Teff)). Da ihre Körner recht klein sind, sind auch die Erträge dementsprechend gering. Zur Korngewinnung wird hauptsächlich die Rispenhirse (Panicum miliaceum L.) kultiviert. Da sie weniger wärmebedürftig als andere Hirsearten ist, finden sich auch Kulturen bei uns. Sie ist zugleich die bekannteste einheimische Hirseart. Ihre aufrechten Halme werden zwischen 80 und 120 Zentimeter lang und sind ähnlich wie bei Mais durch Knoten in einzelne Abschnitte geteilt. Auch sie besitzen als Blütenstand eine Rispe, deren Ährchen oft einblütig sind. Ihre gelblich-weißen, zwei bis drei Millimeter großen Körner sind kugelrund und lassen sich leicht entspelzen.

Aus der Vergessenheit geholt Bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurden einige Hirsearten auch in Deutschland angebaut. Allerdings verlor der Hirseanbau bereits seit dem 17. Jahrhundert aufgrund der Einführung neuer Feldfrüchte wie Kartoffeln und Mais an Bedeutung. Zudem wurde die Hirse von anderen ertragreicheren Getreidearten wie Weizen und Roggen verdrängt. Noch heute liegen die bedeutendsten Anbauländer in Asien und Afrika, wo Hirse immer noch zu den wichtigsten Grundnahrungsmitteln zählt. Hingegen dient sie in Amerika und Europa meist lediglich als Viehfutter. Inzwischen hat die Hirse aber ihr Stigma als Armeleuteessen verloren und erlebt seit einiger Zeit ein Comeback als wertvolles Nahrungsmittel, das sich einen festen Platz in einer ausgewogenen und gesunden Ernährung zurückerobert.

Ernährungsphysiologisch wertvoll Wegen der festen Verwachsung von Samenschale und verholzender Fruchtschale werden Hirsekörner in der Regel geschält angeboten, die auch (in Abgrenzung zu der ungeschälten Braunhirse) als Goldhirse bezeichnet werden. Genau genommen sind von der Schale befreite Hirsekörner keine Vollkornprodukte und ihr Ballaststoffgehalt liegt dementsprechend niedriger. Das besondere an Hirse ist aber, dass ihre Nährstoffe im gesamten Hirsekorn verteilt sind und nicht wie bei anderen Vollkorngetreidearten vorzugsweise in den Randschichten (Frucht- und Samenschale).

Daher besitzen auch geschälte Hirsekörner einen großen gesundheitlichen Nutzen. Sie bestehen hauptsächlich aus Kohlenhydraten, zu etwa zehn Prozent aus Eiweiß hoher biologischer Wertigkeit und etwa vier Prozent Fett. Der große Anteil ungesättigter Fettsäuren von über 80 Prozent des gesamten Ölgehalts im Hirsekorn macht sie für die Ernährung überaus wertvoll. Zudem hat sie im Vergleich zu anderen Getreidesorten einen hohen Eisen- und Siliciumgehalt, ist reich an Magnesium, Calcium und Kalium sowie an B- und E-Vitaminen und Provitamin A. Aufgrund ihrer guten Quellfähigkeit sättigt Hirse gut und langanhaltend. Zudem weist sie einen niedrigen glykämischen Index (GLYX) auf und führt somit zu geringen Blutzuckerschwankungen.

Tipps für die Zubereitung Hirse lässt sich auf vielerlei Weise zubereiten. Sowohl pikante als auch süße Varianten sind möglich (z. B. Brei, Bratlinge, Aufläufe, Risotto, Pfannkuchen). Das kleberfreie Getreide eignet sich zwar nicht so gut zum Brotbacken, dafür ist es für Menschen ideal, die sich glutenfrei ernähren müssen. Wird Hirse vor dem Kochen einige Stunden lang eingeweicht, lassen sich unliebsame Begleitstoffe wie die Phytinsäure reduzieren. Durch Abspülen der Hirsekörner mit heißem Wasser vor der Zubereitung können zudem Ölspuren, die sich beim Entspelzen um die Körner legen und ihnen einen leicht bitteren Geschmack verleihen, sicher entfernt werden.

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 06/19 ab Seite 98.

Gode Chlond, Apothekerin

×