Lebensmittelverderb
TISCH ODER TONNE?
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Es ist kaum vorstellbar: Über 80 Kilo Lebensmittel wirft der Durchschnittsdeutsche jährlich in den Müll – das entspricht zwei vollgepackten Einkaufswagen pro Kopf und Jahr. Ein Grund, warum Essen in der Tonne statt auf dem Teller landet: Die Lebensmittel sind verdorben! Dies bedeutet, dass durch stoffliche Umsetzungen oder sonstige Veränderungen der Gebrauchswert eingeschränkt wird.
Ist ein Lebensmittel „schlecht geworden“, unterscheidet es sich bezüglich des Aussehens, der Konsistenz, des Geruchs oder des Geschmacks von einwandfreier, zum Verzehr geeigneter Ware. Grundsätzlich kann der Verderb dabei ganz unterschiedliche Ursachen haben: Er kann durch äußere Einflüsse entstehen oder durch bestimmte Eigenschaften des Lebensmittels selbst verursacht werden.
Faul, sauer, schimmelig Bekannt ist beispielsweise der mikrobiologische Verderb, der durch Bakterien, Schimmelpilze oder Hefen verursacht wird. Er kann unter anderem zu Fäulnis- und Gärungsprozessen und auch zur Bildung von Toxinen führen.
Bei der Fäulnis zersetzen Bakterien Proteine, weshalb vor allem eiweißreiche Kost wie Fisch und Fleisch anfällig dafür ist. Ein übler Geruch und unschöne Verfärbungen können darauf hindeuten, dass ein Lebensmittel angefault ist. Bei der Gärung werden Kohlenhydrate mithilfe wilder Hefen abgebaut. Von unerwünschten Gärungsprozessen betroffen können etwa Fruchtsäfte und Kompott sein.
Gärungsbläschen liefern häufig erste Hinweise auf diese Form des Verderbs. Für das Wachstum und die Stoffwechselprozesse schädlicher Mikroorganismen sind unter anderem die Struktur, der Wassergehalt, der pH-Wert und die Temperatur des Lebensmittels ausschlaggebend. Größere Lebensmittelstücke verderben meist langsamer als kleinere.
Vom mikrobiologischen unterscheidet sich der chemische Verderb, der auch als enzymatischer Verderb bezeichnet wird. Er kann durch produkteigene Enzyme oder durch Fremdenzyme ausgelöst werden. Auch Oxidationsprozesse, wie sie beim Ranzigwerden von Öl oder Butter ablaufen, sind mögliche Ursachen. Schließlich können auch atmosphärische Einflüsse – etwa Sauerstoff, Licht, Wärme und Feuchtigkeit – Lebensmittelverderb zur Folge haben.
So kann zu viel Licht den Geschmack, das Aussehen und den Nährstoffgehalt beeinträchtigen sowie die Bildung bestimmter Giftstoffe bewirken. Ein zu hoher Feuchtigkeitsgehalt erhöht die Gefahr der Schimmelbildung. Und das Austrocknen von Obst und Gemüse führt zu einem Verlust von Gewicht und Aroma – das betroffene Grünzeug wird „schrumpelig“ und schmeckt nicht mehr.
Verdorbene Lebensmittel sind in aller Regel ungenießbar – und in vielen Fällen können sie die Gesundheit sogar ernsthaft gefährden. Deshalb gehört saures, ranziges, fauliges oder schimmeliges Essen unbedingt in den Abfall.
Mindesthaltbarkeitsdatum überschritten? Doch wann ein Produkt tatsächlich „schlecht“ ist, darüber herrscht nach wie vor große Verunsicherung. Immer noch glauben zahlreiche Verbraucher, ein Lebensmittel müsse entsorgt werden, sobald das Mindesthaltbarkeitsdatums (MHD) überschritten ist. „Falsch!“, betonen Ernährungsexperten jedoch: Das MHD ist kein Wegwerfdatum, sondern eine gesetzlich vorgeschriebene Orientierungshilfe, die angibt, bis wann der Hersteller für spezifische Produkteigenschaften – wie Geruch, Farbe und Nährwert – garantiert.
Auch wenn es überschritten ist, ist das Lebensmittel meist noch völlig in Ordnung. In der Regel kann ein „abgelaufener“ Jogurt bei sachgemäßer Lagerung noch mehrere Tage nach Ablauf des Mindesthaltbarkeitsdatums bedenkenlos verzehrt werden, Trockenware oft sogar noch viele Wochen später. Kaffee verliert mit der Zeit zwar an Aroma, verdirbt aber nicht. Um herauszufinden, ob ein Lebensmittel mit überschrittenem MHD noch auf den Tisch kommen darf, verlässt man sich am besten auf seine Sinne.
Checkliste: Verderb erkennen!
► Das Lebensmittel hat sich farblich verändert.
► Es weist Schimmelbildung auf.
► Geruch und/oder Geschmack sind untypisch.
► Die Verpackung ist „aufgebläht“ (der Deckel der Konservendose hochgewölbt,
Schlauchbeutelverpackung prall gefüllt).
► Das Lebensmittel weist weiche, „matschige“ Stellen auf.
Das heißt: Es optisch begutachten, daran riechen und probieren. Ist alles einwandfrei, darf es mit gutem Gefühl und großem Appetit verzehrt werden! Anders verhält es sich mit dem so genannten Verbrauchsdatum, das auf leicht verderblichen Lebensmitteln (z. B. Hackfleisch, Geflügel) zu finden ist: Produkte mit abgelaufenem Verbrauchsdatum dürfen auf keinen Fall mehr gegessen werden!
Verderb verhindern Um zu vermeiden, dass Lebensmittel allzu rasch verderben und dann in den Müll wandern müssen, kommt es auf eine sinnvolle Einkaufsplanung an. Leicht verderbliche Frischware – etwa Brot, Wurst, empfindliche Obstsorten und Blattsalate – sind oft nur wenige Tage haltbar und sollten mehrmals pro Woche frisch eingekauft werden. Sehr empfindliche Lebensmittel wie Hackfleisch und Geflügel sollten schon bald nach dem Einkauf zubereitet werden.
Wichtig ist es darüber hinaus, Lebensmittel zu Hause richtig zu lagern und in der Küche auf eine gute Hygiene zu achten. Unerlässlich ist es bei empfindlicher Frischware wie Wurst, Käse und Milch auf eine lückenlose Kühlung zu achten. Auch viele Obst- und Gemüsesorten fühlen sich bei niedrigen Kühlschranktemperaturen wohler und bleiben hier länger haltbar. Keine Kälte können allerdings Südfrüchte (z. B. Bananen, Mangos) sowie kälteempfindliche Gemüsesorten wie Gurken, Tomaten und Paprika vertragen.
Wichtig zu wissen ist in diesem Zusammenhang auch, dass einige Obst- und Gemüsesorten, etwa Äpfel und Tomaten, das Reifegas Ethylen ausdünsten. Bewahrt man anderes Grünzeug im selben Obstkorb auf, fault es schneller. Für die Lagerung haltbarer Lebensmittel – etwa Mehl, Zucker, Müsli und Knäckebrot – gilt: Am besten kühl und dunkel in dicht schließenden Gefäßen aus Metall, Glas oder lebensmittelgeeignetem Kunststoff aufbewahren. Das hilft auch, einem Verderb durch Vorratsschädliche vorzubeugen.
Klar, dass sowohl der Kühlschrank als auch die Vorratsschränke regelmäßig gereinigt werden müssen. Saubere Hände, Küchengeräte, Schneidebretter und Spüllappen sorgen in der heimischen Küche nicht nur für Glanz, sondern verhindern auch, dass sich Lebensmittelkeime wie Listerien, Toxoplasmoseerreger und Salmonellen „unkontrolliert“ ausbreiten können. Während der faulige Apfel, das schimmelige Toastbrot und die ranzige Butter mit Augen, Nase und Mund klar zu identifizieren sind, kann man diese gesundheitsschädlichen Mikroorganismen meist weder sehen, noch riechen oder schmecken. Um sie aus der Küche zu verbannen, sind Maßnahmen wie Kühlung, Sauberkeit und ausreichend langes Erhitzen bei Temperaturen über 70 °C unumgänglich.
Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 12/13 ab Seite 72.
Andrea Neuen-Biesold, Freie Journalistin