Katzenbaby © RalchevDesign / iStock / Thinkstock
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Kulinaria

WARUM WIR KEINE KATZEN ESSEN

Warum läuft in Edel-Restaurants so oft klassische Musik? Warum essen wir von einem roten Teller weniger? Und warum würden wir niemals einen Katzenbraten zubereiten? Die Antwort ist pure Psychologie.

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Die Frucht „Yang Tao“ verkaufte sich nicht besonders gut. Wie Blei lag sie in den Regalen und auch der Zusatz „Chinesische Stachelbeere“ auf dem Schild machte die Sache nicht besser. Um 1960 tauften die neuseeländischen Produzenten die kleine braune Vitamin-C-Bombe einfach um: Fortan eroberte die „Kiwi“ den Weltmarkt in Rekordgeschwindigkeit

Der Name macht’s Wie wichtig der „richtige“ Name oder eine griffige Bezeichnung für ein Nahrungsmittel ist, beweisen die nüchternen Verkaufszahlen; schlichtes Vanilleeis wird durch den Zusatz „dänisch“ für hochwertiger gehalten, die simple Vollmilchschokolade durch den Begriff „belgisch“ teurer. Legendär auch der Restaurantbesitzer, dessen Schokoladenkuchen einfach nicht gehen wollte: Nachdem er ihn in „Black Forest Belgian Double Chocolate Cake“ umgetauft hatte, lief die Sache. Wein wird durch sein Etikett und vor allem über den Preis bewertet. An der Universität Bonn schenkte man Probanden drei Gläser ein, die angeblich jeweils drei, sechs und zwölf Euro kosteten. Die Versuchsteilnehmer beurteilten beim Probetrunk durchweg den teuersten Wein am besten – dabei hatten sie dreimal genau denselben verkostet.

Kalorien schmecken besser In einem anderen Experiment wurde den Teilnehmern wieder der gleiche Drink angeboten, diesmal ein Mango-Lassi. Den einen wurde erklärt, er wäre sehr gesund, den anderen, er sei ausgesprochen kalorienreich. Wen wundert‘s: Der Nahrhafte schmeckte einfach besser. Wir Menschen, die von ihren höhlenbewohnenden Vorfahren die Sucht nach Salzigem, Süßen und Fetten geerbt haben, funktionieren eben immer noch prima. Auch die Hintergrundmusik hat einen immensen Einfluss auf unser Geschmacksempfinden. Heavy Metal zum Steak passt nicht, Lounge Jazz schon eher. Am meisten Trinkgeld geben die Leute bei Klassik – und am wenigsten, wenn gar keine Musik läuft. Wer das nicht glaubt, kann den Einfluss von Musik auf unseren Geschmack testen: Dazu braucht es lediglich dunkle Schokolade und eine Tasse Kaffee sowie einen Song von Madonna (am besten „Ray of light“) und eine Arie von Placido Domingo. Wetten, dass bei Madonna alles süßer schmeckt?

Die rote Gefahr Und was hat es nun mit dem roten Teller auf sich? Denn meist wird Essen ja auf weißgrundigen Tellern serviert. Es sieht nämlich einfach appetitlicher aus. Oder haben Sie schon einmal Lachs in Sahnesoße von einem fliegenpilzfarbigen Teller verspeist? Genau daran denkt unser Hirn nämlich bei diesem Anblick und signalisiert „Gefahr!“. Die Japaner sind übrigens Meister im Arrangement von Speisen auf Porzellan. Es hat schon seinen Grund, dass ein kunstvoll komponiertes Kartoffel-Sellerie-Jus an T-Bone-Streifen auf weißem Porzellan erheblich mehr kostet als Kotelett mit Kartoffelpüree auf Steingut in kittgrün – und  das liegt nicht nur an der Namensgebung, denn das Auge isst mit.
Und was ist mit Fleisch? Warum kraulen wir unseren Hund hinter den Ohren, lieben ihn herzlich und würden niemals seine Lenden braten, würzen und verspeisen – was wir beim Rinderbraten ohne mit der Wimper zu zucken tun?

Vom Lämmchen zum Braten Und hier, beim Unterschied zwischen Haus- und Nutztieren und deren Unterschied zum Menschen scheiden sich in diesen Zeiten die Geister. Immerhin bevorzugt die Mehrheit der Deutschen Fleischgerichte, wie der vom Bundeslandwirtschaftsministerium vorgestellte „Ernährungsreport 2017“ ergab. Doch diese Mehrheit liegt nur bei knapp über 50 Prozent. Denn: Wir essen Fleisch, möchten aber lieber nicht so genau wissen, wie sich das Babyschäfchen mit dem flockigen Fell zur geschmorten Lammschulter verwandelt hat. „Dissonanz“ nennt das die Psychologie: „Wer die Intelligenz seines Haustieres lobt, aber gleichzeitig Nutztieren jegliche Klugheit abspricht, steckt in einem Dilemma“, erklären die beiden FAZ-Journalistinnen Melanie Mühl und Diana von Kopp in ihrem Buch „Die Kunst des klugen Essens“. Sie weisen nach, dass Menschen lieber Fleisch von den Tieren essen, die sie für unintelligent halten. Von Rindern beispielsweise. Und von Schweinen.

Schweinchen Schlau Doch ach, das Schwein. Jeder Bauer weiß, dass er seine Gatter lieber ausbruchssicher gestaltet, denn die schlauen Tiere sind Ausbrecherkönige. Schweine sind in der Lage, nach etwas Training mit zweistelligen Zahlen zu addieren und zu subtrahieren – das ist kein Witz. Sie können hunderte von Menschengesichtern auf Fotos auseinanderhalten und kapieren Mengenlehre besser als ein Grundschulkind. Wofür Hunde eine Woche brauchen, das lernen Schweine in weniger als zwanzig Minuten. Und wenn mal ein Schwein stirbt, dann trauert der verbliebene Kumpel und verweigert tagelang das Fressen. Der Philosoph Richard David Precht schreibt das in seinem neuen Buch „Tiere denken“ und zitiert dabei aus wissenschaftlichen Studien. Er beschäftigt sich darin mit der geschichtlichen Entwicklung des Fleischessens und weiß: „Wir brauchen Fleisch heute nicht mehr als Ernährungsgrundlage“. Anders sähe dies bei den Inuit, Pygmäen und Buschmännern aus.


Und Precht hat einen neuen Ansatz für die Fleischproduktion der Zukunft, für die kein Tierleid mehr in Kauf genommen werden müsse. Am 5. August 2013, so erzählt der Wissenschaftler, habe der niederländische Physiologe Mark Post von der Universität Maastricht der Öffentlichkeit ein Stück Hackfleisch präsentiert, das umgehend von einem Sternekoch zur Frikadelle verarbeitet wurde. Nicht übel fanden es die Testesser, vielleicht ein wenig trocken, aber durchaus lecker. Dann erfuhren die Probanden, dass es sich bei dem Gehackten um Laborfleisch handelte – gezüchtet aus der Nackenmuskel- Stammzelle einer Kuh. Kein Tier hatte dafür sterben müssen (die Kuh muhte immer noch glücklich in ihrem Stall), und massentauglich sei die neue Technologie auch.

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 02/17 ab Seite 130.

Alexandra Regner, PTA, Journalistin und Redaktion

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