Nahaufnahme eines Impfstoffs in einer Spritze.
Bisher ist noch kein Impfstoff gegen Corona zugelassen und der Zeitplan für Zulassungen bis Anfang 2021 ehrgeizig. © Teka77 / iStock / Getty Images Plus

Pharmakonzerne | Forschung

STAATEN KAUFEN IMPFSTOFFE SCHON VOR DER ZULASSUNG

Noch ist kein Corona-Impfstoff in der westlichen Welt zugelassen, doch Staaten kaufen schon Dosen im großen Stil. Auch Deutschland rüstet sich. Für Pharmakonzerne geht es um Milliarden-Umsätze, die hohe finanzielle Risiken wert sind.

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Während Pharmakonzerne weltweit unter Hochdruck an Corona-Impfstoffen forschen, ist auch das finanzielle Rennen um das begehrte Mittel in vollem Gang: Staaten kaufen Hunderte Millionen Impfstoffdosen, um ihre Versorgung zu sichern, sobald ein Impfstoff zugelassen ist. Sie schließen massig Verträge mit Pharma- und Biotechfirmen - das erhöht die Wahrscheinlichkeit für die Länder, einen Treffer zu landen. Auch Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) ist aktiv geworden. Die Zuversicht, dass ein Impfstoff bald kommt, wächst: Klaus Cichutek, Präsident des Paul-Ehrlich-Instituts, erwartet erste Zulassungen Ende dieses Jahres oder Anfang 2021.

Rund 170 Impfstoffprojekte laufen laut Weltgesundheitsorganisation, doch nur gut eine handvoll Firmen befinden sich mit ihren Forschungen in Phase-III-Studien, der letzten Stufe vor einer möglichen Zulassung. Darin muss sich zeigen, ob die Mittel wirklich vor einer Infektion schützen. Weit fortgeschritten sind das US-Unternehmen Moderna, die britisch-schwedische AstraZeneca und die Mainzer Firma Biontech. Mit dem US-Kooperationspartner Pfizer will Biontech bei positiven Ergebnissen schon im Oktober einen Zulassungsantrag für seinen Corona-Impfstoff stellen. Noch aber sind die Projekte mit viel Unsicherheit behaftet. „Lackmustest sind die Phase-III-Studien“, sagt Siegfried Throm, Geschäftsführer Forschung beim Pharmaverband vfa.

Mit dem Kampf gegen Corona erhält der 30 Milliarden Dollar schwere Markt für Impfstoffe einen Schub. Kein Land investiert so viel wie die USA: Sie gaben unter anderem AstraZeneca eine milliardenschwere Finanzspritze, stellten den Konkurrenten Sanofi und GlaxoSmithKline (GSK) bis zu 2,1 Milliarden Dollar zur Corona-Forschung bereit und orderten beim Duo Biontech/Pfizer für fast zwei Milliarden Dollar Impfstoffdosen - Nachkaufrecht inklusive. Auch Großbritannien und Japan schlossen Verträge für Hunderte Millionen Impfstoffdosen.

Deutschland ist in Abstimmung mit europäischen Ländern auf den Markt getreten. Nach Vorverhandlungen einer Impfstoffallianz mit Italien Frankreich und den Niederlanden finalisierte die EU-Kommission jüngst den Kauf von 300 Millionen Dosen bei AstraZeneca. Das Bundesgesundheitsministerium hat sich 54 Millionen Dosen des Impfstoffs gesichert, hieß es am Dienstag aus Regierungskreisen.

Die gesamte Weltbevölkerung in einem Jahr zu impfen, schafft man ohnehin nicht.

Der Bedarf in der EU ist groß: Benötigt werden geschätzt 300 bis 600 Millionen Impfdosen - je nachdem, ob das künftige Mittel ein- oder zweimal verabreicht werden muss. Die Kommission sicherte sich daher auch bis zu 405 Millionen Dosen eines Corona-Impfstoffs der Tübinger Biotechfirma Curevac und schloss weitere Vorgespräche mit Sanofi/GSK, dem US-Konzern Johnson & Johnson und Moderna ab. Im Erfolgsfall sollen alle EU-Staaten profitieren. Die Kommission greift zur Finanzierung auf ein Corona-Soforthilfeinstrument mit 2,7 Milliarden Euro Volumen zurück. „Wir investieren in Unternehmen, die auf unterschiedliche Technologien setzen, um unsere Chancen auf Impfstoffe zu erhöhen, die sicher und wirksam sind“, erklärte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen.

Für Pharmakonzerne geht es bei den Corona-Impfstoffen um viel Geld, wie der Vertrag von Biontech zeigt. Die USA zahlen für 100 Millionen Einheiten 1,95 Milliarden Dollar, also knapp 20 Dollar je Dose. Die Spanne der Preise in ähnlichen Verträgen geht aber weit auseinander. An der Börse ist die Hoffnung auf lukrative Geschäfte schon groß. Zugleich nehmen die Unternehmen viele Risiken in Kauf. So ist der Zeitplan für Zulassungen bis Anfang 2021 ehrgeizig. Noch vor wenigen Jahren wurden für Impfstoff-Entwicklungen 15 bis 20 Jahre veranschlagt. Nach wie vor muss die Sicherheit des Wirkstoffes in Studien mit Tausenden Freiwilligen bestätigt werden. Die Entwicklung kostet Hunderte Millionen Euro, schätzte Olaf Tölke, Pharmaexperte bei der Rating-Agentur Scope. „Die Firmen tragen das Risiko, im Rennen mit der Konkurrenz zu spät zu kommen.“ Zudem seien nur rund zehn Prozent der Impfstoffe, die in klinische Studien gehen, erfolgreich, erklärt vfa-Forschungsexperte Throm.

Damit nicht genug:
Parallel zur Impfstoff-Forschung müssen Firmen ihre Produktion ausbauen, damit im Fall einer Zulassung keine Zeit verloren geht. Einige Arzneifirmen produzieren schon im großen Stil, während die Erprobung der Impfstoffe an Freiwilligen läuft - mit der Gefahr, die Ware entsorgen zu müssen, falls Studienergebnisse negativ ausfallen. Und Curevac teilte Mitte Mai mit, dass die Firma schon große Wirkstoffmengen für ihren Impfstoffkandidaten hergestellt hat. Die Tests an Freiwilligen hatten da noch gar nicht begonnen. Zudem ist offen, wie teuer die Impfstoffe verkauft werden können. Hersteller wie Johnson & Johnson und AstraZeneca haben angekündigt, zum Selbstkostenpreis zu liefern. Curevac hat indes erklärt, mit einem Covid-19-Impfstoff auch Gewinne für die Eigentümer anzupeilen. „Wir können das nicht zum Selbstkostenpreis machen. Wir haben Investoren, die seit zehn Jahren Geld in das Unternehmen stecken, also sollte es eine kleine Rendite für sie geben“, sagte Curevac-Finanzchef Pierre Kemula der Zeitung „Financial Times.“

Da nicht alle Impfstoffhersteller zeitgleich auf den Markt kommen werden, haben die Unternehmen mehrere Chancen, sich zu beweisen. Auf 2 bis 4 Milliarden Dosen Corona-Impfstoff schätzt vfa-Experte Throm die weltweiten Produktionskapazitäten für das Jahr 2021. Risikogruppen würden wahrscheinlich zuerst geimpft, Kinder, Jugendliche und Schwangere später. «Die gesamte Weltbevölkerung in einem Jahr zu impfen, schafft man ohnehin nicht.“

Quelle: dpa

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