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Mittelohrentzündung

TYPISCH KIND

Starke, stechende Ohrenschmerzen, Fieber und ein schlechtes Allgemeinbefinden – eine rasche Behandlung ist erforderlich, um die Schmerzen zu lindern und Komplikationen zu verhindern.

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Die akute Mittelohrentzündung wird durch Viren oder Bakterien ausgelöst und gehört zu den häufigsten Erkrankungen im Kindesalter. Statistiken zufolge haben bis zum Ende des dritten Lebensjahrs mindestens zwei Drittel aller Kinder eine Mittelohrentzündung durchgemacht, viele sogar mehrere. Im Laufe des Grundschulalters tritt das Problem dann immer seltener auf.

Warum das schmerzhafte Leiden vor allem die Jüngsten trifft, liegt zum einen daran, dass ihr Immunsystem noch nicht voll ausgereift ist. Sehr häufig kommt es im Rahmen einer banalen Erkältung zu den stechenden Schmerzen im Ohr. Im Kindesalter sind acht oder gar zehn einfache Atemwegsinfekte im Jahr keine Seltenheit, wodurch das Risiko für Mittelohrentzündungen ohnehin schon erhöht ist. Hinzu kommt, dass bei Kindern der Verbindungskanal zwischen Mittelohr und Rachen, die Eustachische Röhre, kürzer und flacher verläuft als bei Erwachsenen.

So können Krankheitserreger leicht aus dem Rachen ins Ohr gelangen. Schwillt die enge Röhre während einer Infektion zu, können Flüssigkeit und Schleim nicht mehr abfließen und stauen sich im Mittelohr. Infolgedessen steigt hier der Druck. Wird der Druck im Mittelohr zu groß, kann es passieren, dass sich ein Riss im Trommelfell bildet und eitriges Sekret nach außen abläuft. Zum Glück heilt ein derartiger Riss meist wieder problemlos zu.

Immer zum Arzt Charakteristisch für eine akute Mittelohrentzündung sind klopfende und stechende Ohrenschmerzen, die häufig nachts einsetzen. Weitere Symptome sind mitunter hohes Fieber, Kopfschmerzen und allgemeines Krankheitsgefühl. Viele Kinder klagen auch über Bauchschmerzen und Appetitmangel. Babys und Kleinkinder, die noch nicht sagen können, was ihnen weh tut, sind quengelig, weinen heftig, packen sich häufig ans schmerzende Ohr und zupfen daran. Ärzte sprechen in diesem Zusammenhang von „Ohrzwang”.

All diese Alarmsignale sollten Eltern ernst nehmen und mit ihrem Nachwuchs sobald wie möglich zum Kinderarzt gehen. Denn: Eine Mittelohrentzündung im Kleinkindalter ist kein Fall für die Selbstmedikation. Nur der Mediziner kann beurteilen, wie stark die Entzündung ausgeprägt und welche Behandlung angezeigt ist.

Schmerzen lindern, Fieber senken Um die Zeit bis zum Arzttermin zu überbrücken, können Eltern ihrem Sprössling ein Analgetikum in kindgerechter Dosierung verabreichen. Klassiker gegen Fieber und Schmerzen sind Paracetamol- oder Ibuprofenzäpfchen. Letztgenannte verfügen zusätzlich über eine entzündungshemmende Wirkung, was ihren Einsatz bei Otitis media besonders sinnvoll macht.

Weisen Sie Eltern, die ein schmerzstillendes und fiebersenkendes Arzneimittel für den Nachwuchs benötigen, im Beratungsgespräch unbedingt darauf hin, dass Acetylsalicylsäure nicht gegeben werden darf. Der Wirkstoff kann bei Kindern bis zwölf Jahren das Reye-Syndrom auslösen, eine akute Hirnschädigung, die zum Tode führen kann. Zur Behandlung akuter Mittelohrentzündungen kommen neben Analgetika auch abschwellende Nasentropfen oder -sprays mit Wirkstoffen wie Xylometazolin oder Oxymetazolin zum Einsatz, die die Durchlüftung des Mittelohrs verbessern können.

Auch hier gilt: Eltern müssen auf eine kindgerechte Dosierung achten. Es gibt sowohl sehr niedrig dosierte Präparate für Babys (z. B. 0,01 % Oxymetazolin) als auch etwas höher dosierte für Kinder zwischen zwei und sechs Jahren (z. B. 0,05 % Xylometazolin). Im Gegensatz zu gefäßverengenden Nasen- ist von Ohrentropfen bei einer Mittelohrentzündung abzuraten, da sie das Trommelfell nicht durchdringen und somit erst gar nicht ins Mittelohr gelangen können.

Empfehlen können Sie Eltern hingegen die seit Generationen bewährten Zwiebelsäckchen, denn die ätherischen Öle der Küchenzwiebel beruhigen die Schleimhaut in der Paukenhöhle, lindern Schmerzen und Entzündungen.

IMMER ÄRGER MIT DEN OHREN?
Für wiederkehrende Mittelohrentzündungen kann eine vergrößerte Rachenmandel verantwortlich sein, im Volksmund ist häufig von „Polypen” die Rede. Eine vergrößerte Rachenmandel kann auch einen Paukenerguss nach sich ziehen, bei dem sich in der Paukenhöhle hinter dem Trommelfell schleimige Flüssigkeit ansammelt, die das Hörvermögen beeinträchtigt. Sowohl bei häufigen Mittelohrentzündungen als auch bei vergrößerter Rachenmandel sollte das Kind dem HNO-Arzt vorgesellt werden. Eventuell wird er zu Maßnahmen wie Entfernung der Rachenmandel (Adenotomie)
und Paukenröhrchen raten.

Zurückhaltender Antibiotikaeinsatz Der Kinderarzt entscheidet im Einzelfall darüber, ob eine Antibiose tatsächlich nötig ist. Mittlerweile hat sich – auch vor dem Hintergrund zunehmender Antibiotikaresistenzen – die Erkenntnis durchgesetzt, dass bei unkomplizierter Mittelohrentzündung häufig auf eine antibiotische Therapie verzichtet werden kann. Voraussetzung: Eltern und Arzt arbeiten gut zusammen. Entscheidet der Arzt jedoch, dass Antibiotika unumgänglich sind, so sollten Sie Eltern bei der Abgabe auf die Notwendigkeit hinweisen, das verordnete Präparat „vorschriftsmäßig” und ausreichend lange einzunehmen.

Gar nicht oft genug kann betont werden, dass ein vorzeitiges Absetzen eines Antibiotikums schlimme Folgen haben kann. Erläutern Sie Ihren Kunden, dass bei vorzeitigem Absetzen noch nicht alle Bakterien im Körper abgetötet worden sind, auch dann nicht, wenn sich das Kind schon besser fühlt und kein Fieber mehr hat. Es besteht die Gefahr, dass sich die restlichen Keime die Erkrankung erneut zum Ausbruch bringen oder sich an das Antibiotikum gewöhnen und bei der nächsten Gabe nicht mehr durch diesen Stoff bekämpft werden können. Eine solche Resistenzbildung muss im Interesse des kleinen Patienten verhindert werden.

Bei einem Großteil der Kinder heilt eine akute Mittelohrentzündung in kurzer Zeit wieder vollständig und folgenlos aus. Dank moderner Behandlungsmethoden sind ernsthafte Komplikationen selten geworden. Viele Eltern möchten dennoch wissen, wie sie einer Otitis media vorbeugen können. Sinnvoll ist dann der Hinweis, dass diese bei Kindern, die häufig Zigarettenrauch ausgesetzt sind, öfter auftritt. Auch das Nuckeln am Schnuller gehört zu den Risikofaktoren. Hingegen haben Stillen in den ersten Lebensmonaten sowie die Pneumokokkenimpfung einen gewissen schützenden Effekt.

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 05/12 ab Seite 106.

Andrea Neuen-Biesold, Freie Journalistin

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