Phytotherapie
PTA-Fortbildung

Phytotherapie: pflanzliche Arzneimittel

Pflanzliche Arzneimittel und Medizinprodukte sind bei den Apothekenkunden sehr beliebt. Zeigen Sie Ihre Beratungskompetenz, indem Sie wirksame und sichere Präparate empfehlen. Am besten raten Sie zu evidenzbasierten Phytopharmaka.

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Die Monografien werden in regelmäßigen Abständen dem aktuellen Wissensstand angepasst, sodass sich die Kategorien und zugesprochenen Indikationen auch ändern können. Dies ist beispielsweise bei den Weißdornblättern mit Blüten geschehen. Die Kommission E hatte in den 1990er Jahren aufgrund des damals für gut befundenen Studienmaterials den Weißdorn-Trockenextrakten die Indikation „nachlassende Leistungsfähigkeit des Herzens entsprechend Stadium II nach NYHA (New York Heart Association)“ zugestanden. Eine Neubewertung des HMPC führte zur Änderung des Einsatzgebietes. Nach Meinung der Experten genügt das vorliegende Erkenntnismaterial nicht den heutigen Anforderungen an den Wirksamkeitsbeleg für evidenzbasierte Phytopharmaka. Zudem war selbst bei einer Add-on-Anwendung zur etablierten Therapie keine ausreichende therapeutische Wirksamkeit bei Herzinsuffizienz nachweisbar.

Die vor wenigen Jahren veröffentlichte HMPC-Monographie der EMA gesteht den Weißdorn-Extrakten daher heute nur noch den Traditional-use-Status zu, basierend auf ihrer langjährigen Anwendung zur Linderung vorübergehender nervöser Herzbeschwerden, wie Herzklopfen, nachdem schwere Erkrankungen vorher durch einen Arzt ausgeschlossen wurden.

Bei anderen Phytopharmaka erlosch sogar die Zulassung, beispielsweise bei Kava-Kava-haltigen Arzneimitteln. Hier hat das BfArM im Dezember 2019 den Widerruf der Zulassung angeordnet, da das HMPC das Nutzen-Risiko-Verhältnis als ungünstig bewertet hat. Demnach überwogen die Anwendungsrisiken in Form von hepatotoxischen Ereignissen dem therapeutischen Nutzen der Kava-Kava-haltigen Phytopharmaka.

Droge-Extrakt-Verhältnis
Das Droge-Extrakt-Verhältnis (DAV) gibt das Verhältnis von der Menge der eingesetzten Droge zur Menge des erhaltenen Extraktes an. Es beschreibt also die Extraktausbeute, die man bei einem bestimmten Herstellungsverfahren erhält. Damit ist das DEV ein Kriterium für die Extraktqualität.
Die Angabe erfolgt in seiner natürlichen Schwankungsbreite als Spanne mit Minimal- und Maximalwert. Ein DEV von 3-6:1 bedeutet beispielsweise, dass aus drei bis sechs Teilen Droge ein Teil Extrakt hergestellt wird. Damit entsprechen 100 Milligramm Extrakt 300 bis 600 Milligramm Droge.
Je enger die Spannbreite ist, desto stärker legt sich der Hersteller auf eine einheitliche Drogenqualität fest. Zugleich ist die Droge umso ergiebiger, je niedriger dieser Wert ist. Da der DEV vom Extraktionsmittel abhängt, lässt sich der DEV verschiedener Präparate nur vergleichen, wenn das gleiche Extraktionsmittel eingesetzt wurde. Mit dem DEV lässt sich außerdem überprüfen, ob die deklarierte Tagesdosis auch der in der Monographie für die Droge angegebenen Tagesdosis entspricht.
Beispiel: Enthält ein Dragee 440 Milligramm Baldrianwurzel-Trockenextrakt mit einem DEV von 6-7,4:1, entspricht dies der empfohlenen Tagesdosis von 2 bis 3 Gramm, die die Monographie der Kommission E fordert. Zur Erläuterung: Zu dem Ergebnis kommt man rechnerisch durch Multiplikation von 440 Milligramm x 6,7 (Mittelwert aus 6 bis 7,4), woraus sich 2948 Milligramm Droge ergeben.

 

Standardzulassungen

Daneben sind bestimmte Arzneimittel aufgrund von Standardzulassungen von der Zulassungspflicht freigestellt. Voraussetzung hierbei ist, dass keine Gefährdung von Mensch und Tier zu befürchten ist. Damit erhalten öffentliche Apotheken die Möglichkeit, selbst hergestellte Arzneimittel auf einfache und kostengünstige Weise abzugeben.

Das Spektrum arzneilich wirksamer Bestandteile reicht von chemisch definierten Substanzen (z. B. Paracetamol) bis hin zu arzneilich wirksamen Tees. Typische Beispiele aus dem Bereich der pflanzlichen Arzneimittel, die im Apothekenalltag regelmäßig vorkommen, sind diverse Tinkturen (z. B. Baldrian-, Myrrhentinktur), Arzneidrogen (z. B. Kamillenblüten, Salbeiblätter) oder Arzneitees (z. B. Hustentee, Magentee). Eine vollständige Liste finden Sie auf den Seiten des BfArM.

Für diese Arzneimittel sind die erforderlichen Angaben zur Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit in Form von Standardmonographien beim BfArM hinterlegt. Die Nutzung einer Standardzulassung muss die Apotheke dem BfArM und der zuständigen Landesbehörde mit einem Formular anzeigen, ebenso Änderungen oder den Verzicht darauf.

Nicht alles, was aus einer Pflanze kommt, ist ein Phytopharmakon

Aber nicht alle Zubereitungen, die pflanzliche Bestandteile enthalten und zugelassen sind, sind Phytopharmaka. Isolierte Einzelstoffe, wie beispielsweise Morphin oder Digitoxin, zählen nicht dazu. Phytopharmaka sind vielmehr komplexe Vielstoffgemische, die eine Vielzahl von Einzelsubstanzen beinhalten, die alle zur Wirkung beitragen.

Nicht in einen Topf werfen

Ebenso sind homöopathische oder anthroposophische Arzneimittel von den Phytopharmaka abzugrenzen. Beide Naturheilverfahren gehören zwar wie die Phytotherapie zur Gruppe der „besonderen Therapierichtungen“ und verwenden teilweise auch Pflanzen als Ausgangsstoff. Sie unterscheiden sich aber grundlegend in ihrem Heilansatz.

Während die Phytotherapie im Sinne der evidenzbasierten Schulmedizin nach naturwissenschaftlichem Wirkprinzip mit standardisierten wissenschaftlich überprüfbaren Mitteln therapiert, heilt die Homöopathie bekanntermaßen nach dem Grundsatz „Ähnliches mit Ähnlichem“, der vom Arzt Samuel Hahnemann (1755-1843) entwickelt wurde. In der Anthroposophie, die von Rudolf Steiner (1861-1925) begründet und von der Ärztin Ita Wegmann (1876-1943) mit geisteswissenschaftlichen Aspekten weiterentwickelt wurde, nimmt das anthroposophische Menschenbild einen zentralen Stellenwert ein.

„Anders als bei pflanzlichen Arzneimitteln ist für Homöopathie und Anthroposophie keine Wirkung über den Placebo-Effekt hinaus nachweisbar.“

Häufig ein Nahrungsergänzungsmittel

Genauso wenig sind Nahrungsergänzungsmittel (NEM) Phytopharmaka. Sie ähneln zwar auf dem ersten Blick häufig einem pflanzlichen Arzneimittel, da sie pflanzenbasiert sein können. NEM unterliegen aber nicht dem Arzneimittelrecht, sondern den Regelungen des Lebensmittelrechts und sind somit den Lebensmitteln zuzuordnen.

Ihr Inverkehrbringen ist nicht – wie im Arzneimittelrecht – mit einer Zulassung und somit mit Prüfungen auf Wirksamkeit, Unbedenklichkeit und Qualität verbunden. NEM werden vielmehr nur beim Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BLV) angezeigt und können somit ohne vorher durchgeführte toxikologische Untersuchungen, kontrollierte klinische Studien oder anderes nachgewiesenes wissenschaftliches Erkenntnismaterial in den Markt eingeführt werden. Voraussetzung dafür ist lediglich eine Überprüfung der produktbezogenen Aussagen von der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA).

Im Gegensatz zu Arzneimitteln, die eine kurative und präventive Wirkung erzielen sollen, sind NEM nicht dazu bestimmt, Krankheiten zu heilen oder zu verhüten. Sie dienen lediglich der Ergänzung der allgemeinen Ernährung. Daher dürfen sie weder krankheitsbedingte Aussagen treffen noch sich auf Indikationen festlegen.

Es sind nur nährwert- und gesundheitsbezogene Aussagen erlaubt, die zuvor von der EFSA positiv bewertet wurden. Diese Gesundheitsversprechen, Health Claims genannt, klingen allerdings häufig indikationsähnlich, sodass es nicht immer einfach ist, den Unterschied zu pflanzlichen Arzneimitteln zu erkennen. Außerdem erschweren es fehlende Deklarationsstandards, die Qualität eines NEM zu beurteilen.

Erkennbar ist ein NEM an der fehlenden Zulassungs- oder Registrierungsnummer. Auch machen sie keine Dosierungsangaben. Vielmehr nennen sie Begriffe wie „Tagesbedarf“ oder „Verzehrempfehlung“. Das Haltbarkeitsdatum wird im Unterschied zu Arzneimitteln nicht mit „verwendbar bis“, sondern analog zu Lebensmitteln mit „mindestens haltbar bis“ gekennzeichnet.

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