Sicher verhüten
22 Minuten
- 1Verhütungsmethoden – Teil 1
- 2Verhütungsmethoden – Teil 2
- 3Nutzen-Risiko-Verhältnis
- 4Einnahme
- 5Fortbildung
01. Mai 2022
Junge Frauen entscheiden sich häufig für die Pille, also für eine hormonelle Kontrazeption, da sie einfach anzuwenden ist und sehr zuverlässig Schwangerschaften verhindert. Zudem schätzen sie die positiven Nebeneffekte, die mit der ovulationshemmenden Wirkung einhergehen.
Durch die gleichmäßig erzeugten Hormonspiegel lassen sich zyklusabhängige Probleme wie beispielsweise schmerzhafte Regelblutungen (Dysmenorrhö) oder prämenstruelle Beschwerden (PMS) häufig lindern.
Zudem können bei spezieller Präparatewahl auch Wirkungen außerhalb des weiblichen Genitaltraktes wie die Linderung von Akne, einer unerwünschten Körperbehaarung oder übermäßigen Wassereinlagerungen erzielt werden.
Allerdings haben in den letzten Jahren auch unerwünschte Nebenwirkungen, vor allem die erhöhte Thromboemboliegefahr, für eine Verunsicherung unter den Verwenderinnen ge sorgt und der Anteil der jungen Frauen, die mit der Pille verhüten, geht zunehmend zurück. Während 2015 noch 44 Prozent der 14- bis 19-Jährigen die Pille verordnet bekamen, waren es fünf Jahre später lediglich 33 Prozent – so eine kürzlich er folgte Auswertung der Techniker Krankenkasse.
LERNZIELE
Lernen Sie in dieser von der Bundesapothekerkammer akkreditierten Fortbildung unter anderem:
+ verschiedene hormonelle und nicht hormonelle Verhütungsmethoden kennen,
+ das Wirkprinzip der Pille verstehen,
+ Einzelheiten über die Unterschiede zwischen den verschiedenen Pillenarten,
+ unterschiedliche Einnahmeschemata kennen,
+ Näheres zum Wirkprofil der Gestagen-Komponente,
+ über Alternativen zur oralen Pilleneinnahme,
+ welche Wirkstoffe und Applikationsformen mit einem besonders hohen beziehungsweise niedrigen Thrombose-Risiko verbunden sind sowie
+ typische Symptome eines thromboembolischen Ereignisses kennen.
Pille – heutzutage Mikropillen Als „Pille“ werden üblicher weise oral einzunehmende, hormonelle empfängnisverhütende Mittel (Kontrazeptiva) bezeichnet, die eine Kombination aus einem Estrogen und einem Gestagen enthalten. Selten sind Estradiol, Estradiolvalerat und Estetrol Kombinationspartner. In den allermeisten Fällen dient Ethinylestradiol als Estrogenkomponente.
Dessen Dosis wurde im Laufe der Zeit immer weiter reduziert, um Nebenwirkungen zu minimieren. Wäh rend vor 60 Jahren mit Einführung der Pille in Deutschland noch 50 Mikrogramm (µg) Ethinylestradiol enthalten waren, finden sich heute in gängigen Präparaten 35 bis 20 µg, vereinzelt auch nur 15 µg. Aufgrund ihres niedrigen Estrogen-Gehaltes werden sie auch Mikropille genannt. Aber Vorsicht, die niedrig dosierten Kombinationspräparate sind keine Minipillen. Darunter werden reine Gestagenpräparate verstanden.
Pille täuscht Schwangerschaft vor Bei den Estrogen-Gestagen-Kombinationen spricht man auch von Ovulationshemmern, da sie den Eisprung (Ovulation) über eine Unterdrückung der Reifung der Eizellen (Follikel) verhindern. Dies gelingt, indem die Präparate in den hormonellen Regelkreis eingreifen, der den Zyklus steuert. Dieser ist durch einen dreistufigen Kontrollmechanismus charakterisiert, an dem Hormone des Zwischenhirns (Hypothalamus), der Hirnanhangdrüse (Hypophyse) und der Eierstöcke (Ovarien) beteiligt sind.
Der Hypothalamus fungiert als oberste Schaltzentrale. Er schüttet in einem bestimmten Rhythmus das Freisetzungshormon GnRH (Gonadotropin Releasing Hormon) aus, das in der Hypophyse die Bildung und Ausschüttung von FSH (Follikelstimulieren des Hormon) und LH (Lutenisierendes Hormon) stimuliert. Durch Einnahme der Pille wird der Hormonspiegel beider Sexualhormone im Körper künstlich hochgehalten.
Sie täuschen dem Körper auf diese Weise eine Schwangerschaft vor, so dass über eine negative Rückkopplung die Ausschüttung von FSH und LH unterdrückt und damit eine Follikelreifung und Ovulation verhindert werden. Neben diesem zentral hemmenden, hypothalamischen Effekt hinaus haben die hormonellen Kombinationspräparate noch periphere Eigenschaften an der Gebärmutterschleimhaut (Endometrium) und am Gebärmutterhals (Zervix).
Während die hypophysäre Blockierung vor allem dem Estrogen zuzuschreiben ist, ist für die periphere Beeinflussung insbesondere die Gestagen-Komponente verantwortlich. Das Gestagen verhindert den Aufbau und damit die Verdickung des Endometriums, was die Einnistung (Nidation) eines Eis unmöglich macht. Zu gleich erhöht es die Viskosität des Zervixschleims, sodass die Spermien den Kanal des Muttermundes, durch den sie in die Gebärmutter gelangen, kaum noch passieren können.
Hohe Sicherheit Durch diesen komplexen Mechanismus erzielen orale Estrogen-Gestagen-Kombinationen eine hohe Sicherheit. Die Pille gilt als das zuverlässigste Kontrazeptivum. Ihr Pearl-Index (PI) wird mit 0,03 bis 0,5 angegeben. Der PI ist das Maß dafür, wie sicher und zuverlässig eine Methode eine ungewollte Schwangerschaft verhindert. Er nennt die Zahl der Schwangerschaften pro 100 Frauen, die ein Jahr lang die jeweilige Methode zur Kontrazeption angewendet haben.
Beim Kondom beträgt der PI beispielsweise 2 bis 12, das heißt, es werden im Verlaufe eines Jahres zwei bis zwölf von 100 Frauen unter der Verwendung eines Kondoms als Verhütungsmethode schwanger. Beim ungeschützten Geschlechtsverkehr schwankt der Index zwi schen 60 und 100. Grundsätzlich gelten Methoden mit einem PI unter 1 als sicher, zwischen 1 und 5 als relativ sicher und solche mit einem PI zwi schen 5 und 10 bieten einen mittleren Schutz. Bei der Pille und anderen hormonellen Kontrazeptiva geht man davon aus, dass die trotz Verhütung auftretenden Schwangerschaften auf Einnahmefehler zurückgehen.
Klassische Einphasenpräparate Bei den Estrogen-Gestagen-Kombinationen werden Ein- und Mehrphasenpräparate unterschieden. Zumeist wird heute das Einphasenpräparat angewendet, bei dem jede wirkstoffhaltige Tablette beide weiblichen Sexualhormone in konstanter Menge enthält. Üblicherweise werden die Einphasenpräparate 21 Tage lang ein genommen. Danach folgen sieben Tage Einnahmepause, in der nach zwei bis drei Tagen eine Abbruch beziehungsweise Entzugsblutung erfolgt.
Neben den Pillen mit dem klassischen Einnahmeschema 21/7 sind auch Präparate mit 24 Hormontabletten auf dem Markt. Durch das verkürzte hormonfreie Intervall sollen geringere Hormonschwankungen erzielt und damit die Ovulation zuverlässiger unterdrückt werden bei gleichzeitig weniger unerwünschten Wirkungen durch die Abbruchblutung. Die Packungen beinhalten zudem vier wirkstofffreie Placebos, die anstelle der Pillenpause einfach im Anschluss an die Verum-Tabletten eingenommen werden (24+4).
Die Blutung setzt dann während der Einnahme der Placebo-Tabletten ein. Durch ein konstantes Einnehmen von Pillen ohne Pause sollen Einnahmefehler reduziert werden, die häufig aus einer versehentlich verlängerten Pillenpause entstehen. Wird die wirkstofffreie Zeit von maximal sieben Tagen überschritten, ist die Sicherheit der Pille gefährdet. Einige Hersteller bieten auch zusätzlich zu den 21 Verum-Tabletten sieben Placebo-Tabletten an, um eine durchgängige Tabletten-Einnahme zu ermöglichen (21+7).
Auch wenn mit den „Vier-Wochen-Präparaten“ für eine bessere Compliance gesorgt werden soll, sollten Sie die Verwenderin bei der Abgabe sicherheitshalber auf die korrekte Reihenfolge der Tabletten bei der Einnahme hinweisen.