Schöne und gesunde Beine
17 Minuten
- 1Einführung
- 2Diagnostik und Verlaufsformen
- 3Therapieformen
- 4Weitere therapeutische Maßnahmen
- 5Fortbildung
01. Januar 2021
Passgenaue Kompression Die medizinischen Kompressionsstrümpfe können in Maß und Serie gefertigt werden. Sie werden in der Apotheke individuell angemessen. Üblicherweise erhält der Kunde eine Verordnung durch den Arzt und in der Apotheke wird ein Termin zum Vermessen der Beine vereinbart. Die Messung erfolgt am ödemfreien Bein des stehenden Patienten. Es ist am besten, die Messung morgens früh direkt nach dem Aufstehen durchzuführen, wenn die Beine noch nicht geschwollen sind. Manche Apotheken bieten deshalb auch Hausbesuche an. Die Messpunkte (Länge und Umfang des Beines) entsprechen definierten Normen. Die Strumpf-Hersteller liefern dafür spezielle Tabellen und Schablonen.
Ist die Kompression an beiden Beinen nötig, muss jedes Bein einzeln vermessen werden und zwei unterschiedliche Strümpfe angefertigt werden. In den meisten Fällen sind allerdings keine speziellen Maßanfertigungen nötig, sondern Serienmodelle passend. Die Messwerte zeigen, ob eine Seriengröße passt. Kompressionsstrümpfe sind als Waden-, Halbschenkel-, Schenkel- und Schenkelstrümpfe mit Halterung und als Strumpfhose erhältlich. Medizinische Kompressionstrümpfe unterscheiden sich nach den Kompressionsklassen 1 (leichte Kompression 18 bis 21 mmHg), 2 (mittlere Kompression 22 bis 32 mmHg), 3 (kräftig 34 bis 46 mmHg) und 4 (sehr kräftige Kompression 49 mmHg und kräftiger).
Eine leichte Kompression wird zur Prävention bei Risikopatienten empfohlen. Bei fortgeschrittenen Venenerkrankungen bis hin zum irreversiblen Lymphödem ist eine sehr kräftige Kompression erforderlich. Zusammen mit der Verordnung eines Kompressionsstrumpfes sollte den Kunden eine An- und Ausziehhilfe angeboten werden. Hierzu muss der Kunde angeleitet werden. Zu den Hilfsmitteln zählen Gummihandschuhe, Gleitsocken, Gestelle und Abrollhilfen. Die einfachste Art der Anziehhilfe ist eine Gleitsocke. Sie ist aus sehr glattem Stoff und wird über den Fuß gestülpt.
Ein Kompressionsstrumpf ohne Spitze wird nun darüber angelegt und die Gleitsocke wird an dem offenen Ende wieder herausgezogen. Der Kompressionsstrumpf gleitet auf dem glatten Gewebe sehr viel besser als auf der Haut. Werden Anziehhilfen vom Arzt verordnet, müssen sie auf einem separaten Rezept verschrieben werden. Unter einer dauerhaften Kompressionstherapie leiden die Kunden oftmals unter Hautschuppung und Trockenheit der Haut. PTA und Apotheker sollten deshalb im Rahmen der Beratung geeignete Lotionen für die Hautpflege empfehlen.
THERAPEUTISCHE MASSNAHMEN LAUT S2K-LEITLINIE DIAGNOSTIK UND THERAPIE DER VARIKOSE
+ Konservative Maßnahmen
+ Kompressionstherapie
+ Physikalische Maßnahmen
+ Medikamentöse Therapie
+ Operative Verfahren
+ Stammvenenausschaltende Verfahren
+ Stammvenenerhaltende Verfahren
+ Endovenöse chemische und thermische Verfahren
Medikamentöse Therapie Als Ödemprotektiva kommen verschiedene Phytopharmaka zum Einsatz. Die Evidenzlage zur Wirksamkeit ist niedriger als für die Kompressionstherapie. Eine Kombination aus beiden Maßnahmen kann erwogen werden. Gemäß der Leitlinie stehen in Deutschland folgende Substanzen mit evidenzbasierter Wirksamkeit zur Behandlung zur Verfügung: standardisierter roter Weinlaubextrakt (AS 195), standardisierter Rosskastanienextrakt und Echter Buchweizen mit Oxerutin. Für alle Präparate gilt, dass die Wirkung erst nach einer kontinuierlichen Einnahmedauer von mindestens zwei bis vier Wochen beurteilt werden kann. Die pflanzlichen Venenmittel wirken antientzündlich, membranstabilisierend und antiödematös. Im Extrakt aus dem roten Weinlaub sind Flavonoide, unter anderem Quercetin- 3-O-b-glucuronid, Isoquercitin und Kämpferglucosid, für die Wirksamkeit verantwortlich. Studien zufolge wirkt der rote Weinlaubextrakt schützend und regenerativ auf das geschädigte Gefäßendothel. Die Flavonoide greifen antioxidativ in den Entzündungsprozess ein. Die übliche Tagesdosis beträgt einmal täglich 360 Milligramm des Trockenextraktes.
INDIKATIONEN FÜR DIE KOMPRESSIONSTHERAPIE:
+ Thrombose
+ Venenentzündung
+ Krampfadern
+ Chronische Venöse Insuffizienz (CVI)
+ Lymph- und Lipödem
+ alle venös bedingten Beinbeschwerden
+ alle venös bedingten Beinbeschwerden in der Schwangerschaft
+ Thromboseprophylaxe auf Reisen
+ Nachbehandlung von Venenoperationen
+ Sklerotherapie und allen anderen Formen der Krampfaderbehandlung.
Die Einnahme sollte mit einem Glas Wasser vor der Mahlzeit erfolgen. Seltene Nebenwirkungen sind Magenunverträglichkeiten und Juckreiz. Aescin ist ein Triterpenglykosid-Gemisch aus den Samen der Rosskastanie (Aesculus hippocastanum). Dieses dichtet die geschädigten Venenwände ab und vermindert den Austritt von Flüssigkeit aus dem Blut in das umgebende Gewebe. Die Wirkung lässt sich darauf zurückführen, dass Aescin mit dem Cholesterin in der Lysosomenzellwand eine Komplexreaktion eingeht und dadurch die Freisetzung der lysosomalen Enzyme ins Blut vermindert wird. Zusätzlich stabilisieren die lipophilen Aescin-Cholesterin- Komplexe die durchlässigen Venenwände.
Es wird eine Extraktmenge von 100 Milligramm Aescin pro Tag verteilt auf zwei Einzeldosen empfohlen. Als Wechselwirkung ist nur die Verstärkung gerinnungshemmender Substanzen bekannt. Selten treten als Nebenwirkungen Juckreiz sowie Übelkeit und Magenbeschwerden auf. Oxerutin sollte in einer Dosis von 1000 Milligramm in zwei Einzeldosen pro Tag über einen längeren Zeitraum eingenommen werden. Selten sind hier Kopfschmerzen als Nebenwirkungen beschrieben. Die Leitlinie weist darauf hin, dass Studienergebnisse bei pflanzlichen Präparaten immer nur streng auf das Prüfmedikament bezogen werden können. Das gilt für Extrakte aus rotem Weinlaub ebenso wie für Extrakte aus Rosskastaniensamen. Grundsätzlich sind für Pflanzenextrakte außerdem standardisierte Herstellungsverfahren zu fordern, um die Wirksamkeit sicherzustellen.
Ein wichtiger Hinweis bei der Abgabe von Phytopharmaka ist, dass keine rasche oder gar akute Linderung nach der einmaligen Einnahme zu erwarten ist. Sie sind allerdings gut verträglich und können auch über einen längeren Zeitraum risikolos eingenommen werden. Wechselwirkungen sind vernachlässigbar. Wer orale Phytopharmaka zur Thromboseprophylaxe oder gegen Venenbeschwerden auf einer langen Reise im Auto oder im Flugzeug einnehmen möchte, dem sollte abgeraten werden. Für diesen kurzfristigen Einsatz sind Kompressionsstrümpfe eine deutlich bessere und wirksamere Alternative. Auch Patienten mit Besenreisern unter der Haut, die eine kosmetische Verbesserung wünschen, sollten die Erwartung in die Phytopharmaka nicht zu hoch setzen. Wünscht ein Patient mit gravierenden Beschwerden und offenen Hautstellen – also beginnenden Ulcera – Phytopharmaka, können diese höchstens zur Unterstützung einer Kompressionstherapie empfohlen werden.
ACHTUNG PERIPHERE VERSCHLUSSKRANKHEIT!
Schmerzen in den Beinen können auch aufgrund einer pathologischen Veränderung im arteriellen Gefäßsystem entstehen. Arteriosklerotische Veränderungen in den Arterien bedingen eine fortschreitende Verengung der Arterien in Armen und sehr häufig in den Beinen. Die dabei entstehenden Durchblutungsstörungen führen zu einer Minderversorgung des Gewebes. Im fortgeschrittenen Stadium bilden sich schlecht heilende Geschwüre bis hin zu Nekrosen aus. Eine wichtige Unterscheidung der peripheren Verschlusskrankheit von einer Venenerkrankung ist, dass sich die Schmerzen in den Beinen beim Gehen längerer Strecken, im Verlauf der Krankheit auch schon nach kürzeren Etappen, ausbilden. Venenschmerzen bessern sich dagegen unter Bewegung.
Unterstützung aus der Tube Für lokal anzuwendende Gele und Cremes gibt es keinerlei Evidenz. Rein subjektiv empfinden die Patienten aber beim Eincremen der Beine mit kühlenden Gelen und beruhigenden Salben einen positiven Effekt. Die Massage, im Idealfall vom Knöchel aus aufsteigend, tut der Beinmuskulatur gut. Der Rückfluss des venösen Blutes in Richtung Herz wird unterstützt. PTA und Apotheker sollten bei der Auswahl des jeweiligen Präparates nach dem Hautzustand fragen. Bei trockener Haut sind fetthaltige Zubereitungen besser als Gele.
In einigen Cremes ist Alkohol zugesetzt, um einen kühlenden Effekt zu erreichen. Sie trocknen jedoch die bei Patienten mit Venenerkrankungen ohnehin schon angegriffene Haut zusätzlich aus. Einige Kunden fragen nach Salben oder Cremes mit Heparin. Diese Darreichungsform ist jedoch zur Behandlung eines Venenleidens wirkungslos. Die Heparin-Moleküle sind so groß, dass sie die Hautbarriere nicht durchdringen können. Auch hier ist alleine der Massageeffekt günstig zu beurteilen.
Dr. Katja Renner, Apothekerin
Die Autorin versichert, dass keine Interessenkonflikte im Sinne von finanziellen oder persönlichen Beziehungen zu Dritten bestehen, die von den Inhalten dieser Fortbildung positiv oder negativ betroffen sein könnten.