Aus einer Schafherde blickt ein Schaf heraus.
Von Herdenimmunität profitiert auch, wer noch nicht immun ist - bei Schafen wie bei Menschen. © ASHRAF ABDALLAH / iStock / Getty Images Plus

SARS-CoV2 | Lockerungen

HERDENIMMUNITÄT ABWEGIG OHNE IMPFSTOFF

Wenn Deutschland Herdenimmunität erreicht, sind Abstandhalten und Ausgangsbeschränkungen nicht mehr nötig. Wäre es dann nicht sinnvoll, dass mehr Menschen sich mit dem Coronavirus infizieren und so schneller Immunität erreichen, oder ist das zu riskant?

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Für die Corona-Pandemie gilt: Wenn ungefähr 70 Prozent einer Population gegen den Erreger immun sind, kann er sich kaum noch ausbreiten. Auch die verbleibenden 30 Prozent sind dann durch Herdenimmunität geschützt. Um das zu erreichen, müssten gut zwei Drittel aller Menschen entweder geimpft werden oder eine Infektion auskurieren. Im Fall des Coronavirus SARS-CoV2 steht noch kein Impfstoff zur Verfügung. Daher wurden Forderungen laut, die Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen weiter zu lockern, um so ein Durchinfizieren der Bevölkerung bis hin zur Herdenimmunität zu ermöglichen.

Bei diesem Vorgehen wäre es unmöglich, nur junge, gesunde Personen zu infizieren. Auch die Ansteckung älterer und vorerkrankter Risikopatienten müsste riskiert werden, doch gerade die sind es bekanntlich, bei denen die Lungenerkrankung Covid-19 schwere Verläufe nimmt und zum Tod führt. Anhand der bisherigen Infektionen konnte man eine Sterblichkeitsrate von 0,5 bis einem Prozent ermitteln. Das bedeutet, bis die notwendigen 70 Prozent der Menschen in Deutschland infiziert, genesen und immun sind, müsste der Tod von 280 000 bis 560 000 Mitmenschen in Kauf genommen werden. Derzeit muss etwa jeder zehnte Infizierte stationär behandelt werden. Das sind bei 70 Prozent von 80 Millionen Einwohnern also 5 600 000 Menschen, die ins Krankenhaus aufgenommen werden. Diese Kapazitäten hat unser Gesundheitssystem nicht. Bei einer solchen Überlastung könnten sogar noch höhere Sterblichkeitsraten zu erwarten sein.

Der Zeitpunkt, über Herdenimmunität zu diskutieren, sei dann gekommen, wenn Impfstoffe zur Verfügung stehen, und nicht eine Sekunde früher, meint deshalb der australische Epidemiologe Gideon Meyerowitz-Katz. Der deutsche Infektiologe Professor Dr. Gerd Fätkenheuer teilt diese Ansicht: "So viele Menschen würden sterben". Auch Kanzleramtschef und Arzt Helge Braun findet eine prophylaktische Durchseuchung abwegig: "Die Epidemie würde uns entgleiten".

International betrachtet wird mit der Pandemie in jedem Land anders umgegangen. Unter all den Meinungen und Forderungen die richtige Strategie auszuwählen, ist eine schwere Aufgabe für Entscheidungsträger - zum Glück lassen die meisten sich fundiert beraten.

Gesa Van Hecke,
PTA und Redaktionsvolontärin

Quelle: Pharmazeutische Zeitung

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