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Luftverschmutzung

TODESURSACHE DICKE LUFT

Die zunehmende Verschmutzung der Luft setzt die Lebenserwartung weltweit um knapp drei Jahre herab. Diese verfrühte Sterbewahrscheinlichkeit ist vor allem auf den Anstieg an Herz-Kreislauf-Erkrankungen zurückzuführen.

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Immer mehr Stick- und Schwefeloxide, Feinstaub, Kohlenmonoxid, Schwermetalle und andere Schadstoffe verpesten unsere Luft. Doch das stellt keineswegs nur einen Angriff auf die Atemwege und Lungen dar. Welche fatalen Folgen die Belastung der Umwelt und der Luft für die gesamte Weltbevölkerung hat, haben uns kürzlich Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Chemie und der Universitätsmedizin Mainz drastisch vor Augen geführt: Sie errechneten, wie stark sich die Luftverschmutzung – auch im Vergleich zu anderen gesundheitlichen Gefahren – auf die Lebenserwartung auswirkt. Noch nie zuvor waren solche Daten erhoben worden. Die Mainzer Forscher haben mithin Pionierarbeit geleistet.

Bedrohlicher als AIDS und Rauchen Wie sich anhand der Untersuchungen zeigte, verursachte Luftverschmutzung im Jahr 2015 welt- weit 8,8 Millionen vorzeitige Todesfälle. Das entspricht im globalen Durchschnitt einer Verkürzung der Pro-Kopf-Lebenserwartung von 2,9 Jahren. AIDS raubt den Betroffenen hingegen, auch bereits schlimm genug, gerade einmal 0,7 Jahre ihres Lebens. Infektionskrankheiten wie Malaria senken die Lebenserwartung durchschnittlich um 0,6 Jahre. Selbst Rauchen entpuppte sich im Vergleich als weniger schädlich: Durch das Qualmen wird die Lebenserwartung im Durchschnitt um 2,2 Jahre reduziert. Verschmutzte Luft stellt also die weitaus größte Bedrohung für unsere Gesundheit dar.

Wie der Schmutz ans Herz geht Was die frühere Sterbewahrscheinlichkeit verursacht, sind laut Professor Dr. Thomas Münzel, Direktor am Zentrum für Kardiologie der Universitätsmedizin Mainz und Leiter der Studie, insbesondere Herz-Kreislauf-Erkrankungen: „Die meisten Todesfälle treten in deren Folge auf“. Was aber macht Luftverschmutzung so gefährlich für Herz und Gefäße? Mit der eingeatmeten Luft gelangen die gasförmigen Schadstoffe und kleinste Partikel wie Feinstaub über die Atemwege zunächst bis in die Lungenbläschen. Gleich danach gehen sie in die Blutbahn und von dort an die Gefäßwände über. Hier angekommen, lösen Feinstaub & Co. vermittelt über die sogenannten Fresszellen des Immunsystems entzündliche Reaktionen aus. Diese führen zu Gefäßschäden und ebnen damit der Entstehung von Arteriosklerose den Weg. So kann es bei Menschen, die dauerhaft verschmutzter Luft ausgesetzt sind, zum Ausbruch von schweren Herz-Kreislauf-Erkrankungen kommen.

KHK-Patienten sind besonders gefährdet Koronare Herzkrankheiten, kurz KHK, wie Herzschwäche und Angina pectoris sind die häufigsten Erkrankungen des Herzens. Wer darunter leidet, den bedroht die Luftverschmutzung noch stärker: „Bei diesen Patienten kann bereits ein nur kurzfristiger Kontakt mit stark verschmutzter Luft die Gefährdung für das Herz erhöhen“, so Münzel. Der Grund dafür ist, dass Abgase des Straßenverkehrs, insbesondere von Dieseltreibstoff, die Blutplättchen von KHK-Patienten aktivieren können. Das erhöht deren Neigung, miteinander zu verklumpen. Damit verschlechtert sich nachweislich die Pumpfunktion des Herzens, der Blutdruck steigt und der Prozess der Arteriosklerose wird deutlich beschleunigt. „All das zusammen genommen befördert die Entstehung eines Herzinfarkts“.

Erhebliche Unterschiede

Wenig überraschend ist die durch Luftverschmutzung bedingte vorzeitige Mortalität in Ost- und Südasien am höchsten: sie beträgt hier 35 Prozent. In Afrika liegt sie bei elf, in Europa bei neun und in Nord- und Südamerika bei sechs Prozent. Australien weist mit 1,1 Prozent die niedrigste Sterblichkeitsrate auf. Dies hat es vor allem seinen weltweit strengsten Luftreinhaltungsstandards zu verdanken.

Feinstaub ist der größte Übeltäter Gemeinsam mit wissenschaftlichen Kollegen aus England und den USA hatte Münzel im Jahr 2018 genauer unter die Lupe genommen, welche Bestandteile in der verschmutzten Luft besonders gesundheitsschädlich sind. Auch die dahinterliegenden Mechanismen analysierten die Forscher. Im Zentrum ihrer Untersuchungen standen Stickstoff- und Schwefeldioxid, Kohlenmonoxid und Feinstaub. Letzterer wird hauptsächlich in der Atmosphäre über chemische Reaktionen aus den Emissionen von Verkehr, Industrie und Landwirtschaft gebildet. Und er spielt im Hinblick auf die schädigenden kardiovaskulären Wirkungen die größte Rolle: „Feinstaub hat eine herausragende Bedeutung“. Besonders gefährlich ist der Ultrafeinstaub. „Er bereitet uns große Sorgen“, so Münzel.

Jedes Korn dieser Art von Feinstaub misst weniger als hundert Nanometer. Das entspricht der Größe eines Virus. Wird dieser Winzling über die Atemluft inhaliert, wandert er über die Lungen umgehend in den Blutkreislauf ein. Auf diese Weise gelangt er zum Endothel – jenem Gewebe, welches die Wände der Blutgefäße wie eine Tapete auskleidet. In diesem verursacht der Ultrafeinstaub schließlich eine lokale Entzündung. Diese hat weitreichende gravierende Konsequenzen, welche die Entstehung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie etwa Herzrhythmusstörungen und Herzinsuffizienz sowie in Folge auch Herzinfarkte begünstigen. Erstaunlicherweise hat in Bezug auf die viel diskutierten Dieselabgase in erster Linie der Feinstaub und nicht das Stickstoffdioxid, die beide bei der Verbrennung von Dieselbrennstoff entstehen, derart negative Auswirkungen auf die Gefäßfunktion.

Anerkennung als neuer RisikofaktorDie Beweise dafür, dass verschmutzte Luft und insbesondere Feinstaub zu nachhaltigen Gefäßschäden führen und damit Krankheiten wie Herzinfarkt, Schlaganfall, Herzrhythmusstörungen und Herzschwäche fördert, mehren sich zusehends. Angesichts dieser dramatischen Befunde fordern Experten wie Münzel, dass Luftverschmutzung künftig als kardiovaskulärer Risikofaktor gewertet wird: ebenso schädlich wie die etablierten Risiken für das Herz, etwa Bluthochdruck oder Übergewicht. „Diese neue Einordung sollte auch in den Richtlinien der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie zur Prävention von Herzschwäche sowie des akuten und chronischen koronaren Syndroms berücksichtigt werden“, so der Mainzer Kardiologe.

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 10/2020 ab Seite 66.

Birgit Frohn, Diplombiologin

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