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… ALKOHOL?

Wäre die Welt ein besserer Ort, wenn wir alle immer nüchtern geblieben wären? Nö, sagt ein kanadischer Professor und er stellt die steile These auf, dass Alkohol gut für die Menschheit war – und ist.

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Das neue Buch von Edward Slingerland heißt „Drunk“, und damit wir auch alle wissen, womit wir es zu tun haben, präzisiert der Untertitel: „How we sipped, danced and stumbled towards civilization“, zu Deutsch: Wie wir in die Zivilisation geschlürft, getanzt und getaumelt sind. Nun ist Herr Slingerland (nomen est omen) kein Prof für irgendein Orchideenfach wie japanische Schriftzeichen im Wandel der Zeiten oder sowas, sondern er lehrt in Kanada Philosophie. Er hat auch schon graue Haare, sieht aber immer noch aus wie ein Lausbub.

Und er meint, es hatte schon seinen Grund, warum der Genuss von Alkohol nicht auf dem Misthaufen der Evolution gelandet ist, so wie der Dinosaurier oder das Telefonmodem, die haben sich ja auch überlebt. Schließlich konnte der Mensch in den frühen Zivilisationen ja nicht wissen, dass wir PTA den Ethanol mal als Extraktionsmittel und für Magentropfen brauchen würden. Nee, sobald der Mensch den Ackerbau erfunden hatte, konnte er auch systematisch zum Beispiel Bier brauen.

Was er auch tat. Im Epos „Gilgamesch“, einem der ältesten erhaltenen Literaturfetzen, machte eine Prostituierte einen wilden Macho mit Bier besoffen, zu welchem Zweck, weiß ich nicht, ich hab es nicht ganz gelesen. Alkohol beeinflusst ganz erheblich unseren körperlichen und auch unseren seelischen Zustand. Wir werden weinerlich, hören nicht mehr auf zu reden, torkeln irgendwann, sodass auch der dümmste Polizist merkt, dass wir nicht mehr fahrtüchtig sind. Aaaaaaber – unser Hirn kommt auf Schlussfolgerungen, die wir nüchtern niemals gehabt hätten. Ich weiß von mehreren Geschäftsideen, die so bescheuert klingen, dass Whisky im Spiel gewesen sein muss. Und doch sind sie heute echte Geldmaschinen, ich will hier keine Namen nennen.

Doch, einen schon: Wissen Sie, wie die mRNA „entdeckt“ wurde, heute Bestandteil der weltweit erfolgreichen BioNTech-Impfung gegen COVID-19? Von einer Gruppe angeschickerter Akademiker im britischen Cambridge an einem Beistelltisch inmitten einer sehr ausgelassenen Party. Die fanden schon Anfang der Sechzigerjahre, dass eine Substanz, die das biologische Äquivalent eines mit einem Code ausgestatteten Kuriers darstellt, großes Potenzial zur pharmazeutischen Vermarktung in sich trägt. Und dann kamen Katalin Karikó und Uğur Şahin und der Rest ist Geschichte. Edward Slingerland hat also das Pferd endlich mal von hinten aufgezäumt.

Er sagt: Das Wirkungstrinken, der Alkoholgenuss mit dem Ziel des Berauschtseins, ist ein evolutionärer Vorteil. Er verschweigt übrigens auch nicht die Nachteile dieses Genusses. Doch von allen Tieren hat nur der Mensch das Know-how, mit teilweise großem Aufwand Rauschmittel herzustellen. Denn wir sind, biologisch betrachtet, arme kleine Würstchen. So ohne Fell friert man ja auch leicht. Was wäre die Welt also ohne Alkohol? Ein sehr nüchterner Ort. Und wer weiß, vielleicht wäre nie herausgekommen, dass sämtliche Zustände um uns herum relativ sind – auch Raum und Zeit und die Menge an konsumiertem Apothekergin.

Diesen Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 11/2021 auf Seite 154.

Alexandra Regner, PTA und Medizinjournalistin

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