Sicher verhüten
22 Minuten
- 1Verhütungsmethoden – Teil 1
- 2Verhütungsmethoden – Teil 2
- 3Nutzen-Risiko-Verhältnis
- 4Einnahme
- 5Fortbildung
01. Mai 2022
Alternative Mehrphasenpräparate Gleiches gilt für Mehrphasenpräparate. Auch bei ihnen muss die Einnahme der Tabletten in einer vorgegebenen Reihenfolge erfolgen, da sie Estrogen und Gestagen in unterschiedlichen Konzentrationen enthalten. Mit den variierenden Hormondosierungen wird der natürliche Verlauf des weiblichen Menstruationszyklus genauer nachgeahmt, was zu weniger Nebenwirkungen führen soll.
Bei den Mehrphasenpräparaten sind verschiedene Regime (z. B. Zwei- und Dreiphasenpräparate) auf dem Markt, bei denen die Sexualhormone je nach Einnahmezyklus unterschiedlich hoch dosiert einzeln und/oder in Kombination enthalten sind.
Zudem gibt es auch ein Vierphasenpräparat mit zusätzlich zwei Placebo-Tabletten (26+2). Allerdings sind die geringeren unerwünschten Effekte prinzipiell mit einer unsicheren kontrazeptiven Wirkung verknüpft, vor allem, wenn die Einnahme einer Pille vergessen wird.
Typische Symptome eines thromboembolischen Ereignisses
Folgende Anzeichen erhöhen den Verdacht auf eine(n)
+ Beinvenenthrombose: starke Schmerzen oder Schwellungen eines Beins, begleitet von Druckschmerz, Erwärmung oder Änderung der Hautfarbe des Beins
+ Lungenembolie: plötzliche unerklärliche Atemlosigkeit, Atemnot oder schnelle Atmung; starke Schmerzen in der Brust, welche bei tiefem Einatmen zunehmen können; plötzlicher Husten ohne offensichtliche Ursache, bei dem Blut ausgehustet werden kann
+ Herzinfarkt: Brustschmerz (meist plötzlich auftretend), aber manchmal nur Unwohlsein, Druck, Schweregefühl; vom Oberkörper in den Rücken, Kiefer, Hals und Arm ausstrahlende Beschwerden, zusammen mit einem Völlegefühl, Verdauungsstörungen oder Erstickungsgefühl, Schwitzen, Übelkeit, Erbrechen oder Schwindelgefühl
+ Schlaganfall: Schwäche oder Taubheitsgefühl des Gesichtes, Arms oder Beins, die auf einer Körperseite besonders ausgeprägt ist; Sprach- oder Verständnisschwierigkeiten; plötzliche Verwirrtheit; plötzliche Sehstörungen oder Sehverlust; schwerere oder länger anhaltende Kopfschmerzen/Migräne
Verschiedene Generationen der Pille Während die Estrogenkomponente fast immer Ethinylestradiol ist, kommen als Gestagenkomponente viele verschiedene Gestagene zum Einsatz. Je nach Art des Gestagens und dem Zeitpunkt ihrer Entwicklung wer den die Pillen in verschiedene Generationen eingeteilt.
Die ersten Präparate enthielten Norethisteron (Pille der ersten Generation). Heute ist gängiger Kombinationspartner Levonorgestrel in unterschiedlichen Konzentrationen (Pille der zweiten Generation). Zudem enthalten heutige Präparate neu entwickelte Gestagene, die sich durch verschiedene Partialwirkungen auszeichnen. Gestagene wie Desogestrel, Gestoden und Norgestimat weisen keine androgenen Effekte auf (Pille der dritten Generation) und Drospirenon, Chlormadinon, Dienogest und Nomegestrol sind Gestagene mit antiandrogener Aktivität (Pille der vierten Generation).
Letztere Kontrazeptiva werden bei Frauen mit starker Akne, Seborrhoe oder Androgenisierungserscheinungen, wie einer vermehrten Körperbehaarung (Hirsutismus), oder beim Polyzystischen Ovarialsyndrom (PCOS) verordnet. Drospirenon eignet sich darüber hinaus bei Frauen mit Wassereinlagerungen (Ödemen) aufgrund antimineralcorticoider Eigenschaften.
Estrogenfreie Minipille Neben den Estrogen-Gestagen-Kombinationen sind auch reine Gestagen-Präparate zur Kontrazeption auf dem Markt. Diese als Minipille bezeichneten Kontrazeptiva werden täglich 28 Tage lang ohne Einnahmepause genommen. Während ältere Minipillen als Gestagen Levonorgestrel enthalten, wird in den neueren zumeist Desogestrel als Gestagen eingesetzt. Ganz neu ist eine Minipille mit Drospirenon, die im Mai 2021 in Deutschland zugelassen wurde.
Letztere folgt einem 24/4-Einnahmeschema, das heißt nach 24 wirkstoffhaltigen Tabletten folgen vier Placebo-Tabletten (24+4). Die Minipille mit 30 µg Levonorgestrel ist quasi die klassische Minipille. Sie weist im Vergleich zu den Kombinationspräparaten eine geringere Sicherheit (PI 0,5 bis 3) auf, da sie lediglich peripher über eine verminderte Beweglichkeit der Eileiter, eine Verdickung des Zervixschleims und eine Wachstumshemmung der Gebärmutterschleimhaut wirkt.
Den Eisprung vermag sie hingegen nicht zu hemmen. Weiterer Nachteil ist ihr kleines Einnahmefenster. Eine Minipille mit Levonorgestrel muss immer zur selben Tageszeit ein genommen werden. Bereits ab einer Verspätung von drei Stunden ist der Verhütungsschutz beeinträchtigt. Die neueren Minipillen mit 75 µg Desogestrel sind hingegen in der Lage, in 97 Prozent aller Anwendungen zusätzlich den Eisprung zu verhindern. Ihre kontrazeptionelle Sicherheit ist daher mit der herkömmlichen Pille, also mit den Estrogen-Gestagen-Kombinationen, vergleichbar (PI 0,5).
Zudem erlauben sie eine maximale Überschreitung des Einnahmezeitpunktes um zwölf Stunden. Ebenso wird mit dem Drospirenon-Monopräparat eine zusätzliche Ovulationshemmung erreicht. Sein PI liegt bei 0,73, womit es ähnlich sicher wie die Desogestrel-Minipille ist. Vorteil scheinen weniger Blutungsstörungen als mit Desogestrel und ein größeres Einnahmefenster zu sein. In einer klinischen Studie zeigt das Präparat ferner eine gleichbleibende kontrazeptive Sicherheit trotz verspäteter Tabletteneinnahme um 24 Stunden.
Minipillen sind auch für Frauen geeignet, die stillen. Gestagene gehen zwar in geringen Mengen in die Muttermilch über. Sie haben aber weder einen Einfluss auf die Milchproduktion noch negative Auswirkungen auf das Kind. Mit der Einnahme der Minipille sollte frühestens sechs Wochen nach der Entbindung begonnen werden. Sie erfolgt täglich ohne Pause. Durch die kontinuierliche Gestagengabe verändert sich das Blutungsmuster. Meist wird die Menstruation schwächer und die Zahl der Blutungstage nimmt ab.
Häufig wird auch gar keine Blutung mehr ausgelöst (Amenorrhö). Allerdings sind Schmier- und Zwischenblutungen möglich, vor allem in den ersten Einnahmemonaten. Die Zyklusveränderungen werden von den Verwenderinnen unterschiedlich bewertet. Manche Frauen sind beim Fehlen einer Regelblutung beunruhigt, andere schätzen wiederum, dass nicht nur die Blutung, sondern auch eventuell damit verbundene Schmerzen ausbleiben.
Andererseits kann es besonders zu Beginn der Gestagen-Anwendung zu Kopfschmerzen, Akne und depressiven Verstimmungen kommen. Da aber die reinen oralen Gestagenpräparate keinen negativen Effekt auf das Gerinnungssystem haben und somit nicht das Thromboembolierisiko erhöhen, sind sie auch für Frauen geeignet, die keine Estrogene einnehmen möchten oder dürfen.
Alternativen zur oralen Pilleneinnahme Mangelnde Compliance oder Durchfall und Erbrechen beeinträchtigen die Sicherheit oraler Kontrazeptiva. Zuverlässige Alternativen, bei denen nicht täglich an die Einnahme gedacht werden muss und die den Magen-Darm-Trakt umgehen, können hormonhaltige Depotformen sein.
Zur Auswahl stehen Präparate, die kontinuierlich eine Estrogen-Gestagen-Kombination abgeben, wie der Vaginalring und ein transdermales System (Hormonpflaster). Daneben existieren reine gestagenhaltige Depotformen, wie das Implantat (Hormonstäbchen), ein intrauterines System (Hormonspirale) oder die gestagenhaltige Depotspritze.
Vaginalring Ein durchsichtiger, transparenter, weicher und flexibler Ring aus Ethylen-Vinylacetat-Copolymer kann eigenständig von der Frau in die Vagina eingesetzt werden. Er setzt über drei Wochen hinweg kontinuierlich niedrige Konzentrationen an Estrogen (15µg Ethinylestradiol pro 24 Stunden) und Gestagen (120 µg Etonogestrel pro 24 Stunden) frei, die über die Vaginalschleimhaut absorbiert werden.
Nach dreiwöchiger Tragedauer wird der Ring entfernt. In der ringfreien Woche setzt dann die Abbruchblutung ein. Ein neuer Ring wird in der folgenden Woche am gleichen Wochentag zur gleichen Uhrzeit appliziert. Sollte der Ring weniger als drei Stunden außerhalb der Vagina sein, ist der kontrazeptive Schutz nicht beeinträchtigt. Verhütungssicherheit, Zykluskontrolle, Wirkmechanismus und Gegenanzeigen sind die gleichen wie bei der Pille (PI 0,64 bis 0,96).
Verhütungspflaster Das transdermale Matrixpflaster zur Empfängnisverhütung wird einmal wöchentlich auf die Haut geklebt, nach drei Wochen erfolgt eine siebentägige Hormonpause. Das Pflaster gibt kontinuierlich Estrogen und Gestagen (Norelgestromin) ins Blut ab, wobei die Dosis der täglich freigesetzten Hormone mit 20 µg Ethinylestradiol der von Mikropillen entspricht. Auch Wirkprinzip, Verträglichkeit und Sicherheit sind die gleichen wie die der Pille (PI 0,88).
Es ist allerdings nicht für Frauen über 90 Kilogramm geeignet, da bei ihnen der Empfängnisschutz nicht ausreichend gewährleistet werden kann. Sollte sich das Pflaster für weniger als 24 Stunden ganz oder teilweise ablösen, wird kein zusätzliches Kontrazeptivum notwendig, wenn es an derselben Stelle wieder aufgeklebt oder durch ein neues Pflaster ersetzt wird. Die häufigste unerwünschte Wirkung des Pflasters sind Hautreizungen, die zum Therapieabbruch führen können. Die Gegenanzeigen entsprechen weitestgehend denen der Pille.