Steine © AlSimonov / iStock / Getty Images
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Autoimmunerkrankungen

ANGRIFFSZIEL SCHILDDRÜSE

Wenn sich das Immunsystem irrtümlich gegen das schmetterlingsförmige Organ richtet, kann dies zu einer Unterfunktion, aber auch zu einer Überfunktion führen. Entsprechend unterschiedlich sind die Therapien.

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Die Schilddrüse liegt unterhalb des Kehlkopfes und umschließt die Speiseröhre wie ein Hufeisen. Als größte endokrine Drüse des Menschen produziert sie vor allem die Schilddrüsenhormone Trijodthyronin (T3) und Tetrajodthyronin (T4). Sie beeinflussen zahlreiche Prozesse im Körper, darunter den Kreislauf, den Energiehaushalt und das Wachstum. Normalerweise sind die Spiegel von T3 und T4 über ein Feedback-System fein austariert: Sinken sie unter die gewünschte Konzentration, schüttet die Hirnanhangdrüse das Schilddrüsen-stimulierende Hormon TSH aus – dieses regt die Schilddrüse dazu an, wieder mehr T3 und T4 zu produzieren.

Wird die Glandula thyreoidea, wie die Schilddrüse auf lateinisch heißt, jedoch bei einer Autoimmunerkrankung vom eigenen Immunsystem attackiert, gerät dieses Gleichgewicht außer Kontrolle. Bei der Hashimoto-Thyreoiditis kommt es in der Folge langfristig zu einer Schilddrüsenunter-, bei Morbus Basedow dagegen zu einer Überfunktion.

Hashimoto Die auch als chronische lymphozytäre Thyreoiditis bezeichnete Erkrankung gehört zu den wichtigsten Ursachen für eine Schilddrüsenunterfunktion bei Erwachsenen. Der Erkrankungsbeginn liegt meist zwischen 30 und 50 Jahren, Frauen sind deutlich häufiger betroffen als Männer. Die Hashimoto-Thyreoiditis – benannt nach dem japanischen Arzt Hakaru Hashimoto, der sie 1912 erstmals beschrieben hat – ist häufig: Etwa ein bis zwei Prozent der Bevölkerung leiden unter dieser chronischen Entzündung der Schilddrüse inklusive einer manifesten Unterfunktion.

Ursache unbekannt An der Entstehung der Hashimoto-Thyreoiditis sind sowohl B- als auch T-Zellen beteiligt, die sich irrtümlich gegen Strukturen im eigenen Körper richten: Bei fast allen Patienten lassen sich Auto-Antikörper gegen die thyreoidale Peroxidase (TPO-Ak) und bei der Mehrheit gegen Thyreoglobulin (Tg-Ak, TAK) nachweisen. Warum das Immunsystem überhaupt beginnt, diese Autoantikörper zu bilden, ist jedoch unklar. Weil die Hashimoto-Thyreoiditis familiär gehäuft vorkommt, vermuten Experten, dass es eine genetische Veranlagung geben muss. Als mögliche Auslöser werden unter anderem Infektionen diskutiert.

Vielfältige Symptome Es existieren zwei Verlaufsformen der Hashimoto-Thyreoiditis: In Deutschland herrscht die atrophe Form vor, bei der das Schilddrüsengewebe zunehmend zerstört wird; es kann aber auch zu einer Hypertrophie und zu einer Kropfbildung kommen. In beiden Fällen werden zu wenig Schilddrüsenhormone produziert. Weil diese aber zahlreiche Körperfunktionen beeinflussen, sind die möglichen Symptome der Schilddrüsenunterfunktion sehr vielfältig: Sie umfassen Abgeschlagenheit, Konzentrationsschwäche, Gewichtszunahme, trockene Haut, brüchige Nägel, sprödes Haar und vermehrten Haarausfall, Heiserkeit, Verstopfung, schnelles Frieren, Zyklusstörungen und erhöhte Blutfettwerte. Weil diese Symptome nicht unbedingt alle gleichzeitig auftreten und zudem sehr unspezifisch sind, wird die Erkrankung häufig erst spät erkannt. Für die Diagnose werden standardmäßig der TSH-Wert, die Antikörper sowie T3 und T4 gemessen. Zudem erfolgt eine Ultraschall-Untersuchung der Schilddrüse.

Behandlung: Hormonsubstitution Eine Heilung der Hashimoto-​Thyreoiditis gibt es nicht. Die Therapie besteht in der Gabe des Schilddrüsenhormons L-Thyroxin. Wenn die Konzentration der Schilddrüsenhormone zum Zeitpunkt der Diagnose (noch) normal ist, sollte eine regelmäßige Kontrolle des TSH-Werts erfolgen (steigt bei sinkenden Hormonspiegeln; s.o.), um eine beginnende Unterfunktion frühzeitig zu erkennen und mit der Hormongabe beginnen zu können.

Gehäuftes Auftreten weiterer Autoimmunerkrankungen Patienten mit Hashimoto-Thyreoiditis haben ein erhöhtes Risiko, auch an anderen Autoimmunerkrankungen wie der Weißfleckenerkrankung der Haut (Vitiligo), Zöliakie, Morbus Addison oder einem Typ-1-Diabetes zu erkranken. Experten sprechen dann von einem poly (= viel) glandulären (glandula = Drüse) Autoimmunsyndrom.

Morbus Basedow Im Gegensatz zur Hashimoto-Thyreoiditis kommt es bei der Basedow-Erkrankung zu einer Schilddrüsen-Überfunktion. Grund sind die Autoantikörper gegen den TSH-Rezeptor (TRAK), die bei dieser Krankheit gebildet werden. Sie binden an den TSH-​Rezeptor auf der Oberfläche der Schilddrüse und haben eine vergleichbare Wirkung wie TSH selbst: Sie führen zu einer Aktivierung des Rezeptors und damit zu einer verstärkten Produktion von Schilddrüsenhormonen – es kommt zu einer Überfunktion.

Symptome Auch eine Überfunktion kann sich in zahlreichen Symptomen äußern. Dazu gehören vermehrtes Schwitzen, Gewichtsabnahme, schneller Puls, hoher Blutdruck, innere Unruhe, Durchfall und Muskelschmerzen oder -schwäche. Bei einem Teil der Patienten kann sich die Schilddrüse vergrößern. Bei etwa der Hälfte tritt eine sogenannte endokrine Orbitopathie auf. Je nach Ausprägung können die Augen tränen, brennen, gerötet oder trocken sein; es kann auch eine Blendempfindlichkeit oder ein Fremdkörpergefühl im Auge auftreten. Bei schweren Verlaufsformen kann das Sehvermögen beeinträchtigt sein, Doppelbilder sind möglich.

Typischerweise treten bei Morbus Basedow die Augen hervor, mitunter lässt sich das Lid nicht mehr vollständig schließen. Auch bei Morbus Basedow ist zudem das Risiko für weitere Autoimmunerkrankungen erhöht. Für die Diagnose werden dieselben Blutwerte wie bei einer Unterfunktion gemessen – für Morbus Basedow sprechen erhöhte Werte von freiem T3 und T4 bei niedrigem TSH-Wert. Außerdem lassen sich die ursächlichen TSH-Rezeptor-Antikörper nachweisen, manchmal Antikörper gegen TPO und Tg. Auch bei einer Überfunktion wird die Schilddrüse per Ultraschall untersucht; im Einzelfall können auch hier weitere Maßnahmen erforderlich sein.

Therapieoptionen Die Behandlung des Morbus Basedow erfolgt mit Medikamenten, die die Konzentrationen von T3 und T4 im Blut reduzieren. Zu diesen Schilddrüsen-Blockern gehören Carbimazol, Methimazol und Propylthiouracil. Sie werden über mindestens ein Jahr eingenommen und führen bei etwa der Hälfte der Patienten zu einer dauerhaften Besserung. Bleibt ein Erfolg aus oder kommt es zu einem Rückfall, kommen eine Operation oder eine Radiojod-Therapie infrage.

Bei der Operation wird die Schilddrüse fast vollständig entfernt; bei der Radiojod-Therapie nimmt der Patient ein Medikament mit radioaktivem Jodid 131 ein, das sich in die Schilddrüse einlagert und sie durch die radioaktive Strahlung zerstört. In beiden Fällen kommt es in der Folge zu einer dauerhaften Unterfunktion, die durch die Einnahme von L-Thyroxin wieder ausgeglichen werden muss. Sind auch die Augen betroffen, können hier weitere Therapien erforderlich sein. Patienten sollten unbedingt mit dem Rauchen aufhören, da es sich negativ auf die Behandlung und den Verlauf auswirkt, sowie mit der Aufnahme von Jod vorsichtig sein.

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 08/18 ab Seite 22.

Dr. rer. nat. Anne Benckendorff, Medizinjournalistin

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