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Steckbrief

TILIDIN

Das schwache bis mittelstarke Opioid ist der Wirkstoff seiner Klasse, der am häufigsten verordnet wird. Er ist gut wirksam bei Schmerzen, bei denen nichtopioide Wirkstoffe zu schwach sind.

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Tilidin ist ein Prodrug, das in der Leber zur eigentlichen Wirkform Nortilidin metabolisiert wird. Dieser Metabolit bindet vor allem an Opioid-Rezeptoren im zentralen Nervensystem, die für die Regulierung der Schmerzweiterleitung und die Freisetzung bestimmter Hypophysenhormone wichtig sind. Es wirkt dort als Agonist an den Opioid-Rezeptoren. Tilidin wird in der festen Kombination mit dem zentralen und peripheren Opioidrezeptor-Antagonisten Naloxon verarbeitet. So reduziert sich das Abhängigkeits- und Mißbrauchsrisiko.

Nach oraler Gabe von Tropfen oder Tabletten wird Naloxon durch den First-Pass-Effekt in der Leber inaktiviert, während Tilidin in die gewünschte Wirkform Nortilidin umgewandelt wird und die analgetische Wirksamkeit entfaltet. Werden Naloxon-haltige Arzneimittel allerdings missbräuchlich parenteral verabreicht, setzt die antagonisierende Wirkung des Naloxons voll ein. Wird Tilidin oral überdosiert, kann die Leber nicht so schnell die ganze Menge Naloxon abbauen und die Wirkung als Antagonist kommt zum Tragen. Tilidin erreicht eine Wirkung, die etwa 20 Prozent der des Morphins entspricht. Die Wirkdauer bei nichtretardierten Darreichungsformen beträgt etwa drei bis fünf Stunden. Tilidin kann in Tropfen- oder Tablettenform verordnet werden.

Mit den Tropfen wird eine rasche Wirkung bei geringer Dauer erreicht. Dies ist für akute Schmerzen oder Schmerzspitzen sinnvoll, für eine anhaltende Analgesie sind Retardformulierungen mit einer Wirkdauer von zwölf Stunden besser geeignet. In den vergangenen Jahren wurde festgestellt, dass die Tropfenform trotz des Naloxonzusatzes vielfach missbräuchlich verwendet wurde. Sie unterstehen daher nun dem Betäubungsmittelgesetz. Nur retardierte Formen des Tilidins sind von der Betäubungsmittelverschreibungsverordnung ausgenommen. Die maximale Tagesdosis für Erwachsene beträgt 600 Milligramm aufgeteilt auf mehrere Einzeldosen. Ziel sollte immer sein, die geringste analgetisch wirksame Dosis einzusetzen. Diese titriert der Arzt entsprechend der Schmerzintensität ein.

In der Erhaltungstherapie sollte ein festes Zeitschema eingehalten werden. Wenn der Behandlungsgrund nach längerer Therapie nicht mehr gegeben ist, sollte das Arzneimittel schrittweise mit einer Dosisreduktion um 50 Prozent pro Woche ausgeschlichen werden, um Absetzphänomene zu vermeiden. Häufige Nebenwirkungen sind gas- trointestinale Beschwerden, wie Übelkeit, Erbrechen und Obstipation. Insbesondere zu Beginn der Behandlung sind diese Symptome sehr häufig. Opioide verursachen im Allgemeinen über die Wirkung an den peripheren Opioid-Rezeptoren Verstopfungen.

Dies kann auch unter der langfristigen Gabe andauern und sollte mit Laxanzien, beispielsweise Macrogol behandelt werden. Weitere übliche Nebenwirkungen, wie Atemdepression, Benommenheit und Schwindel, treten dosisabhängig auf. Bei dauerhafter chronischer Therapie mit Tilidin besteht die Gefahr, eine Abhängigkeit zu entwickeln. Da Tilidin über CYP3A4 und CYP2C19 verstoffwechselt wird, sind Interaktionen mit Inhibitoren und Induktoren dieser Enzyme möglich. Hemmstoffe können die Wirkung verstärken, Induktoren beschleunigen die Metabolisierung und Ausscheidung. Außerdem können pharmakodynamische Wechselwirkungen mit zentral wirkenden Arzneistoffen, wie Benzodiazepinen oder Alkohol auftreten.

Eine Verstärkung der Atemdepression bis hin zum Tod ist möglich. Eine gleichzeitige Gabe von Sedativa mit Tilidin sollte vermieden werden. Die Kombination mit serotonergen Substanzen, wie zum Beispiel SSRI, SSNRI, trizyklischen Antidepressiva oder MAO-Hemmern ist wegen der Gefahr des Serotoninsyndroms zu vermeiden. Bei Erstverordnung von Tilidin sollten die Patienten auf die Einschränkung der Reaktionsfähigkeit, zum Beispiel im Straßenverkehr oder beim Bedienen von Maschinen hingewiesen werden. In Schwangerschaft und Stillzeit sollte Tilidin/Naloxon nur nach strengster Risiko-Nutzen-Abwägung verordnet werden.

Den Artikel finden Sie auch in DIE PTA IN DER APOTHEKE 07/2021 ab Seite 118.

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